Aurignac. Blick vom Ort auf die Pyrenäen. Foto: Hilke Maunder

Glücksmomente in Aurignac

Kennt ihr es auch? Es gibt Orte, da fühlt man sich auf Anhieb wohl. Obgleich sie nichts Spektakuläres bieten, nichts Besonderes sind. Zumindest auf den ersten Blick. Genau solch ein Ort ist Aurignac im südfranzösischen Département Haute-Garonne.

Fachwerk, von der Sonne beschienen: bienvenue im Midi! Foto: Hilke Maunder
Fachwerk, von der Sonne beschienen: bienvenue im Midi! Foto: Hilke Maunder

Als ich am frühen Abend auf den Großparkplatz vor der Mairie rollte und meinen Wagen kostenfrei für das Wochenende abstellte, leuchtete die Sonne auf den Schneespitzen der Pyrenäen am Horizont.

Zwei Kinder kletterten auf einem Geländer herum. Ihre Eltern saßen mit Freunden im Freien bei einer pression zusammen, einem frisch gezapften Bier.

Das Lebensgefühl des Midi

Aurignac: Caféterrasse des Hôtel Saint-Laurans. Foto: Hilke Maunder
Die Caféterrasse des Hôtel Saint-Laurans in Aurignac. Foto: Hilke Maunder

Später traf sich das Dorf im Innern des Bistros, futterte foie gras, charcuterie und Käse von schiefernen planches, trank tiefdunkle, erdige Rotweine, drängte sich um kleine Tische oder am verzinkten Tresen.

Sprachfetzen schwirrten durch die Luft. Hier Okzitanisch, da Englisch, dort typisch Pariser Französisch. In diesem Moment hätte ich vor Glück zerplatzen können.

Am nächsten Morgen weckte mich Vogelgezwitscher. Da das Café meines Hotels um sechs Uhr früh noch geschlossen war, bummelte ich in der morgendlichen Kühle durch das 1.170 Einwohner zählende Städtchen.

Aus der Bäckerei drangen verführerische Düfte. Noch ofenwarm kam das pain au chocolat in die Tüte. Dazu einen café allongé, bitte ohne Zucker. Zwei Euro zehn, Madame!

Aurignac. Foto: Hilke Maunder
Die Kirche Saint-Pierre-aux-Liens vom Aurignac. Foto: Hilke Maunder

Unter der Vorhalle der Kirche Saint-Pierre-aux-Liens genoss ich das frühe Frühstück und sah zu, wie die Sonnenstrahlen von der Tour Savoie aus langsam die Gassen eroberten, Hauswände leuchten ließen und auf Blüten und Blättern tanzen.

Aurignac. Foto: Hilke Maunder
Heute eine Ruine: das Château d’Aurignac. Foto: Hilke Maunder

War es vielleicht der Zauber eines solchen Morgens, der vor 38.000 bis 28.000 Jahren in der Epoche des Aurignacien in der Vorzeit die Menschen in einen schöpferischen Rausch versetzte?

Aurignac. Foto: Hilke Maunder
Die Pfarrkirche des alten Aurignac. Foto: Hilke Maunder

Kreativer Urknall

Wie aus lähmendem Schlaf erwacht, begannen die Menschen, die Umwelt künstlerisch zu interpretieren. Human Revolution nennen die Archäologen den kreativen Urknall.

Im vorgeschichtlichen Museum von Aurignac könnt ihr ihre Werke bewundern: Gravuren auf Knochen, Lochperlen und Abbildungen von Felsritzungen, die die Höhlenwände in Südfrankreich schmückten. Darauf abgebildet waren nicht nur Mammut & Co., sondern auch Vulven und Penisse.

Aurignac. Foto: Hilke Maunder
Früher Morgen in Aurignac. Foto: Hilke Maunder

Ausgestellt sind im Musée Forum de l’Aurignacien auch die typischen Werkzeuge des Neandertaler-Nachfolgers, dessen Spuren sich von der Iberischen Halbinsel über Frankreich bis nach Rumänien verfolgen lassen und der Kulturstufe Aurignacien ihren Namen gegeben haben.

Aus Knochen und Elfenbein fertigte er Projektilspitzen für sein Arsenal an Speeren. Feuerstein wurde zu Kielkratzern, Sticheln und langen, schmalen Kanten verarbeitet, die häufig an den Längsseiten konkav tailliert wurden.

In den Gassen von Aurignac. Foto: Hilke Maunder
In den Gassen von Aurignac. Foto: Hilke Maunder

Zeitreise mit 19 Tafeln

Dans les terres, il voit une ville très forte,
Ceinte de murs avec deux tours à chaque porte.
Au centre est un donjon si beau qu’en vérité,
On ne le peindrait pas dans tout un jour d’été.

schwärmte einst Nationaldichter Victor Hugo über die Altstadt von Aurignac. 19 Plaketten führen euch in der befestigten cité zu den schönsten Winkeln und Bauten.

Aurignac in Haute-Garonne. Foto: Hilke Maunder
Fachwerk, Feldstein und Putz: Fassaden im Vieil Aurignac. Foto: Hilke Maunder

Häuser von der Gotik bis zur Renaissance schmücken die Gassen, einige mit Fachwerk, andere mit Steinmetzarbeiten. Und oft üppig mit Blumen geschmückt!

Und vergesst nicht, zum Abschluss den Bergfried hinaufzusteigen. Von oben habt ihr einen traumhaften Rundblick über das sanft gewellte Vorland der Pyrenäen!

Traumhaft: der Ausblick von Aurignac auf den Hauptkamm der Pyrenäen. Foto: Hilke Maunder
Traumhaft: der Ausblick von Aurignac auf den Hauptkamm der Pyrenäen. Foto: Hilke Maunder

Aurignac: meine Reisetipps

Schlafen & schlemmen

Hôtel Saint-Laurans

Aurignac: Hôtel Saint-Laurans. Foto: Hilke Maunder
Schön geräumig: die Zimmer im Hôtel Saint-Laurans. Foto: Hilke Maunder

Große geräumige Zimmer am Rathausplatz, ein sympathisches, uriges Bistro und leckere Küche von morgens bis abends. Dieses charmante Hotel in einem Altstadthaus hat alles Zeug zum Lieblingshotel!
• 6, place de la Mairie, 31420 Aurignac, Tel. 05 61 90 49 55

Aurignac: Hôtel Saint-Laurans. Foto: Hilke Maunder
Der Schlafbereich. Foto: Hilke Maunder

Nicht verpassen

Musée de l’Aurignacien

Neandertaler und moderne Menschen (homo sapiens) lebten vor rund 38.000 – 28.000 Jahren v. Chr. in Europa nebeneinander. Einblicke in die spannende Auragnicien-Epoche der Menschheitsgeschichte vermittelt das Museum mit vielen Exponaten. Und nicht nur Steinkeile, sondern auch Skulpturen und den ältesten Instrumenten der Menschheit!
• Avenue de Benabarre, 31420 Aurignac, Tel. 05 61 90 90 72www.musee-aurignacien.com, Mo., Di. geschlossen!

Aurignac sous Pression

Legendär ist auch das Bierfest Anfang Oktober, das vor allem Motorradfahrer von nah und fern lockt – mit Craft-Bier der Region und Musik.

Abendblick aus meinen Hotelfenster in Aurignac. Am Horizont seht ihr die Pyrenäen. Foto: Hilke Maunder
Abendblick aus meinen Hotelfenster in Aurignac. Am Horizont seht ihr die Pyrenäen. Foto: Hilke Maunder

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Cover Annette Meiser, ,Midi PyreneesAnnette Meiser, Midi-Pyrénées*

Annette Meiser, die u.a. die ers­te müll­frei­e Schu­le Deutsch­lands mitbegründete, hat in Midi-Pyrénées ihre Wahlheimat. Dort lebt und arbeitet sie seit vielen Jahren und bietet erdgeschichtliche und kulturhistorische Wanderreisen an.

Ihre Expertise hat sie auf 432 Seiten zwischen die Buchdeckel eines Reiseführers gepackt. Ihr erstes Buch stellt eine Ecke Frankreichs ausführlich vor, die in klassischen Südfrankreich-Führern stets zu kurz kommt.

Für mich ist es der beste Reiseführer auf Deutsch für alle, die individuell unterwegs sind – sehr gut gefallen mir die eingestreuten, oftmals überraschenden oder kaum bekannte Infos. Wie zum einzigen Dorf Frankreichs, das sich in zwei Départements befindet: Saint-Santin liegt genau auf der Grenze von Aveyron und Cantal. Wer mag, kann den Band hier* direkt online bestellen.

Okzitanien abseits GeheimtippsHilke Maunder, Okzitanien: 50 Tipps abseits der ausgetretenen Pfade*

Okzitanien ist die Quintessenz des Südens Frankreichs. Es in den Höhen der Cevennen, endet im Süden am Mittelmeer – und präsentiert sich zwischen Rhône und Adour als eine Region, die selbstbewusst ihre  Kultur, Sprache und Küche pflegt.

Katharerburgen erzählen vom Kampf gegen Kirche und Krone, eine gelbe Pflanze vom blauen Wunder, das Okzitanien im Mittelalter reich machte. Acht Welterbestätten birgt die zweitgrößte Region Frankreichs, 40 grands sites – und unzählige Highlights, die abseits liegen. 50 dieser Juwelen enthält dieser Band. Abseits in Okzitanien: Bienvenue im Paradies für Entdecker!  Hier* gibt es euren Begleiter.

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Die Pyrenäen bei Aurignac. Foto: Hilke Maunder
Die Pyrenäen bei Aurignac. Foto: Hilke Maunder

 

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