Der Blick auf Castelnou vom Aussichtspunkt. Foto: Hilke Maunder
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Castelnou – Wehrdorf mit Charme

Alter Stein, Blumengassen und ein feudales Château: Auch Castelnou zählt zu den vielen malerischen Orten in Frankreich, die das Mittelalter bewahrt haben.

Das kleine Wehrdorf im Roussillon gehört zu den vier plus beaux villages de France, die ihr in den Pyrénées-Orientales finden könnt. Neben Castelnou gehören dazu noch Éus, Évol und Villefranche-de-Conflent.

Die prestigeträchtige Auszeichnung lockt Besucher. Entsprechender Andrang, besonders von Ostern bis Oktober, ist damit auch in Castelnou garantiert. Achtung: Parkt bitte korrekt. Es wird radikal abgeschleppt!

Grober Feldstein und bunte Blumen: Castelnou! Foto: Hilke Maunder
Grober Feldstein und bunte Blumen: Castelnou! Foto: Hilke Maunder

Bei Frankreichs Katalanen

Das Dorf fällt außerhalb der Saison in einen Dornröschenschalft. Doch das schmälert nicht die Schönheit dieser wehrhaften Natursteinperle. Bis heute hat Castenou sein mittelalterliches Aussehen mit einer Stadtmauer, die acht Türme und vier Tore in den vier Himmelsrichtungen unterbrechen, seinem Wachtturm und seiner Burg gewahrt.

Schon der Blick bei der Anfahrt ist eindrucksvoll. Schon von weitem liegt Castelnou idyllisch im Grünen. Die Wolken jagten sich mächtig am Himmel, und kurze, schnelle Schauer wechselten sich mit Sonnenschein.

Sogar die Schneespitzen der Pyrenäen mit dem majestätischen Canigou (2.784 m), dem Hausberg der Katalanen, lugten für einige Minuten aus den Wolken hervor und begrenzen den Horizont.

Foto: Hilke Maunder
Foto: Hilke Maunder

Das Burgschloss von Castelnou

Im Norden bewacht ein imposantes Tor mit zwei Türmen seit dem 14. Jahrhundert den Eingang zum Ort, über den die Stammburg der Vizegrafen von Castelnou thront.

Ihr Château findet ihr am südwestlichen Ende des kleinen Ortes. 2018 erwarb das Département die Burg. Bis 2022 wurde sie für rund vier Millionen Euro restauriert. Der Ausblick von dort oben ist wundervoll!

Das Burgschloss von Castelnou. Foto: Hilke Maunder
Das Burgschloss von Castelnou. Foto: Hilke Maunder

Ungehindert schweift der Blick von der Burg von Castelnou über die grünen Hügel der Aspres hin zu den Bergspitzen der Pyrenäen mit dem Massiv des Canigou und den Ausläufern der Albères, die an der Côte Vermeille im Meer versinken.

Gen Norden könnt ihr über sanft gewelltes Land über die Täler von Têt und Agly bis an zu den Karstgraden blicken, mit den bei Maury die Corbières beginnen. Mit etwas Glück zeigt sich auch die höchste Spitze der Haute-Corbières, der 1.230 Meter hohe Pech du Bugarach.

Der Eingang zum Schloss mit dem sinnlichen Klopfer. Foto: Hilke Maunder
Der Eingang zum Schloss mit dem sinnlichen Klopfer. Foto: Hilke Maunder
Diese Ritterausrüstungen sind in der Burg ausgestellt. Foto: Hilke Maunder
Diese Ritterrüstungen sind in der Burg ausgestellt. Foto: Hilke Maunder

Im Innern präsentiert das kleine Burgmuseum die Lebensart des Mittelalters mit Ritterrüstungen und Wandteppichen, Möbeln und Tischen, in der Mode der Zeit eingekleideten Schaupuppen sowie vielen anderen Gerätschaften.

Foto: Hilke Maunder
Foto: Hilke Maunder
Foto: HIlke Maunder
Foto: Hilke Maunder
Der Blick von der Burg auf den Ort. Foto: Hilke Maunder
Der Blick von der Burg auf den Ort. Foto: Hilke Maunder

Mata Hari des Zweiten Weltkriegs

Berühmt wurde die Burg von Castelnou als letzter Wohnort von Amy Elizabeth Thorpe. Die schöne Amerikanerin, am 22. November 1910 in Minneapolis geboren, hatte im jungen Alter von  neunzehn Jahren einen englischen Diplomaten geheiratet. Als die Ehe nach elf Jahren mit der Scheidung endete, heuerte die British Security Coordination die damals 30-Jährige als Spionin an.

Unter dem Codename „Cynthia“ sollte sie mithelfen, die die Geheimnisse der gegnerischen Kryptographie zu entschlüsseln. Nicht nur beim italienischen Admiral Alberto Lais war sie erfolgreich und entlockte mit Erotik und Verführung wertvolle militärische Geheimisse.

Nach dem Tod ihres ersten Mannes, der ihr fast fremd geworden war, heiratete Thorpe 1945 einen ihrer Informanten, Charles Brousse, einst Presseattaché an der französischen Botschaft. Zurückgezogen lebte das Paar  im Château de Castelnou, bis Thorpe am 1. Dezember 1963 im Alter von 53 Jahren an Krebs starb. Ihr zweiter Mann überlebte sie um zehn Jahre und fiel schließlich einem häuslichen Unfall zum Opfer.

Eine Gasse in Castelnou. Foto: Hilke Maunder
Foto: Hilke Maunder

Mittelalterliches Bilderbuchdorf

Ein Fußweg führt abseits vom Verkehr zurück ins mittelalterliche Dorf. Kleine Gassen und Treppenwege verbinden dort die parallel verlaufenden Hauptachsen Carrer d’avall und Carrer del mig.

Von April bis Oktober findet ihr dort Kunsthandwerker und Galerien, Cafés, Lokale und charmante chambres d’hôtes. Außerhalb der Saison wirkt der Ort so ausgestorben wie einst im 19. Jahrhundert, wo er als verlassen und aufgegeben galt.

Foto: Hilke Maunder
Foto: Hilke Maunder

Mit der Restaurierung der Burg – und dem wieder erwachten Interesse an alten Bauten – zog wieder neues Leben ein. Heute zählt Castelnou offiziell 341 Einwohner.

Foto: Hilke Maunder
Foto: Hilke Maunder

Lasst euch durch die Gassen treiben hin zum Dorfplatz, und schaut euch einmal die Fassaden aus groben Feldsteinen genauer an. Manche Häuser besitzen noch traditionelle, halbkugelförmige Backöfen. Andere sind unter der Dachtraufe mit Keramikfliesen geschmückt.

Castelnou. Foto: Hilke Maunder
Eine der Gassen im Herzen von Castelnou. Foto: Hilke Maunder

Bei manchen Wänden hatte ich den Eindruck, als hätte die Burg als Materiallager für die Mauersteine gedient.

Außerhalb der Stadtmauer liegt die Église Sainte-Marie du Mercadal, die um 1259 errichtet wurde.  Werft einmal einen Blick ins Innere – und betrachtet auch einmal die alten Gräber auf dem Friedhof!

Die Ortskirche von Castelnou. Foto: Hilke Maunder
Die Ortskirche von Castelnou. Foto: Hilke Maunder
Foto: HIlke Maunder
Foto: Hilke Maunder

Castelnou: meine Reise-Tipps

Schlemmen

L’Hostal

Küchenchef Paul Bourret serviert katalanische Traditionsküche mit cargolade, escargots à la catalane, Grillgerichten und Winter-Wärmern wie Raclette und Fondue.
• 13, carrer Na Patora, Tel.04 68 53 45 42, www.lhostal.com

Shopping

Weine der Appellation Côtes du Roussillon könnt ihr im Schlosskeller verkosten und kaufen. Werft einen Blick auf die Barriquefässer, die in drei Etagen übereinander liegen!

Bei À la Ruche findet ihr Honig-Spezialitäten aus dem Roussillon.
• Place du village, Tel. 06 63 17 52 96, www.a-la-ruche.com

Im Sommer arbeitet gegenüber vom kleinen Produzentenmarkt der Bilderhauer Bernard Hémour an seinen großen Skulpturen.

Foto: Hilke Maunder
Bernard Hémour in seinem Freiluftatelier. Foto: Hilke Maunder

Gaston Depierre hat früher für Hermès gearbeitet. Seit rund 20 Jahren lebt er in Castelnou, wo er in seiner Werkstatt L‘Œuf Surprise historische Schmuckeier, wie beispielsweise von Fabergé, restauriert. Und auch eigene Eier entwirft und fertigt.
• 12, Carrer del Mitg, Tel. 04 68 53 01 22

Auf dem Markt könnt ihr auch picknicken! Foto: Hilke Maunder
Eine schöne Kulisse für ein Picknick – der kleine Produzentenmarkt! Foto: Hilke Maunder

Von Mitte Juni bis Mitte September gibt es jeden Dienstag zudem einen Markt mit lokalen Erzeugnissen. An den aufgestellten Tischen und weiteren Tisch-Bank-Kombinationen aus Holz könnt ihr picknicken!

Schlafen

le Moulin de Canterrane

Mitten in der Natur versteckt sich diese einstige Mühle, die heute Ferienhäuser birgt. Und auch einen hauseigenen Muscat herstellt. Hier habe ich das Anwesen vorgestellt.

Am Horizont der Canigou: der Moulin de Canterrane. Foto: Hilke Maunder
Am Horizont der Canigou: der Moulin de Canterrane. Foto: Hilke Maunder

La Figuera

Charmantes chambres d’hôtes mit fünf Zimmern im katalanischen Stil, das abends auch eine table d’hôte anbietet.
• 3, carrer de la font d’Avall, Tel. 04 68 53 18 42, www.la-figuera.com

Noch mehr Betten*
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Foto: Hilke Maunder
Foto: Hilke Maunder

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4 Kommentare

  1. Bei meiner Reise zwischen Toulouse, Pyrenäen und Mittelmeer im Mai habe ich auch Castelnou besucht, zum Glück ohne jeden Touristenrummel. Wirklich ein hübscher Ort. Leider war die Kirche verschlossen, aber jetzt weiss ich wenigstens wie sie innen aussieht.

  2. Vor Jahren verbrachten wir, meine liebe Frau und ich, in diesem Teil von Südfrankreich Urlaubstage und durften diese Region mit allen unseren Sinnen erfahren/erleben. Es war einer unserer schönsten Frankreichurlaube. Unter Tränen sah ich die abgebildeten Örtlichkeiten wieder, ging in der Erinnerung durch die mittelalterlichen Gasse mit meiner verstorbenen Frau. Es blieben schön Stunden der Erinnerung zurück. Erhielt von meiner Tochter A. diesen Bericht. Merci !

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