Folk lebt! Eine musikalische Frankreich-Reise

Folk ist auf dem Vormarsch, sagt eine Studie von France Festivals. 18 Prozent aller Musikfestivals Europa widmen sich volkstümlichen regionalen Musikkulturen. Zu den größten Veranstaltungen gehören in Frankreich das zehntägige Festival Interceltiques von Lorient im August mit mehr als 4.500 keltischen Musikern und 700.000 Besuchern.

Strasbourg feiert seit 2016 in gerade Jahren das Festival Euroceltes, Lambesc mit Festi’Folk Mitte August ebenfalls ein führendes Folk-Festival.

Akkordeon? Ein Migrant!

Auf dem Festival International Mandolines de Lunel stellte John Paul Jones, der ehemalige Bassist von Led Zeppelin, erstmals eine Mandoline mit drei Griffen vor.

Das vermeidlich so typisch französische Akkordeon indes kam erst mit den italienischen Einwanderern nach Frankreich, und wird doch immer wieder gerne von den französischen Präsidenten gespielt, die sich so gerne volkstümlich und urfranzösisch zeigen – von Giscard d’Estaing bis zu François Hollande.

Nachfolgend möchte ich euch ein paar typische Instrumente aus einigen französischen Regionen und berühmte Folk-Musiker, die sie verwenden, vorstellen.

Musik_Instrumente_Bombarde_Meun

Folk in der Bretagne

In der Bretagne heißt er nur DédéAndré Le Meut. Am 4. Dezember 1964  wurde er jüngstes Kind der Familie in Ploemel bei Carnac geboren. Sein Vater Jean war Bauer und bekannt als Sänger. Besonders gerne schmetterte er traditionelle Liedern aus dem Vannetais, der Region rund um Vannes in der Südbretagne.

Das musikalische Talent wurde vererbt. Le Meut ist heute der berühmteste Bombardespieler der Bretagne. Mit Avec Dédé widmet Christian Rouaud im Oktober 2013 eine filmische Hommage. Begleitet wird die Kegeloboe traditionell von einer Binioù kozh, einer Sackpfeife, die die Melodie der Bombarde eine Oktave tiefer mitspielt.

Zu den Musikern, der zu den großen Meistern dieser beiden Blasinstrumenten zählt und sich über Frankreich hinaus berühmt gemacht haben, gehört der bretonische Jazzer Roland Becker aus Auray.

Folk im Centre

Frankreichs Juke-Box des Barock stammt aus der Region Centre. Die Vieille à roue wird mit vier Fingern gespielt, ohne Daumen. Patrick Bouffard und Gilles Chabenat, beide Jahrgang 1963, entlocken dem Traditionsinstrument völlig neue Töne!

Folk auf Korsika

Auf der Mittelmeerinsel hat die Musikerfamilie Casalonga viel zur Wiederbelebung der traditionellen Inselmusik beigetragen. Seitdem sich Toni mit seiner Frau Nicole und ihren Söhnen Ugo und Jérôme in Pigna in der Balagne niedergelassen haben, kommen jährlich dort 50.000 Besucher hin.

Die Pivana-Flöte ist vor allem im Niolo daheim. Dort wird sie seit dem Mittelalter aus dem Horn der einheimischen Ziegen geschnitzt und mit sechs Löchern zum Bespielen versehen.

Im Juli feiert Corte mit dem Festival International Jacquews Luciani ein Folklore-Festival, das weit über die Insel hinausstrahlt.

Folk in Lothringen

Nicht einmal 40 Zentimeter lang ist die Épinette des Vosges, die rund um Val-d’Ajol und Gérardmer als Zither auf dem Tisch gespielt wird. Ein paar Titel von Jean-François Dutertre, dem 2017 verstorbenen Vorreiter für die Wiederbelebung traditioneller Volksmusik und Gründer der Folk-Gruppe Mélusine, gibt es bei iTunes.

Folk in Okzitanien

Das Ttun-Ttun zu spielen, bedeutet wahres Multitasking: Mit einer Hand wird eine Flöte mit drei Löchern bespielt, mit der anderen mit einem Stock auf ein Psalterium oder Hackbrett, das mit mindestens vier Seiten bespannt ist, mit einem Stab geschlagen.

Wahre Meister darin sind der baskische Musiker Michel Etchecopar und  Jean Baudoin von der Gruppe Xarnège, der am Konservatorium von Pau unterrichtet. Xarnège (Sharnègo) ist der Name der Regionen zwischen der Gascogne und dem Baskenland. Aber auch Kinder aus Mischehen zwischen Basken und Gascognern werden Xarnège genannt.

Folk im Baskenland

Drei Löcher einhändig bespielen und mit der Zunge die Töne von zwei Oktaven formen: Die baskische Flöte Txistu> zu spielen, ist nicht so einfach. Sie brilliert auch bei den Banda auf der Fête du Gâteau Basque in Cambo-les-Bains.

Fête du Gâteau Basque: Flötistin einer Banda. Foto: Hilke Maunder
Die Flötistin einer Banda. Foto: Hilke Maunder

Folk in der Provence

Ebenfalls ein Doppelinstrument ist das Galoubet-Tambourin, dessen Wurzeln bis in das 9. Jahrhundert zurückreichen. Es besteht aus einer Flöte mit drei Löchern, die mit einer Hand gespielt wird, und einer großen Trommel. Wie es gelingt, zeigen Lehrer wie Alain Bravay oder André Gabriel am Konservatorium von Aix-en-Provence und an der Uni von Avignon.

Zu seinen bekanntesten Spielern gehört Patrice Conte vom Belouga Quartet. Maurice Maréchal war bis zu seinem Tod 2014 auch ein großer Sammler des Galoubet-Tambourin. Er besaß mehr als 2.600 Exemplare von seinem Lieblingsinstrument.

In den Savoyer Alpen baumeln große Glocken am Hals der Kühe, die auf den Almen weiden. Welche tolle Musik in einem solchen Toupin savoyard steckt, zeigt Jean-Marc Jacquier mit seiner Gruppe La Kinkerne.

© Mandoline mit drei Armen: Pressefoto, Rencontres Internationales de luthiers et maîtres sonneurs

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4 Kommentare

  1. Bonjour, mit Wehmut habe ich deinen Artikel gelesen, es war Juli 1984, mein 1.Urlaub in Frankreich. Ich bin als Anhalter in die Normandie, in die Bretagne. In Le Folgoet, in einem Cafe sah ich die Ankündigung eines „FEST-NOZ“.
    Auf diesem Fest habe ich die Gruppe „Tri Yann“ zum ersten mal gehört. es war bretonische Folk-Rock Musik, teilweise in keltischer Sprache. Bei dem Lied „An Tourter“ bekomme ich heute noch Gänsehaut; dieser Abend, dieses Konzert waren umbeschreiblich schön; übrigens habe ich eine Set-Liste gefunden und sie klebt in meinem Foto-Ordner…..Jürgen Friedrich/Frechen

  2. Hallo,
    gratuliere zu dem tollen Beitrag, der mir viele neue Infos beschert hat! Auf deinen Blog bin ich gestoßen, als ich auf der Suche nach einem Künstler*in/einer Formation namens HAD war. Weißt du vielleicht etwas näheres darüber?
    Weiterhin viel Erfolg mit deinem Blog & Viele Grüße, Michael

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