Vallée de l'Agly: Weinlese bei Thunevin-Calvet. Foto: Hilke Maunder
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Vallée de l’Agly: alter Wein & junge Ideen

Eine halbe Autostunde westlich von Perpignan versteckt sich zwischen den Berghängen der Corbières und den Bergkämmen der Pyrenäen ein Tal, das zu den aufregendsten Weinregionen des Landes gehört. Es wird von Ausländern inzwischen hoch gelobt und gehandelt. Von Franzosen indes wurde es bislang kaum entdeckt: das Vallée de l’Agly.

Vallée de l'Agly zwischen Maury und Saint-Paul-de-Fenouillet. Foto: Hilke Maunder
Die Vallée de l’Agly zwischen Maury und Saint-Paul-de-Fenouillet. Foto: Hilke Maunder

In dem rund 30 Kilometer langen Tal zwischen Espira d’Agly und Caudiès-de-Fenouillèdes gibt es eine solche Vielfalt von Böden, wie sie sonst nur im Elsass zu finden ist – dazu neben der Hauptrebe Grenache noch ein Dutzend Sorten sowie Jahrhunderte alte Stöcke.

Und das zu Preisen, die noch unschlagbar günstig sind. 10.000 Euro kostet der Hektar im Durchschnitt. Und damit ungefähr die Hälfte wie in anderen Lagen im Languedoc. Oder dreißigmal weniger als in Saint-Émilion. Das zieht junge Talente an.

Weingärten zwischen Saint-Paul-de-Fenouillet und Maury. Foto: Hilke Maunder
Weingärten zwischen Saint-Paul-de-Fenouillet und Maury. Foto: Hilke Maunder

Die Pioniere der Vallée de l’Agly

Zu den Pionieren des alten Gebietes gehören zwei Männer, die unterschiedlicher nicht sein könnten: Marcel Bühler und Dave Phinney. Der Schweizer Ex-Banker Bühler hat vor inzwischen vielen Jahren seinen Beruf an den Nagel gehängt.

Er stellt heute auf seiner Domaine des Enfants im Agly-Tal auf 20 Hektar Bioweine so naturnah wie möglich her. Mit drei Mitarbeitern, Pferd und Maulesel könnt ihr ihn in den Weingärten bei Saint-Paul-de-Fenouillet dabei erleben.

Das Vallée de l'Agly. Foto: Hilke Maunder
Das Vallée de l’Agly. Foto: Hilke Maunder

Dave Phinney aus dem Napa-Valley stellte 2009 für rund fünf Millionen Euro mit 44 elektronisch wärmegesteuerten Inoxtanks von Lejeune bei Maury eine der modernsten Kellereien Frankreichs ins Tal.

Auf 120 Hektar Weinland bearbeiten er und sein Team seitdem mit amerikanischem Know-how und Hightech die Reben für seine Marke Department 66, Weinen nach kalifornischem Vorbild.

Dritter im Bunde ist Hervé Bizeul. Auch er gehört zu den neuen Stars einer Region, in der Ende der 1990er-Jahre zahlreiche Kooperativen schlossen, uralte Weinberge aufgegeben oder umgewandelt worden waren. Sein Clos des Fées ist ein raues, steiniges Gelände bei Vingrau. Im Tal des Agly hatte er damals seine Karriere als Winzer begonnen. Und ist heute nur einen Katzensprung von dort entfernt verwurzelt geblieben.

Bereits Ende August beginnt die Weinlese im Vallée de l'Agly. Foto: Hilke Maunder
Bereits Ende August beginnt die Weinlese in der Vallée de l’Agly. Foto: Hilke Maunder

Hervé Bizeul ist nicht nur für die Qualität seiner Tropfen, sondern auch für die Summen, die er für sie fordert, berühmt. Eine Flasche seiner Cuvée La Petite Sibérie kostet ab 200 Euro. Die perfekte Reife hat der Tropfen nach zehn Jahren. Länger als 30 Jahren solltet ihr ihn nicht lagern.

Günstiger sind Hervés Hexen. Für Les Sorcières paart er Syrah, Grenache noir, Mourvèdre und Carignan. Jeder Jahrgang ist ein echter Trinkgenuss!

Herbst im Vallée de l'Agly. Foto: Hilke Maunder
Herbst in der Vallée de l’Agly. Foto: Hilke Maunder

Günstiger, aber nicht weniger köstlich ist „Hugo“, mein Lieblingswein der Domaine Thunevin-Calvet. Ab 31 Euro kostet die Assemblage aus rund zwei Dritteln Grenache und einem Drittel Syrah vopn 40- bis 100-jährigen Rebstöcken, einen Ertrag von nur 20 Hektoliter pro Hektar liefern. Der opulente Wein reift 18 Monate lang in großen Holzfässern.

Das Ergebnis: eine kraftvolle Konzentration dunkler Beerenaromen und ungeheuer reiche Tannine. Ein richtiger Kamin- und Mediationswein, pur oder zu Wildschwein oder Ente.

Vallée de l'Agly: das Stammhaus von Thunevin-Calvet in Maury. Foto: Hilke Maunder
Der Keller von Thunevin-Calvet in Maury. Foto: Hilke Maunder

Das Weingut, das sich 2014 einen kantigen Block aus Sandstein an den Ortseingang von Maury setzte, wurde 2001 von Jean-Luc Thunevin, Eigentümer von Château Valandraud in Saint-Émilion, und dem jungen einheimischen Winzer Jean-Roger Calvet gegründet.

Gemeinsam bearbeiten sie 65 Hektar in der AOC Maury – ganz und gar ohne Chemie. In den alten Weingärten der Vieilles Vignes sind keine Maschinen, sondern nur Pferde und Menschen unterwegs. Mit Kenntnis und Vorsicht bearbeiten sie den Boden und die Rebe.

Mas Amiel: Der Süßwein oxidiert unter freiem Himmel. Foto: Hilke Maunder
Der Süßwein von Mas Amiel oxidiert unter freiem Himmel. Foto: Hilke Maunder

Renaissance einer alten Traube

Haupttraube im Tal ist der Grenache in noir, blanc und gris. Zum Abrunden werden für die Rotweine und Vin Doux Naturel Mourvèdre und Syrah angebaut.

Inmitten der Weingärten erlebt seit einigen Jahren auch eine weiße Rebsorte eine Renaissance, die in den 1950er-Jahren Star französischer Tafeltrauben war: der Petit Jacques.

Château de Jau. Foto: Hilke Maunder
Weckt Assoziationen an Italien: Château de Jau. Foto: Hilke Maunder

Bei uns im Tal trägt die Traube ihren katalanischen Traditionsnamen: Jaoumet. 15.000 Tonnen werden jährlich rund um Cases-de-Pène geerntet. Erntebeginn ist immer am 25. Juli, dem Tag von Saint-Jacques. Die Jaoumet, im restlichen Frankreich heute nahezu unbekannt, wird vorwiegend als Tafeltraube verkauft. Aber in einem Weintal natürlich auch zu flüssigem Genuss verarbeitet.

900 Tonnen lieferten dort um 1930 die 500.000 Jaoumet-Stöcke. Heute ist der Jaoumet ein kleiner, feiner Wein. 200 Flaschen wurden 2014 abgefüllt. 2016 waren 500 Flaschen. Seit 2009 lädt die Jaoumet-Brüderschaft von Cases-de-Pène ualljährlich Anfang August zum Festem El Jaoumet.

Der Ninet-Brunnen von Cases-de-Pène. Foto: Hilke Maunder
Der Ninet-Brunnen von Cases-de-Pène. ist dem Jaoumet gewidmet Foto: Hilke Maunder

Winzer, die es zu entdecken lohnt

Bastian Baillet, La Bancale, www.vinscheznous.com/376_la-bancale
Matthieu und Vanessa Courtay vom Mas de la Lune, https://meinfrankreich.com/saint-paul-de-fenouillet-mas-de-la-lune
Vincent Balansa, http://biotrilla.blogspot.com
Hervé Bizeul, www.closdesfees.com
Marcel Bühler, www.domaine-des-enfants.com
Jean-Roger Calvet, www.thunevin-calvet.fr
Simon Dauré, https://meinfrankreich.com/chateau-de-jau
Olivier Decelle, https://meinfrankreich.com/mas-amiel
Laurence und Christophe Dornier, www.closdesvinsdamour.fr
Raphaël Graugnard, www.domainegrier.com
Dimitri Glipa und Muriel Samson, http://masmudigliza.fr

Weinlese im Agly-Tal: Biowinzer Bastien Baillot. Foto: Hilke Maunder
Weinlese im Agly-Tal: Biowinzer Bastien Baillot. Foto: Hilke Maunder

Mein Event-Tipp

Alljährlich im Mai feiert das Agly-Tal seit mehr als 20 Jahren seine örtlichen Produzenten – Winzer, Bauern, Imker und andere Erzeuger, die sich dem terroir verschrieben haben, einen Sonntag lang mit den Dionysiades, zu denen geführte Spaziergänge durch die Weingärten sowie gemeinsames Tafeln mit Weinen des Tales gehören.

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Weiterlesen

Im Blog

Ein ganz besonders genussreiches Weingut ist das Château de Jau. Das Weinerlebnis runden dort Kunstausstellungen und Schlemmerei unter freiem Himmel ab. Klickt mal hier!

Eines der größten wie modernsten Weingüter im Agly-Tal ist Mas Amiel. Vor dem Gut reift der Süßwein in riesigen Dames-Jeannes unter freiem Himmel. Mehr Infos gibt es hier.

Mehr über den Süßwein von Maury und die vins doux naturels erfahrt ihr hier.

Im Buch

MARCO POLO Languedoc-Roussillon/Cevennen*

Diesen Titel habe ich nach Axel Patitz und Peter Bausch inzwischen seit sechs Ausgaben umfangreich erweitert und aktualisiert.

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Katharerburgen erzählen vom Kampf gegen Kirche und Krone, eine gelbe Pflanze vom blauen Wunder, das Okzitanien im Mittelalter reich machte. Acht Welterbestätten birgt die zweitgrößte Region Frankreichs, 40 grands sites – und unzählige Highlights, die abseits liegen. 50 dieser Juwelen enthält dieser Band. Abseits in Okzitanien: Bienvenue im Paradies für Entdecker!  Hier* gibt es euren Begleiter.

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3 Kommentare

  1. Liebe Hilke Maunder, diese blühend erfrischende Art und Weise der Vorstellung von Frankreichs inneren und äußeren Schönheiten lassen mich ausrufen“ Vive la Hilke“. Für mich sind diese wunderschön lebendigen Artikel schon ein kleiner Urlaub

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