Corinne David: "So muss ein gut durchgereifter Abondance aussehen!" Foto: Hilke Maunder
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Abondance: Wo das Raclette Berthoud heißt

22Seit 1.500 Jahren leben sie im Tal der Dranse, und bereits im Mittelalter begannen die Mönche von Saint-Maurice mit der Zucht der rotbraunen Bergrinder, die nur am Bauch, den Beinen, am Schwanz und am Kopf weiß sind.

„Bis auf die braunen Augenflecken“, ergänzt lachend Corinne David (56) die Ausführungen ihres Mannes Emmanuel und führt mich in den Stall, wo 45 Abondance-Kühe mit ihrer dicken Zunge Almheu ins Maul schieben, während die Melkmaschine ihre Euter leert.

45 Kühe stehen im Stall von Corinne David und liefert täglich Milch für den Abonance-Käse. Foto: Hilke Maunder
45 Kühe stehen im Stall von Corinne David und liefert täglich Milch für den Abonance-Käse. Foto: Hilke Maunder

Von Mai bis September grasen die Rinder auf der Alpage du Barbossine auf 1.700 Metern Höhe rund um eine Almhütte, die sich nicht als hölzerne Hofstelle entpuppt, sondern überraschend stattliches Chalet.

Unten Stein, oben Holz, so wurde es 1812 erbaut. Morgens und abends werden die Kühe gemolken. Verarbeitet wird ihre Milch stets am nächsten Morgen.

Abondance: Die abgepumpte Milch läuft nach dem Melken durch diesen Apparat hin zu den Käsekesseln.
Abondance: Die abgepumpte Milch läuft nach dem Melken durch diesen Apparat hin zu den Käsekesseln. Foto: Hilke Maunder

„Jede Kuh gibt pro Tag rund 20-25 Liter. Vier Kühe brauche ich für jeden Käse. Aus 100 Liter Milch mache ich daraus einen dieser acht Kilo schweren, 8 cm großen Laibe mit 40 cm Durchmesser“, erzählt Corinne.

Zwei Millionen Käse werden es jedes Jahr, und hergestellt werden sie seit Jahrhunderten nach dem gleichen Prinzip.

Abondance: Erst kommt die Milch in den Kupferkessel, dann wird dem Käse durch Pressung die überschüssige Feuchtigkeit entnommen. Foto: Hilke Maunder
Abondance: Erst kommt die Milch in den Kupferkessel, dann wird dem Käse durch Pressung die überschüssige Feuchtigkeit entnommen. Foto: Hilke Maunder

Die rohe Milch kommt in den Kupferkessel. Durch die Zugabe von Lab entsteht Käsebruch, den Corinne mit der Käseharfe zerkleinert, auf maximal 50 Grad Celsius erhitzt und in Formen füllt, um den Käselaib mit der typischen, leichten Innenwölbung zu erzeugen.

Danach geht es zur Lagerung auf Fichtenholz, wo der junge Käse für mindestens 100 Tage reift und alle zwei Tage mit Salz eingerieben und abgetrocknet wird.  Vollendet, besitzt der Hartkäse mit der bernsteinfarbenen Rinde einen nussigen Geschmack, zu dem sich im Sommer blumig-fruchtig Aromen gesellen.

Châtel: Abondance im Reifekeller. Foto: Hilke Maunder
Abondance im Reifekeller. Foto: Hilke Maunder

Bereits im Mittelalter besaß das Naturprodukt einen hohen Stellenwert für die Mönche, brachte es doch Wohlstand und Renommee in das abgelegene Bergtal. 1381 wurde der Abondance-Käse sogar bei der Papstwahl in Avignon gereicht. Später schwärmte der Sonnenkönig Ludwig XIV. für den Hartkäse mit der konkaven Wulst.

Heute erzeugen rund 60 örtliche Bauern und Kleinbetriebe den Abondance-Käse, die ihre Milch von eigenen Kühen oder Molkereigenossenschaften vor Ort, den fruitières, beziehen. Seit 1990 trägt der Käse das AOC-Siegel. Seit 1996 ist der Abondance zudem EU-weit als AOP-Käse anerkannt.

Abondance: Im Sommer grast das Vieh auf den Bergalmen. Foto: Hilke Maunder
Abondance: Im Sommer grast das Vieh in den Bergen auf den Almen. Foto: Hilke Maunder

Zwei Drittel der jährlichen Käseproduktion liefert Corinne an die Kooperative, die über die Fromi-Gruppe in Strasbourg auch den deutschen Markt beliefert. 30 Prozent verbleibt auf dem Hof zur Affinage, wo die Laibe weitere  drei bis sieben Monate reifen, ehe sie örtliche Restaurants abnehmen. Und Corinne sie im Hofladen an Einheimische und Gäste verkauft.

Über dem Laib, den sie jetzt für mich aufschneidet, baumeln dicht an dicht die Schmuckglocken, die für den Almauftrieb im Sommer für die Kühe geschmiedet werden. Darunter: Auszeichnung an Auszeichnung. 2007 und 2014 gab es Silber beim Salon d’Agriculture in Paris, 2002, 2004 und 2011 sogar Gold für ihren Abondance fermier.

Châtel: Brettljause mit Abondance und deftiger Wurst. Foto: Hilke Maunder
Brettljause mit Abondance und deftiger Wurst. Foto: Hilke Maunder

Berthoud à l’Abondance

Abends begegnet mir der Abondance erneut – in einer einstigen Backstube, die 1900 als erste des Ortes in Châtel in einem alten Hof eröffnete. Heute ist der alte Ofen, der bis 1960 in Betrieb war, Schmuckstück des Savoyer Traditionslokals Le Vieux Four. Auf der Speisekarte entdeckte ich ein Gericht, unter dem ich mir so rein gar nichts vorstellen kann: Le Berthoud.

„Der Name erinnert an einen Mann, der hier im Tal ein paar Käseecken in einen Topf geworfen und dort vergessen hatte. Als er den Topf auf das Feuer stellte, schmolz der Käse“, erzählen mir Christine und Bernard Lacroix, die in den 1970er Jahren das Restaurant eröffneten.

Heute führen sie es gemeinsam mit ihrer Tochter Marie-Laure und Pierre Hautin, der ursprünglich „nur für eine Saison“ aus Saint-Étienne kommen wollte. Er fand nicht nur Gefallen in der Küche, sondern auch an der jungen Frau. Und blieb. Heute ist der Schwiegersohn der neue Küchenchef.

Und bringt mir einen auf heißen Stein gratinierten Abondance-Käse, verfeinert mit Weißwein aus den Savoyen, Madeira und Pfeffer. Dazu gibt es Kochschinken, Salzkartoffeln und Salat. Sein Rezept? Hier kommt es. Die Zubereitung des Berthoud ist kinderleicht, das Ergebnis einfach köstlich!

Zutaten

  • 500 g Abondance
  • 2 Knoblauchzehen
  • 1 Prise Muskat
  • 1 TL Weißwein aus Savoyen
  • 4 TL Madeira
  • Salz, frisch gemahlener Pfeffer

Zubereitung

Eine Auflaufform mit Knoblauch ausreiben und mit geschnittenem Abondance auslegen. Mit Weißwein und Madeira bedecken, salzen und pfeffern.

Fünf Minuten lang im Ofen überbacken. Mit Pellkartoffeln und wahlweise Schinken oder Charcuterie servieren. Dazu passt ein Weißwein aus Savoyen – zum Beispiel ein Marin, Crépy, Ripaille oder Marignan.

Châtel: im Skigebiet. Foto: Hilke Maunder
Winter in Châtel. Foto: Hilke Maunder

Infos

Entdecken und genießen

Maison du Val d’Abondance

Alles Wissenswerte um den berühmten Bergkäse. Aus der fetten Milch der Abondance-Kühe werden auch die Käsesorten Bleu de Termignon,ReblochonTomme des Bauges und Beaufort hergestellt.
• La Maison du Val, Plaine d’Offaz, 74360 Abondance, Tel. 04 50 73 06 34, www.abondance.org

Käserei S.C.E.A. Barbossine

• Corinne und Emmanuel David, Le Terroit, 74390 Châtel, Tel. 04 50 73 27 05 (rund 2 km außerhalb vom Ort an der Straße nach Thonon)

Abondance-Käse-Verband

Syndicat Interprofessionel du Fromage Abondance, www.fromageabondace.fr

Le Vieux Four

• 55, route du Boude, 74390 Châtel, Tel. 04 50 73 30 56, www.facebook.com

Weitere Käse aus Savoyen

• A.O.P. Beaufort, www.fromage-beaufort.com
• A.O.P. Reblochon, www.reblochon.fr
• A.O.P. Tome des Bauges, www.tome-des-bauges.com
• A.O.P. Chevrotin, www.chevrotin-aop.fr
• I.G.P. Emmental de Savoie, www.emmental-de-savoie.com
• I.G.P Tomme de Savoie, www.tomme-de-savoie.com

Alles Käse

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