
Seit 1.500 Jahren leben sie im Tal der Dranse, und bereits im Mittelalter begannen die Mönche von Saint-Maurice mit der Zucht der rotbraunen Bergrinder, die nur am Bauch, den Beinen, am Schwanz und am Kopf weiß sind.
„Bis auf die braunen Augenflecken“, ergänzt lachend Corinne David (49) die Ausführungen ihres Mannes Emmanuel und führt mich in den Stall, wo 45 Abondance-Kühe mit ihrer dicken Zunge Almheu in Maul schieben, während die Melkmaschine ihre Euter leert.

Von Mai bis September grasen die Rinder auf der Alpage du Barbossine auf 1.700 m Höhe rund um eine Almhütte, die sich nicht als hölzerne Hofstelle entpuppt, sondern überraschend stattliches Chalet.
Unten Stein, oben Holz, so wurde es 1812 erbaut. Morgens und abends werden die Kühe gemolken. Verarbeitet wird ihre Milch stets am nächsten Morgen.

„Jede Kuh gibt pro Tag rund 20-25 Liter. Vier Kühe brauche ich für jeden Käse. Aus 100 Liter Milch mache ich daraus einen dieser acht Kilo schweren, 8 cm großen Laibe mit 40 cm Durchmesser“, erzählt Corinne.
Zwei Millionen Käse werden es jedes Jahr, und hergestellt werden sie seit Jahrhunderten nach dem gleichen Prinzip.

Die rohe Milch kommt in den Kupferkessel. Durch die Zugabe von Lab entsteht Käsebruch, den Corinne mit der Käseharfe zerkleinert, auf maximal 50 Grad Celsius erhitzt und in Formen füllt, um den Käselaib mit der typischen, leichten Innenwölbung zu erzeugen.
Danach geht es zur Lagerung auf Fichtenholz, wo der junge Käse für mindestens 100 Tage reift und alle zwei Tage mit Salz eingerieben und abgetrocknet wird. Vollendet, besitzt der Hartkäse mit der bernsteinfarbenen Rinde einen nussigen Geschmack, zu dem sich im Sommer blumig-fruchtig Aromen gesellen.

Bereits im Mittelalter besaß das Naturprodukt einen hohen Stellenwert für die Mönche, brachte es doch Wohlstand und Renommee in das abgelegene Bergtal. 1381 wurde der Abondance-Käse sogar bei der Papstwahl in Avignon gereicht. Später schwärmte der Sonnenkönig Ludwig XIV. für den Hartkäse mit der konkaven Wulst.
Heute erzeugen rund 60 örtlichen Bauern und Kleinbetrieben den Abondance-Käse, die ihre Milch von eigenen Kühen oder Molkereigenossenschaften vor Ort, den fruitières, beziehen. Seit 1990 trägt der Käse das AOC-Siegel. Seit 1996 ist der Abondance zudem EU-weit als AOP-Käse anerkannt.

Zweidrittel der jährlichen Käseproduktion liefert Corinne an die Kooperative, die über die Fromi-Gruppe in Strasbourg auch den deutschen Markt beliefert. 30 Prozent verbleibt auf dem Hof zur Affinage, wo die Laibe weitere drei bis sieben Monate reifen, ehe sie örtliche Restaurants abnehmen. Und Corinne sie im Hofladen an Einheimische und Gäste verkauft.
Über dem Laib, den sie jetzt für mich aufschneidet, baumeln dicht an dicht die Schmuckglocken, die für den Almauftrieb im Sommer für die Kühe geschmiedet werden. Darunter: Auszeichnung an Auszeichnung. 2007 und 2014 gab es Silber beim Salon d’Agriculture in Paris, 2002, 2004 und 2011 sogar Gold für ihren Abondance fermier.

Berthoud à l’Abondance
Abends begegnet mir der Abondance erneut – in einer einstigen Backstube, die 1900 als erste des Ortes in Châtel in einem alten Hof eröffnete. Heute ist der alte Ofen, der bis 1960 in Betrieb war, Schmuckstück des Savoyer Traditionslokals „Le Vieux Four„. Auf der Speisekarte entdeckte ich ein Gericht, unter dem ich mir so rein gar nichts vorstellen kann: Le Berthoud.
„Der Name erinnert an einen Mann, der hier im Tal ein paar Käseecken in einen Topf geworfen und dort vergessen hatte. Als er den Topf auf das Feuer stellte, schmolz der Käse“, erzählen mir Christine und Bernard Lacroix, die in den 1970er Jahren das Restaurant eröffneten.
Heute führen sie es gemeinsam mit ihrer Tochter Marie-Laure und Pierre Hautin, der ursprünglich „nur für eine Saison“ aus Saint-Étienne kommen wollte. Er fand nicht nur Gefallen in der Küche, sondern auch an der jungen Frau. Und blieb. Heute ist der Schwiegersohn der neue Küchenchef.
Und bringt mir einen auf heißen Stein gratinierten Abondance-Käse, verfeinert mit Weißwein aus den Savoyen, Madeira und Pfeffer. Dazu gibt es Kochschinken, Salzkartoffeln und Salat. Sein Rezept? Hier kommt es. Die Zubereitung des Berthoud ist kinderleicht, das Ergebnis einfach köstlich!
Zutaten
500 g Abondance
2 Knoblauchzehen
1 Prise Muskat
1 TL Weißwein aus Savoyen
4 TL Madeira
Salz, frisch gemahlener Pfeffer
Zubereitung
Eine Auflaufform mit Knoblauch ausreiben und mit geschnittenem Abondance auslegen. Mit Weißwein und Madeira bedecken, salzen und Pfeffern. Fünf Minuten lang im Ofen überbacken. Mit Pellkartoffeln und wahlweise Schinken oder Charcuterie servieren. Dazu passt ein Weißwein aus Savoyen – zum Beispiel ein Marin, Crépy, Ripaille oder Marignan.
Infos
Entdecken und genießen
Maison du Val d’Abondance
Alles Wissenswerte um den berühmten Bergkäse. Aus der fetten Milch der Abondance-Kühe werden auch die Käsesorten Bleu de Termignon,Reblochon, Tomme des Bauges und Beaufort hergestellt.
• La Maison du Val, Plaine d’Offaz, 74360 Abondance, Tel. 04 50 73 06 34, www.abondance.org
Käserei S.C.E.A. Barbossiné
• Corinne und Emmanuel David, Le Terroit, 74390 Châtel, Tel. 04 50 73 27 05
Abondance-Käse-Verband
Syndicat Interprofessionel du Fromage Abondance, www.fromageabondace.fr
Le Vieux Four
• 55, route du Boude, 74390 Châtel, Tel. 04 50 73 30 56
Weitere Käse aus Savoyen
• A.O.P. Beaufort, www.fromage-beaufort.com
• A.O.P. Reblochon, www.reblochon.fr
• A.O.P. Tome des Bauges, www.tome-des-bauges.com
• A.O.P. Chevrotin, www.chevrotin-aop.fr
• I.G.P. Emmental de Savoie, www.emmental-de-savoie.com
• I.G.P Tomme de Savoie, www.tomme-de-savoie.com
Alles Käse
Noch mehr zu Käse aus Frankreich findet ihr hier:
Brousse du Rouve: feiner Ziegenkäse aus der Provence
Roquefort: ein königlicher Stinker
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