Absinth – das Glas, der Löffel, die Spirituose. Nur das Wasser und der Zuckerwürfel fehlen noch. Foto: Hilke Maunder
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Absinth: die grüne Fee aus Pontarlier

Absinth! Kaum eine Spirituose ist so legendär wie die „grüne Fee“ aus Pontarlier, einer Kleinstadt des Départements Haut-Doubs im Jura. Absinth besteht traditionell aus Wermutkraut (Absinth), Anis und Fenchel sowie diversen Kräutern und Gewürzen.

Beliebt sind Kalmus, Angelikawurzel (Engelswurz), Wacholder, Koriander, Muskat und Veronica. 1805 hat ihn Henri-Louis Pernod (1776 – 1851) erstmals im Alpenland in kleinen Mengen hergestellt.

er Rohstoff für das Getränk: die Absinth-Pflanze. Foto: Hilke Maunder
Den Rohstoff für das Getränk liefert diese Pflanze. Foto: Hilke Maunder

Verwendet wurde er zunächst als Arznei. Als die Nachfrage stieg, verlagerte man die Produktion in die Franche-Comté, um Zollgebühren zu umgehen.

Zur Blütezeit des Absinths, wegen seiner Farbe auch als grüne Fee bezeichnet, zählte Pontarlier 25 Brennereien, die insgesamt 15 Millionen Liter der Spirituose destillierten.

Die Absinth-Touristenstraße in der Franche-Comté. Foto: Hilke Maunder
Die Absinth-Touristenstraße in der Franche-Comté. Foto: Hilke Maunder

Los geht’s in Pontarlier

2009 wurde die Absinth-Straße eingerichtet. Start ist in Pontarlier in der Franche-Comté, wo im ältesten Gebäude der Stadt seit 1977 das Musée Municipal die Geschichte des Getränks dargestellt.

Die Distillerie Pierre Guy ist die letzte Familienbrennerei von Pontarlier. 1890 von Armand Guy gegründet, führt heute die vierte Generation die Besucher vorbei an den Destillierapparaten und mehr als hundert Jahre alten Fässern. Neben Absinth werden auch Pontarlier-Anis, traditionelle Liköre, Obstbrände und in Alkohol eingelegte Früchte hergestellt.

Die Porte Saint-Pierre in Pontarlier. Foto: Hilke Maunder
Die Porte Saint-Pierre in Pontarlier. Foto: Hilke Maunder

Zum Aufschwung verhalfen der „grünen Fee“ die französischen Kolonialtruppen. Sie verwendeten Absinth zur Reinigung des Trinkwassers und verzichteten auch nach ihrer siegreichen Rückkehr nach Frankreich nicht auf ihre Trinkgewohnheiten.

In den Cafés der Pariser Boulevards genossen sie weiterhin den Absinth. Die Öffentlichkeit fand schnell Gefallen daran, ihren zu Helden gewordenen Soldaten nachzueifern.

Nach zahlreichen Exzessen – so soll Vincent van Gogh im Absinth-Rausch sich ein Ohr abgeschnitten haben – wurde Absinth 1915 in vielen europäischen Ländern verboten. Giftige Inhaltsstoffe wie das Thujon wurden verdächtigt, die Menschen in den Wahnsinn zu treiben.

Die Brennerei der <em>Distillerie Guy</em>. Foto: Hilke Maunder
Die Brennerei der Distillerie Guy. Foto: Hilke Maunder

Nachdem 1988 jedoch bewiesen wurde, dass die Folgen des Absinths lediglich dem hohen Alkoholgehalt von 45 bis zu 78 Prozent zuzuschreiben waren, fiel das Verbot in vielen Ländern, nicht jedoch in Frankreich, wo es bis 2011 nur unter dem sperrigen Namen spirituöses Getränk auf Basis von Absinth-Pflanzen erlaubt war.

Überraschung per Post

Bislang kannte ich die grüne Fee nur theoretisch. Doch dann trudelte per Post ein Probierset ein. Stephan Ruh hatte es mir geschickt. Im Explorerset von Absinthes mit dabei: ein perforierter Metall-Löffel und drei französische Absinthe, darunter der Roquette 1797 aus der Distillerie Emile Pernot und der François Guy aus der Distillerie Pierre Guy.

Die Reifefässer der Distillerie Guy. Foto: Hilke Maunder
Die Reifefässer der Distillerie Guy. Foto: Hilke Maunder

Absinth im Röhrchen

Keine Fläschchen, sondern drei schlanke Röhrchen, gefüllt mit 50 ml froschgrüner Flüssigkeit. Etwas ratlos blicke ich sie an. Sollte ich wirklich … wo doch der Roquette 1797, bis heute nach einem handgeschriebenen Originalrezept aus dem 18. Jahrhundert mit Anis, Fenchel und großem Wermut destilliert, einen Alkoholgehalt von 75 % hat.

Dann fange ich den Selbstversuch wohl sicherheitshalber mit dem François Guy an, der nur 45 % „Umdrehungen“ hat. Dreimal in Folge hat diese grüne Fee die Absinthiades in Pontarlier gewonnen.

Also drei Zentiliter ins Glas, den Löffel darüber gelegt, einen halben Zuckerwürfel hinauf gelegt und langsam eiskaltes Wasser (Mischverhältnis 1:3 – 1:4) darüber gegossen. Der Zucker löst sich auf, tropft in die grüne Flüssigkeit, die zunehmend Schlieren bekommt, von transparent zu trüb wechselt. Schon das Schauspiel fasziniert!

Frisches Wasser gehört immer zum Absinth-Genuss hinzu. Foto: Hilke Maunder
Frisches Wasser gehört immer zum Absinth-Genuss hinzu. Foto: Hilke Maunder

Bittere Kräuter

Neugierig schnuppere ich. Zwischen den Aromen von Kräutern tritt deutlich der Anis hervor. Ein wenig wie Pastis, nur in Grün, denke ich. Beim Probieren werde ich des Besseren belehrt. Ein wenig bitter, ist der erste Eindruck auf der Zunge, aber angenehm bitter. Ein wenig wie Kräuterbonbons. Kenner werden mir diesen Vergleich um die Ohren hauen. Langsam werde ich mutiger.

Das Erdbeben

Ich mische ein wenig Absinth mit kühlem Sprudel (erfrischend!), trockenem Weißwein (auch ganz nett…), probiere ihn ohne Wasser (nie wieder!). Und mixe mir ein tremblement de terre, ein Erdbeben, wie Toulouse-Lautrec es liebte. Absinth und Cognac, halb und halb.

Und gebe Raoul Ponchon recht, der in einem berühmten Gedicht schrieb, Absinth mit warmem Wasser sei nicht besser als  „…du pissat d’âne ou du bouillon pointu„, die Pisse eines Esels oder scharfe Brühe.

Ein nostalgisches Werbeschild der Absinth-Distillerie Guy aus Pontarlier. Foto: Hilke Maunder
Ein nostalgisches Werbeschild der Absinth-Brennerei-Distillerie Guy aus Pontarlier. Foto: Hilke Maunder

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6 Kommentare

  1. Mit großem Vergnügen lese ich die sehr schönen Berichte über Pontarlier und Lons le Saunier. Man gerät sofort ins Schwärmen und es überkommt einem diese spezielle Stimmung „charmant, beschaulich, entspannend“. Man will sofort losbummeln und Deine stets evokativen Fotos verstärken noch den Reisewunsch. Danke für gute Magie und Wissenswertes. Warst Du mal Gymnasial-Professorin? Super.

    1. Hallo Denis, da musste ich doch schmunzeln, als ich Deine Frage las… nein, Gymnasial-Professorin war ich noch nie… ich habe zwar schon viel gemacht in meinem Leben, aber das nun nicht. Herzliche Grüße und merci ! Hilke

  2. Wir hatten von Bekannten als Mitbringsel Absinth bekommen und es wurde sehr als Digestiv gelobt. Also servierte ich, nach einem ziemlich üppigen Weihnachtsmenu , Mann und Sohn und mir jeweils ein “ Stamperl“ gut befüllt mit Absinth zum Espresso .Dem einen – dem Jüngeren – schossen die Tränen senkrecht aus den Augen nachdem er das gekippt hatte, der Ältere bekam einfach keine Luft mehr und ächzte mit letzter Kraft noch etwas von Mordanschlag am heiligen Weihnachtstag .Ich habs dann lieber nicht mehr getrunken, kippte vor Lachen fast vom Stuhl , was ziemlich übel vermerkt wurde. Die Flasche ist immer noch ziemlich voll, will keiner mehr dran .

    1. Liebe Waltraud, beim Lesen musste ich schallend lachen – ich kann mir die Szene gut vor dem geistigen Auge vorstellen. Einfach jetzt mit viel Sprudelwasser verdünnen, dann schmeckt er tatsächlich. Mit Espresso zusammen muss er ein Power-Teufelszeug sein! Viele Grüße und danke fürs Teilen diesen denkwürdigen Erlebnisses! Herzlich, Hilke

  3. Besten Dank liebe Hilke für Deinen Versuchsbericht!
    Schön edukativ und selbstopfernd 🙂
    Ja, damit muß man sich erstmal richtig außeinander setzen (wollen)! Und zwar direkt, ohne wenn und aber 🙂
    Absinth habe ich noch nicht probiert, seinen Ersatz – den Pastis (z.B. – den 51er) – aber schon, schon reichlich…
    Ich sage es immer: Wer nicht trainiert ist – hat’s schon verloren, beim Kämpfen, Lieben oder Zechen, so ist’s einfach und bleibt…
    Bleib gesund und fit!

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