Andreas Heineke
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Mein Frankreich: Andreas Heineke

„Mein Frankreich“ ist nicht nur Titel meines Blogs, sondern auch Programm: Ich möchte möglichst viele von euch animieren, euer Frankreich vorzustellen. Mein Frankreich – was bedeutet das für euch? Diesmal antwortet der Hamburger Andreas Heineke, der als Regisseur vor allem für den NDR arbeitet. Doch besser kennt ihr ihn vielleicht als Autor.


Meine Schreibstube in Lourmarin

Es ist 16 Uhr am Nachmittag in der Provence. Ich öffne das Fenster meiner kleinen Schreibstube in Lourmarin und setze mich an mein Buch. Ich bin ich hier zum Schreiben. Mein Krimi Tod à la Provence* muss bis zum Ende des Jahres fertig werden.

Heineke:Tod à la Provence. Copyright: emonsWenn ich meinen vertrackten Handlungsstrang sehe, wenn ich auf die Seitenzahl schaue und nachrechne, wie lange ich bereits darüber nachdenke, wie ich meinen Helden Pascal Chevrier aus dem Kühlhaus heraushole, in den ich ihn unbedacht eingesperrt habe, dann würde ich am liebsten meine Lektorin anrufen und um Aufschub der Abgabe bitten wollen.

Aber ich bin in Südfrankreich, hier ticken die Uhren anders, langsamer, gemächlicher, manchmal steht die Zeit sogar still, als hätte sie selbst Respekt vor der Schönheit der Landschaft.

Wo Camus sich niederließ

Durch das offene Fenster höre ich Stimmengewirr: Touristen und Einheimische treffen sich zum Nachmittags-Pastis unter den Sonnenschirmen in der buckligen Gasse, die durch den Ort führt. Diese kleine Straße hat in den letzten 100 Jahren ihr Gesicht kaum verändert.

Ich kann verstehen, dass Camus sich hier niederließ und dass seine Tochter nach dem tragischen Tod des Nobelpreisträgers im Ort geblieben ist und hier noch immer lebt, wenn auch sehr zurückgezogen.

Lourmarin. Foto: Andreas Heineke
Lourmarin. Foto: Andreas Heineke

Noch einen Moment höre ich die klirrenden Gläser, beobachte aus dem Fenster wie Familien sich in der Sommerhitze niederlassen, die Kinder zum Brunnen laufen und sich mit Wasser nass spritzen. Ein Hund bellt, ein Provençale trägt ein nagelneues Boulespiel aus dem wohl schönsten Kinder- und Andenkenladen der Provence.

Pastis in erster Reihe

Es ist der Moment, an dem es mich nicht mehr in der Wohnung hält. Ich setze mich an einen der wackligen Tische. Erste Reihe, Schatten, wie immer. Die Kellnerin lächelt mich an und bringt mir, ohne mich zu fragen, mein Getränk. Das Eis klirrt im Glas, das Wasser färbt den Pastis trüb, und ich mache mir Gedanken über das Abendessen, und ganz pflichtbewusst, wie ich meinen Dorfgendarm aus dem Kühlhaus bekomme. Es ist alles so, wie jeden Tag. Die Touristen laufen mit ihren Kameras und Handys durch den Ort, weil sie etwas festhalten wollen, was nicht festzuhalten ist, weil man es eben nicht beschreiben kann.

Lourmarin steht für Ursprünglichkeit und seine Makellosigkeit, für den unbedingten Willen der Menschen, auch dem letzten Stromkasten auf der Straße Würde zu verleihen. Kein Wunder, dass sich hier Gérard Depardieu und Jane Barkin treffen, dass hier im Sommer der Autor Peter Mayle mit Ridley Scott einen Rosé im Schatten der Platanen trinken.

Lourmarin. Foto: Andreas Heineke
Lourmarin. Foto: Andreas Heineke

Unwiderstehlicher Sehnsuchtsort

Lourmarin ist unwiderstehlich und es ist mein Sehnsuchtsort. Es ist die Lebensfreude, die Tradition, der Sinn für Kunst (in wohl keinem Ort in der Provence ist die Dichte der Galerien so ausgeprägt) und ein Gefühl des „angekommen seins“.

In diesem Jahr war ich im Winter hier, ich wollte wissen, ob es genauso schön ist. Es war kalt, sogar das Wasser in den Brunnen war eingefroren, die meisten Geschäfte hatten geschlossen, auf der sonst so belebten Gasse trafen sich nur Einheimische, eingepackt in dicke Mäntel und Schals, einige mit Hunden und mit abgewrackter Kleidung.

Sie kamen direkt von der Trüffelsuche und trafen sich danach in der einzig im Winter geöffneten Bar, im „Café Gaby“, um mit anderen Gästen ins Gespräche zu kommen und Bestpreise für die schwarzen Diamanten zu erzielen.

Dorf voller Geschichten

Es war ein anderes Lourmarin, aber ein ebenso schönes. Ein Ort der Stille, ein Plätzchen zum bleiben und ein Dorf voller Geschichten, die ich versuche, in meinem Buch zu erzählen. Nein, ich glaube nicht an die Liebe auf den ersten Blick, bis ich erst meine Frau und dann das hier entdeckt habe.

Ich leere mein Glas, gehe im Tempo eines Südfranzosen durch den Ort und setze mich schließlich in eines der kleinen Restaurants. Schreiben kann ich heute Nacht. Soll mein Gendarm doch sehen, wie er aus dem Kühlhaus kommt, ich habe jetzt anderes zu tun.

Ach ja, das Buch ist inzwischen fertig: Tod à la Provence* heißt es und ich bin damit auf Lesereise und erzähle viele Geschichten wie diese. Die Termine findet ihr hier auf meiner Website.


Der Beitrag von Andreas Heineke ist ein Gastartikel in einer kleinen Reihe, in der alle, die dazu Lust haben, ihre Verbundenheit zu Frankreich ausdrücken können. Ihre ganz persönlichen Erfahrungen mit Frankreich, Erlebnisse, Gedanken. Ihr wollt mitmachen? Dann denkt bitte daran: 

• Keine PDFs.

• Text: per Mail in Word, Open Office oder per Mail. Denkt daran, euch mit ein, zwei Sätzen persönlich vorzustellen.

• Fotos: Bitte schickt nur eigene Bilder und jene möglichst im Querformat und immer in Originalgröße. Sendet sie gebündelt mit www.WeTransfer.com (kostenlos & top!)  – oder EINZELN ! – per Mail. Bitte denkt an ein Foto von euch – als Beitragsbild muss dies ein Querformat sein.

• Ganz wichtig: Euer Beitrag darf noch nicht woanders im Netz stehen. Double content straft Google rigoros ab. Danke für euer Verständnis.

Vor der Veröffentlichung erhaltet ihr euren Beitrag zur Voransicht für etwaige Korrekturen oder Ergänzungen. Erst, wenn ihr zufrieden seid, plane ich ihn für eine Veröffentlichung ein. Merci !

Ich freue mich auf eure Beiträge! Alle bisherigen Artikel dieser Reihe findet ihr hier.

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6 Kommentare

  1. Lourmarin ist ja ganz nett aber für mich auch sehr touristisch . Ich lebe seit ca 18 Jahren in Nans-les-Pins , Rougiers und jetzt in Tourves . Das sind authentische Örtchen mit einheimischem Flair . Hier gibt es keine oder nur wenige Touristen . Hier lebt man in der Ortsgemeinschaft ohne Tingel-Tangel . Es sind Bauern und somit auch Jäger.
    Das ist mein Südfrankreich wie ich es liebe . Kommen Sie mal her und vielleicht können wir zusammen z b eines der zahlreiche kleinen Feste im Sommer erleben.
    Viel Grüsse
    Hanns Bambeck

    1. Hallo Herr Bambeck,
      wir sind viel im Luberon und kennen Lourmarin sehr gut. Sie haben teils recht, wir bewerten das aber anders: Im schönen Luberon gibt es viele wunderbare Orte, manche sind aber Postkartenidylle, deren Häuser von Ausländern super restauriert sind – und im Winter mausetot (z.B. Ansouis). In Lourmarin hat aber auch im Winter noch ein Café auf und der Markt findet statt – der Ort lebt ganzjährig ! Richtig ist aber, dass man im Hochsommer den Freitag als Markttag meiden sollte!
      Grüße, H.-U. Gruss

      1. Hallo Herr Gruss,

        wir leben seit bald einem Viertel Jahrhundert immer für mehrere Monate in dem „mausetoten“ Ansouis und geniessen die Ruhe und Abgeschiedenheit als Gegenentwurf zu unserer Metropolregion Stuttgart. Wenn’s uns zu ruhig wird, gehen wir 200 m weit zu unserem Sternlokal, trinken ein Glas Rosé in der authentischen Bar des Sports oder treffen uns mit dem Bürgermeister zu einem Schwätz. Aber freitags fahren wir auf den grossen Markt nach Lourmarin zum Holländer-Gucken! Gruss Uli Luipold

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