
Der Gipfel des Balaïtous überragt 3144 Meter hoch dieses sonnige Tal, das mit seinen ursprünglichen Bergdörfern, Wäldern und Weiden noch herrlich ursprünglich im Nationalpark der Pyrenäen liegt, fernab vom Trubel von Gavarnie, Argelès-Gazost und Cauterets. Ein „Eden der Pyrenäen“ sei es, schwärmte Pyrenäenforscher Ramond de Carbonnières. Besonders schön zeigt es sich in und um das Schieferdächerdörfchen Aucun.

Schönheit in Schiefer
Gut 200 Einwohner leben in dem Bergdorf. Aus seinen Schieferdächern ragt der letzte Rest der Burg hervor, der es einst bewachte: die Tour d’Aucun, 8,70 m hoch, wehrhaft und kantig aus Feldsteinen erbaut.
Hinter ihr reckt sich die ebenfalls schiefergedeckte Turmspitze der Église Saint-Félix-de-Gérone vor der Schneewand des Massif du Gabizos (2.692 Meter) auf. Ihre Kapelle ist das letzte Zeugnis der romanischen Kirche, die im 11. Jahrhundert in Nord-Süd-Richtung erbaut wurde.

Im 15. Jahrhundert wurde dieser „Fehler“ mit einer „korrekten“ Ausrichtung in Ost-West überbaut. Anders als anderenorts ist die Dorfkirche von Aucun meist noch geöffnet.
Es lohnt sich, einen Blick hineinzuwerfen und den Altar aus dem 15. Jahrhundert zu betrachten, dessen Figuren die Volksfrömmigkeit widerspiegeln. Ebenfalls mit naiven Figuren und Szenen sind Taufstein und Taufbecken geschmückt; beide sind vermutlich älter.

Das Erbe der Bergbauern
Gegenüber von der Kirche richtete André Fourcade 1963 das Musée montagnard du Lavedan im einstigen Pfarrhaus und weiteren Gebäuden aus dem 16. Jahrhundert ein. Das liebevoll gestaltete Museum dokumentiert mit seiner Sammlung das tägliche Leben der Bergbewohner, Hirten und Handwerker von Lavedan.
Alles, was an Werkzeugen, Möbeln und anderen Dokumenten gezeigt wird, wurde auf den Dachböden und in den Scheunen des Val d’Azun geborgen: Badeöfen, Wiegen, Kannen und burguets, mobile Hütten, die von den Hirten im Sommer einst nutzten.

Seine Nagelschmiede (forge du cloutier) ist einzigartig in Frankreich. Sie war von 1540 bis 1948 in Betrieb und wurde von einem Hund im Laufrad angetrieben. Kinogängern mag die Szenerie vertraut wirken.
Drehort für Bernadette
Das Museum war Kulisse für die beiden Kinofilme Bernadette* (1988) und La Passion de Bernadette (1989) von Jean Delannoy, die das Leben von Marie Bernarde Soubirous erzählen, die als junges Mädchen in Lourdes ein Mysterium erlebt hatte.
Zwischen dem 11. Februar und dem 16. Juli 1858 soll sie als 14-jähriges Mädchen beider Grotte Massabielle von Lourdes 18 Erscheinungen gehabt haben. Dem Mädchen sei beim Holzsammeln am Gave-Fluss eine weiß gekleidete Frau erschienen, die zu ihr gesprochen habe – mit der Bitte, genau dort eine Kapelle zu bauen. Die katholische Kirche deutete sie als Marienerscheinungen, obgleich das Mädchen nie Marie genannt hatte.

Mit Augen und Ohren
13 Stationen stellt der Audio-Walk durch Auzun vor. Er berührt auch den Dorfbach Boularic, an dessen Ufer einst zehn Mühlen arbeitete. Jede Familie besaß ihre eigene Mühle oder teilte sie mit einer anderen. Die Mühlen sind heute in desolatem Zustand und müssten, um sie als Zeugnisse des ländlichen Erbes zu erhalten, dringend restauriert werden.

Um dem Wasserdruck standzuhalten, waren ihre Wände aus Naturstein sehr massiv. Ihr Dach war mit Schieferplatten gedeckt. Das Wasser floss durch das Gebäude und konnte drinnen zum Mahlen von Mais, Gerste oder anderem Getreide genutzt werden.

Gelebte Transhumanz
Bis heute lebt Aucun im Rhythmus der Transhumanz, der Wanderwirtschaft. So bewahrt es auch entlang der Wanderwege ringsum das pastorale Erbe. Trockensteinmauern säumen die Wege und begrenzen die Grundstücke. Ebenfalls aus Trockensteinen aufgeschichtet wurden die houns oder leytés.

Die kleinen, niedrigen Hütten befanden sich meist in der Nähe der Ställe und Weiden und waren der Kühlschrank von einst. Nach dem Melken wurde dort die Milch gelagert; nach ihrer Verarbeitung Butter und Käse dort kühl gehalten.
Wer aufmerksam durch das Dorf und sein Umland bummelt, wird noch viele weitere Zeugnisse des Landlebens von einst entdecken, die bis heute tagtäglich genutzt werden – wie die Scheunen im Dach, die dank der Dorflage am Hang direkt befahren werden konnten.

Aucun: meine Reise-Infos
Hinkommen
Aucun versteckt sich im äußersten Südwesten von Okzitanien in den Hautes-Pyrénées. Zur „Grenze“ mit dem Département Pyrénées-Atlantiques in der Region Nouvelle-Aquitaine sind es gerade mal zwölf Kilometer.
• www.aucun-pyrenees.fr, www.valleesdegavarnie.com/hiver/ma-destination/val-d-azun
Die Départementsstraße D 918 führt von Argelès-Gazost mitten durch Aucun und weiter nach Gourrette in Nouvelle-Aquitaine.

Entdecken
Der Chemin des Mémoires führt zu all jenen Stätten, die die Geschichte des Dorfes mitgeprägt haben. 13 Stationen enthält die Audio-Runde, die vorab kostenlos online aufs Handy geladen werden kann. Sie startet automatisch, wenn man an einem der Hörpunkte ankommt.
• izi.travel
Musée montagnard du Lavedan
• 29, route d’Azun, 65400 Aucun, Tel. 05 62 97 12 03, www.tourisme-hautes-pyrenees.com

Schlemmen
Restaurant de Couraduque
Die Aussicht von der Terrasse auf die Bergwelt ringsum ist atemberaubend, auf der Karte stehen Gegrilltes und garbure, die Bergsuppe der Pyrenäen.
• Col de Couraduque, 65400 Aucun, Tel. 05 62 97 42 16
Refuge du Haugarou
Traditionelle Berghütte mit Schlaf- und Zeltplätzen sowie rustikaler, regionaler Hütten-Kost; Route du Bergons, 65400 Aucun, Tel. 05 62 97 25, www.facebook.com/Haugarou

Schlafen
Camping Azun Nature
Ein kleiner, gut geführter Platz mit Hütten und Stellplätzen, Münzwasch und Spa.
• 1, route des Poueyes 65400 Aucun, Tel. 05 62 97 45 05, www.camping-azun-nature.com
Hôtel le Picors
Die Zimmer in diesem Dreisternehaus mit einer etwas gewöhnungsbedürftigen Farbgebung sind funktionell und sauber, das Essen ist solide. Pluspunkt sind der Innen- Pool, der Fahrradverleih und die netten Wirtsleute;
•Route d’Aubisque, 65400 Aucun, Tel. 05 62 97 40 90, www.picors.fr

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Merveilleux! dieser Bericht über das herrliche Pyrenäen-Nest Aucun. Seit ich in Rente bin (sic!), quäle ich mich jedes Jahr über „les grands cols des Pyrennées“ – viel langsamer und entspannter als die Kämpfer der Tour. Aucun ist mein beliebter Rastplatz geworden, meist vor der bemerkenswerten Kapelle, die tatsächlich immer geöffnet war. Danke für diesen tollen Beitrag. Dieses Jahr werde ich Aucun noch bewußter genießen.
Lieber Herr Schug, wow, die Pässe zu radeln, ist eine echte Herausforderung! Und ja, der Platz vor der Kapelle ist wirklich schön! Wie schön, dass Sie Aucun kennen! Viele Grüße, Hilke