Ein Austernzüchter aus Marennes beim Sortieren der berühmten Muschel. Foto: H

Marennes: Die Heimat der Fine de Claire

Im äußersten Süden des Départements Charente-Maritime hat die Seudre zwischen Marennes, der Insel Oléron und La Tremblade ein Austernparadies geschaffen. 30 Quadratkilometer ist das Austernzuchtgebiet von Marennes Oléron groß – und damit wie etwa 4.200 Fußballfelder!

Gut die Hälfte der gesamten französischen Austernproduktion kommt aus dem größten Austernzuchtgebiet Europas. Vier Hauptsorten der Marennes-Oléron-Austern reifen dort heran.

Akribisch hält das Amtsblatt C 118/35 der Europäischen Union vom Mai 2008 die bis heute geltenden Qualitätsunterschiede fest.

Je nach Verarbeitungsgrad des Erzeugnisses nach der Umsetzung in Klärbecken, der insbesondere mit dem Füllungsindex (Verhältnis Abtropfgewicht des Fleischs — Gesamtgewicht × 100) gemessen wird, sind folgende Qualitätsstufen möglich:

  • 7-10,5: huître fine de claire (feine Auster aus Klärbecken),
  • 10,5 oder höher: huître spéciale de claire (besondere Auster aus Klärbecken),
  • 12 oder höher: huître spéciale pousse en claire (besondere im Klärbecken herangewachsene
  • Auster).

Zur Bewertung der berühmten Austern gehörte damals auch eine „organoleptische“ Beurteilung (von griechisch organon (Werkzeug) und leptikos (empfangen). Bei dieser zweiten Stufe der Qualitätsprüfung werden die Austern nicht nur nach objektiven Kriterien wie Größe oder Gewicht bewertet, sondern vor allem nach ihren sensorischen Eigenschaften. Mit anderen Worten: Die als Sensoriker ausgebildeten Prüfer schmecken, riechen und befühlen die Austern ausgiebig.

Ihr Ergebnis:

  • Eine Auster huître Fine de Claire ist stark wasserhaltig, schmeckt ausgewogen und hat feines Fleisch.
  • Austern huître Fine de Claire Verte weisen die gleichen Merkmale auf wie Austern der Qualität huître Fine de Claire und sind an den Kiemen grünlich verfärbt als Beweis für ihre natürliche Veredelung in einem mit Grünalgen angereicherten Klärbecken (claire verte).
  • Eine Auster huître Spéciale de Claire ist rund im Geschmack und vollmundig bei stärker ausgeprägter Zartheit.
  • Austern huître Spéciale de Claire Verte weisen die gleichen Merkmale auf wie Austern der Qualität huître spéciale de claire und sind aufgrund ihre Veredelung in einem mit Grünalgen angereicherten Klärbecken (claire verte) an den Kiemen grünlich verfärbt,
  • Eine Auster huître Spéciale Pousse en Claire ist voll fleischig, fest und hat Biss; sie ist elfenbeinfarbig, schmeckt charakteristisch und liegt lange im Mund.

Lebend und unverarbeitet kommen huîtres Marennes Oléron so in den Handel. Auch, wie sie dort angeboten werden müssen, schreibt das Amtsblatt vor.

In der Verpackung müssen die Austern flach und mit der gewölbten Schalenhälfte nach unten liegen,
denn nur so sind die bestmöglichen Konservierungsbedingungen gegeben. Die Packstücke werden mit
Spannbändern fest verschnürt, und die Spankörbe sind genau für die abgepackte Menge Austern ausgelegt, damit die Austern nicht verrutschen können (…). Das Erzeugnis darf auf keinen Fall unverpackt (als Schüttgut) transportiert oder ohne Originalverpackung zum Verkauf angeboten werden.

Alle diese Sorten tragen mindestens eines der folgenden Qualitätssiegel:

  • IGP (indication géographique protégée ). Die Marennes Oléron-Auster ist die einzige in Frankreich mit einer geschützten geografischen Angabe (g.g.A.)
  • Label Rouge
  • AOC (Appellation d’Origine Contrôlée)

Ein Puzzle aus Parzellen

Aus der Luft – und nach den 289 Stufen hinauf zur Stadtkirche von Marennes – sieht das Austernzuchtgebiet Marennes Oléron wie ein amphibisches Puzzle aus. Tausende kleiner Parzellen erstrecken sich bis an den Horizont. In claires genannten, aufgegebenen Lehmbecken der Salzbauern reifen die Austern heran – mindestens einen Monat lang, bei manchen Sorten sogar bis zu vier Monate!

Jede Tide versorgt die Austern über ein ausgeklügeltes Netzwerk an Kanälen mit frischem Brackwasser, das reich an Nährstoffen und Mineralien ist und Pythoplankton wachsen lässt, die Hauptnahrung der Austern. Mit ihren Kiemen filtern die Austern das Wasser und nehmen mit den Nährstoffen auch ihre besonderen Geschmacksnoten auf.

Die Austern, die hier in Klärbecken veredelt oder gezüchtet werden, besitzen eine feinere Geschmacksnote und sind weniger herb als ihre im offenen Meer gezüchteten Artgenossen. Auch sind die Austernschalen der Fines de Claires frei von Seepocken und Makrophytalgen.

Frisch geöffnet, glänzt ihr Perlmuttüberzug stärker. Ihr Fleisch ist weniger salzig, stattdessen treten mineralische Noten stärker hervor. Bei einigen Arten wie den Fines de Claires Vertes sorgen die Grünalgen für eine grüne Verfärbung der Kiemen. Die Veredlung im Klärbecken schließlich steigert auch die Haltbarkeit, da die Austern von Marennes Oléron weniger Schalenwasser verlieren.

Les huîtres de Marennes Oléron, c’est comme une caresse de la mer sur les lèvres.
Die Austern von Marennes Oléron sind wie eine Umarmung des Meeres auf den Lippen.“

Ex-Präsident Jacques Chirac in einem Interview von Gourmets de France

Die Cité de l‘Huître von Marennes

Delikat oder eklig? An Austern scheiden sich die Geister. Doch der Besuch der Cité de l’Hûitre ist keine Geschmacksfrage. Sondern eine unglaublich spannende Reise auf den Spuren eines Krustentiers, das im Laufe seines Lebens sein Geschlecht wechselt – und seit Jahrhunderten einen ganzen Landstrich prägt.

Im Herzen des größten Austernzuchtgebietes Europas lädt das Erlebnismuseum ein, multimedial und ganz aktiv in die Welt der edlen Schalentiere, ihrer Zucht, ihrer Menschen und ihrer Geschichte einzutauchen. Ein bis zwei Stunden planen die meisten für ihren Besuch ein – und verbringen dann doch fast den ganzen Tag dort, so spannend und abwechslungsreich ist die Cité de l‘Huître.

Die Begegnung mit den Austern weckt alle Sinne, überrascht – und begeistert auch jene, die eher zögerlich die Cité de l‘Huître betreten. Vom Meer auf den Teller laden die Themenhütten dazu ein, dem Lebenslauf der Meeresfrucht zu folgen. Dann ist es Zeit für die große Show auf einer Panorama-Leinwand: Ein Film zeigt die Heimat der Fines de Claires aus völlig neuen Blickwinkeln: vom Land, vom Meer und aus der Luft. Erntefrisch landet die Königin der Austern hier am Verkostungstresen auf dem Teller.

Doch nun hinaus in jenes weite, platte Land, das sich mit seinen Sümpfen, Austernbecken und Kanälen bis an den Horizont erstreckt. 30 Quadratkilometer groß ist die Heimat der Marennes-Auster. Mitten hindurch führt der vier Kilometer lange Chemin des Claires. Mit der Eintrittskarte gibt es kostenlos ein Leihfahrrad! Nach der Runde im Marais geht’s weiter zur Cabane des Claires, einer echten, arbeitenden Austernhütte.

Mit schnellen Handgriffen sortieren dort von früh bis spät Frauen die guten, fest geschlossenen Austern von all jenen, die schon geöffnet sind. Hin und wieder wird auch hier die Qualität getestet. Das kurze, breite Messer in die seitliche Mitte gesetzt, ein kräftiger Dreh, dann den Muskel gelöst und den Mund geöffnet: miam ! Die ganze Frische des Meeres mit all seinen Aromen, vereint in einer Auster. Magnifique !

Les huîtres de Marennes sont les meilleures du monde.
Die Austern von Marennes sind die besten der Welt.

Alexandre Dumas, Autor von „Die drei Musketiere“

Aufzucht seit der Antike

Bis in die Antike soll die Austernzucht in Marennes Oléron zurückreichen, heißt es. Damals habe der Römer Sergius Orata die Austernzucht „erfunden“ und die ersten Austernparks angelegt. Andere Quellen behaupten, der Siegeszug der Austern habe erst im Mittelalter begonnen.

Kriege und Krisen konnten der Branche weniger anhaben als heute der Klimawandel. 1922 vernichtete eine Seuche fast den gesamten Bestand der Flachaustern ( huîtres plates ).

In den 1960er-Jahren dezimierte eine weitere Seuche die als Ersatz für die heimischen Flachaustern eingeführte portugiesische Hohlauster. Um 1970 zogen neue Austernarten aus Japan und Kanada in die berühmten claire-Becken ein, um die Austernzucht zu erhalten.

Lebensgrundlage des Landstrichs

Bis heute ist die Muschelzucht im Bassin de Marennes Oléron der wichtigste Wirtschaftszweig. 27 Gemeinden leben im Rhythmus der Tiden und der berühmten Auster.

Dazu gehören die zwölf Gemeinden Le Gua, Nieulle-sur-Seudre, Saint-Just-Luzac, Marennes, Bourcefranc-le-Chapus, Hiers-Brouage, Moëze, Saint-Froult, Port des Barques, Beaugeay, Soubise und Saint-Nazaire am rechten Seudre-Ufer.

Hinzu kommen sieben Orte am linken Ufer der Seudre: La Tremblade, Etaules, Chaillevette, L’Eguille, Arvert, Breuillet und Mornac. Acht weitere Orte befinden sich auf der Insel Oléron: Saint-Trojan, Grand-Village, Le Château d’Oléron, Saint-Pierre d’Oléron, Dolus, Saint-Georges d’Oléron, La Brée-les-Bains und Saint-Denis d’Oléron.

Doch wie andere Austernzuchtgebiete werden auch die Produzenten von Marennes Oléron, die jedes Jahr etwa 17.000 Tonnen gereifte Austern – und bis zu 60.000 Tonnen quer durch alle Qualitätsstufen – vom Klimawandel eingeholt. Im Sommer 2024 wurden erstmals in der Geschichte des Gebiets keine Austern aus Marennes-Oléron mehr verkauft. Angesichts der zu hohen Temperaturen wurde von Juni bis Ende August die Reifung der Austern und deren Vermarktung ausgesetzt.

Der Grund: Die Hitze ließ das Wasser in den claires so schnell verdunsten, dass der Salzgehalt zu schnell stieg. Die Folge: Das Salz machte die Muscheln brüchig und beeinträchtigte den Geschmack der Fines de claires. Die Muschel, die ihre Körpertemperatur nicht selbst regulieren kann, gerät ab 32 °Celsius in Stress. In Marennes Oléron indes kletterte das Thermometer im Sommer 2024 auf mehr als 35 °Celsius ….

Die Austernzucht von Marennes Oléron: meine Tipps

Schlemmen und genießen

La Cabane Des Bons Vivants

In La Tremblade säumen zahlreiche Meeresfrüchte-Restaurants zur Flussseite die D 14. Einfach gut ist La Cabane Des Bons Vivants. Zwar wirkt die Terrasse mit ihren Plastikstühlen und Tischen eher rustikal, doch Aussicht und Küche sind traumhaft.
• Boulevard Roger Letélié, 17390 La Tremblade, Tel. 05 46 36 01 36

Manger (et dormir) sur la Plage

Zu den ganz großen Namen der Austernzucht von Marennes Oléron gehört die Familie Gillardeau. Mit „Essen schlafen am Strand“ betreibt sie ein herrlich entspanntes wie köstliches Lokal direkt am Meer mit einer verlockenden Auswahl an Schalentieren, Fisch und Austern aus eigenem Hause. Von seiner großen Terrasse schweift der Blick hinüber zur Insel Oléron am Horizont. Wer hier bleiben möchte, bucht sich in eine der vier großen Junior-Suiten von Dormir sur la plage* ein.
• 61, avenue William Bertrand, 17320 Marennes, Tel. 05 46 38 41 93, www.dormirsurlaplage.fr/mangersurlaplage

Erleben und unternehmen

Le Train des Mouettes

Seit 1876 zuckelt die Schmalspurbahn von La Tremblade am linken Ufer der Seudre in anderhalb Stunden bei Tempo 30 die 21 Kilometer lange Strecke bis nach Saujon. Unterwegs könnt ihr in  Mornac-sur-Seudre  und Chaillevette aussteigen.
• www.traindesmouettes.fr

Hier könnt ihr schlafen

In und um Marennes dominieren Ferienhäuser und Ferienwohnungen.

Laubertière*

Frédéric Boismorand bietet zwei geräumige, 20 und 23 Quadratmeter große Gästezimmer mit Garten-Pool im Herzen von Marennes. Hier* könnt ihr sie buchen.
• 1 bis, rue des Champs, 17320 Marennes-Hiers-Brouage, Tel. mobil 06 85 77 48 53

Dormir sur la plage*

Vier komfortable Zimmer/Juniorsuiten direkt am Meer, mit Blick auf die Lagune oder die Mündung der Seudre, einladend und individuell – und dem dazugehörigen Strandlokal Manger à la plage direkt auf dem Gelände. Ein Ort zum Abschalten und Verwöhntwerden. Hier* könnt ihr sie buchen.
• 61, avenue William Bertrand, 17320 Marennes, Tel. 05 46 38 41 93, www.dormirsurlaplage.fr/dormirsurlaplage

Noch mehr Betten*

 

Weiterlesen

Im Blog

Zu Frankreichs Austern gibt es mehrere Beiträge im Blog. Das Bassin d’Archachon gilt als Kinderstube der französischen Auster. Auf eine königliche Austerntradition kann Cancale zurückblicken. Mit der Perle von Carteau hat die Camargue ihre eigene Austernsorte. Und am Étang de Thau lockt an der Mittelmeerküste sogar Wellness mit Austern.

Wer noch mehr Marennes und seinem Umland sucht, findet alle Beiträge aus dem Département Charente-Maritime vereint in dieser Kategorie.

Im Buch

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2 Kommentare

  1. Ein großartiger Bericht über die Austernzucht von Marennes. Die Austern gehören seit unserem ersten Urlaub in der Charente vor über 60 Jahren zu unseren besonderen Favoriten egal ob frisch vom Züchter oder auch mal überbacken. Aber am liebsten vollkommen Natur wie sie aus der Schale kommen.

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