In diesem Haus geschah einst der Säuremord am Baby Vitriol. Foto: Hilke Maunder

Baby Vitriol: der Toulouser Säuremord

Im 18. Jahrhundert war das Baby Vitriol Stadtgespräch. Als Jeanne Esparbié, die Witwe von Joachim Gorce, am 30. November 1735 von der Messe zurückkehrte, entdeckte sie ihr elf Monate altes Kind „aus dem Mund schäumend, mit extrem geschwollenen Lippen“. Am Morgen war es noch bei bester Gesundheit gewesen.

Hatte ihr Schwiegervater Étienne Gorce den Säugling vergiftet? Stadtchirurg Carrière bestätigte ihre Vermutung: Das Kind habe Salpetersäure erhalten. Jeanne und ihr Stiefvater Étienne hatten nach dem Tod ihres Mannes ein sehr schlechtes Verhältnis. Gorce sei sogar in ihr Heim eingebrochen und habe gedroht, sie zu erstechen.

Am 1. Dezember 1735, Punkt zehn Uhr, stirbt der Säugling unter furchtbaren Schmerzen. Auf Anordnung des Magistrats begeben sich der Gutachter Laymeries und der Gerichtsschreiber Salinier zum Hausim  Faubourg Sainte-Catherine. Die Autopsie der Chirurgen Pierre Rameau und Mathieu Sanarens bestätigt den Tod durch ein Ätzmittel. Die Lippen des Kindes waren verbrannt, ebenso wie Hals, Schultern, Rücken und Gesäß. Auch der Magen und die Speiseröhre waren verätzt. Das Baby Vitriol: ermordet!

Noch am selben Tag wird Étienne Gorce angehört. Acht weitere Verhöre folgen, auch auf dem heißen Stuhl. Verhört wird auch seine junge Frau Peyronne, die Unstimmigkeiten im Zeitplan ihres Mannes am Tag des Giftmordes aufdeckt. Zeugen haben zudem einen alten, krummen Mann gesehen, der am 29. November mehrere Apotheker auf der Place du Salin aufgesucht hatte. Einer von ihnen, Martin Combes, gibt zu, an jenem Tag Gift verkauft zu haben.

Am 8. März 1735 sprechen die Ratsherren Étienne Gorce des Giftsmordes schuldig. Vor seinem Haus soll er, gefesselt, bei lebendigem Leib verbrannt werden. Erst zwei Jahre später bringt ein anderes Verfahren zutage, dass der Mörder des Baby Vitriol seinem Urteil entkam und eines natürlichen Todes starb. Wie konnte er der Strafe entgegen? Ein Gericht hatte das Urteil der Capitouls aufgehoben, da das Geständnis unter Folter erpresst worden war.

Baby Vitriol: die Infos

Adresse / Hinkommen

90, Grand Rue Saint-Michel, 31500 Toulouse

ÖPNV

Métro: B, Haltestelle. Palis de Justice, Bus: L 4, Haltestelle: Notre-Dame

Öffnungszeiten

nur von außen

Web-Tipp

Mord auf der Karte: Wo in Toulouse geraubt und gemordet wurde, verrät die Online-Karte Meutres à la carte. Sie ist Teil des UrbanHist-Projektes des Toulouser Stadtarchivs.

Das Portal UrbanHist bietet euch die Möglichkeit, das Erbe von Toulouse online zu entdecken, zu besichtigen und gleichzeitig weiterführende Recherchen anzustellen.  Dazu ist das Angebot vorstrukturiert nach Themenbereichen wie Bords de la Garonne, Murmures d’Eau oder Toulouse Gourmande.

In der Rubrik Objectif Grand Angle könnt ihr 21 Stätten in 360°-Ansichten entdecken  – von der Place du Capitole und der Place Saint-Sernin über Bazacle und Port Viguerie bis zum japanischen  Garten, dem Observatorium von Jolimont oder dem Landgut von Candie.
• www.urban-hist.toulouse.fr

Das Portal UrbanHist von Toulouse. Copyright: Stadtarchiv Toulouse
Das Portal UrbanHist von Toulouse. Copyright: Stadtarchiv Toulouse

Keine Bezahlschranke. Sondern freies Wissen für alle.
Keine Werbung. Sondern Journalismus mit Passion.
Faktentreu und frankophil.
Das gefällt Dir? Dann wirf etwas in die virtuelle Kaffeetasse.
Unterstütze den Blog! Per Banküberweisung. Oder via PayPal.

Weiterlesen

Im Blog

Toulouse habe ich im Blog schon häufig vorgestellt. Klickt hier!

Im Buch

In der Reihe “111 Orte” des emons-Verlags habe ich so viele Kilometer durch Toulouse zu Fuß zurückgelegt, dass meine Lieblingsschuhe danach reif für die Tonne waren. Bei meinen Recherchen entdeckte ich viele Stätten, die Öffnungszeiten ausgeliefert sind – und einfach einzigartig sind.

Mein Stadtführer stellt sie vor. Er ist nicht nur auf Deutsch erhältlich, sondern auch in einer Ausgabe auf Französisch.

Auf seinen 240 Seiten findet ihr 111 Orte und Adressen, die selbst eingefleischte Toulouse-Kenner vermutlich noch nicht kennen. Stadtperlen, zu denen keine Hinweisschilder führen. Kleinode, die noch ein kleines Geheimnis bergen.

Kapitale Bilderwelten im Rathaus, Gespensterhäuser, Schlösser des Grauens und lauschige Stätten mit savoir-vivre und südlicher Lebenslust. Wer mag, kann die deutsche Fassung hier* bestellen, die französische Fassung hier*.

Okzitanien abseits GeheimtippsOkzitanien: 50 Tipps abseits der ausgetretenen Pfade*

Okzitanien ist die Quintessenz des Südens Frankreichs. Es beginnt in den Höhen der Cevennen, endet im Süden am Mittelmeer – und präsentiert sich zwischen Rhône und Adour als eine Region, die selbstbewusst ihre Kultur, Sprache und Küche pflegt. Katharerburgen erzählen vom Kampf gegen Kirche und Krone, eine gelbe Pflanze vom blauen Wunder, das Okzitanien im Mittelalter reich machte.

Acht Welterbestätten birgt die zweitgrößte Region Frankreichs, 40 grands sites – und unzählige Highlights, die abseits liegen. 50 dieser Juwelen enthält dieser Band. Abseits in Okzitanien: Bienvenue im Paradies für Entdecker!  Hier* gibt es euren Begleiter.

Annette Meiser, Midi-Pyrénées*

Annette Meiser, die u.a. die ers­te müll­frei­e Schu­le Deutsch­lands mitbegründete, hat in Midi-Pyrénées ihre Wahlheimat. Dort lebt und arbeitet sie seit vielen Jahren und bietet erdgeschichtliche und kulturhistorische Wanderreisen an.

Ihre Expertise hat sie auf 432 Seiten zwischen die Buchdeckel eines Reiseführers gepackt. Ihr erstes Buch stellt eine Ecke Frankreichs ausführlich vor, die in klassischen Südfrankreich-Führern stets zu kurz kommt.

Für mich ist es der beste Reiseführer auf Deutsch für alle, die individuell unterwegs sind – sehr gut gefallen mir die eingestreuten, oftmals überraschenden oder kaum bekannte Infos. Wie zum einzigen Dorf Frankreichs, das sich in zwei Départements befindet: Saint-Santin liegt genau auf der Grenze von Aveyron und Cantal. Wer mag, kann den Band hier* direkt online bestellen.

 * Durch den Kauf über den Partner-Link, den ein Sternchen markiert, kannst Du diesen Blog unterstützen und den Blog werbefrei halten. Für Dich entstehen keine Mehrkosten. Ganz herzlichen Dank – merci !

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert