
In aller Herrgottsfrühe schiebt Gérard Barbouteau seinen bunten Kahn in den Étang de Bages, stakt ihn einige Meter und startet dann den Außenborder.

Mutiger sind die Möwen, die sich gierig auf die Bugkante hocken und hoffen, etwas vom Beifang zu erhaschen, den Gerard zurück in den See wirft. Dorade, Wolfsbarsch und Crevetten wandern in schwarze Eimer für den Verkauf.

Flott steuert er die Stangen an, die sich am Horizont im Licht der aufgehenden Sonne abzeichnen. Dort greift er ins dunkle Wasser und zieht die erste Reuse hoch, blickt hinein und strahlt. Heute hat sich das frühe Aufstehen gelohnt!

Gérard ist einer der letzten Aalfischer am Lagunensee von Bages. Der Reichtum des 5500 ha großen Küstensees ist legendär. 85 Fisch- und 25 Krebsarten leben hier. Rosa Flamingos und Uferschnepfen sehen Gérard bei seinem einsamen Tagewerk zu.

Und heute sogar fast 40 Kilogramm Aale. „Ihr Fleisch ist feiner, ihr Geschmack ist aromatischer als das der Flussaale“, sagt Gérard stolz. „Doch was nützt das, wenn in Nordeuropa Aal in großem Stil gezüchtet wird. Der schmeckt zwar nicht, aber macht unser Geschäft kaputt. Und drückt die Preise“.

Um fast 20 Prozent sind sie seit dem neuen Jahrtausend gesunken. Fast alle der zehn Aalfischer von Bages haben noch ein zweites Einkommen. Gérard vermietet Gästezimmer.

Faszinierende Landschaften
Denn seit den 1960er-Jahren ist die Ausgleichsküste im Süden von Narbonne zwischen Autobahn A9, Route Nationale 9 und Mittelmeer malariafrei.
Ihre Lagunen und Nehrungsstreifen sind auf 80.000 Hektar als Parc naturel régional de la Narbonnaise en Méditerranée streng geschützt . Er ist damit genauso groß wie der Nationalpark Vorpommersche Boddenlandschaft!

Bausünden gibt es hier nicht. Sondern weite, wilde Urlandschaften und eine Handvoll Orte wie Bages, authentisch und noch recht ursprünglich. Seit einigen Jahren lassen sich verstärkt auch Künstler, Neorurale und Großstädter im Ort nieder, renovieren seine alten Häuser und sorgen für eine beginnende Gentrifizierung.

Das spült frisches Geld in die Kassen der Kommune, die mit Mitteln der EU, der Region und des Landes in den Ausbau eines sanften Tourismus investiert.
Fischerdorf mit Aussicht

Seit dem 11. Jahrhundert klammert sich das Fischerdorf mit weißen Häusern an einen Kalkkegel, den Lagunenseen und Salzmarschen umgeben. 12.000 Hektar amphibischer Landschaften mit Süß-, Brack- und Salzwasser, in dem 350 Tierarten leben.

Rosa Flamingos staken durch flache Fluten. Ibisse waten schneeweiß, Reiher im Silbergrau durch das feuchte Land.

Bunte pointus, traditionelle Holzkähne, sind am Ufer an den Kies gezogen. Einige sind in den Farben der Region Okzitanien angemalt: gelb der Rumpf, darauf das rote Kreuz des Languedoc.

Das Mosaik von Landschaften, das sich vom Belvédère des Remparts bietet, gehört zu den schönsten Panoramen des Département Aude.

Blau glitzernde Lagunen erstrecken sich zu den Füßen. Dann folgen sandig gelbe Riegel, und schließlich das ferne Mittelmeer. Schnurgerade Kanäle sehe ich, rosa funkelnde Salzseen mit weißen Rändern und tief im Süden die Schneekappe des Canigou, König der katalanischen Pyrenäen.

Alte Gassen, neue Kunst
Lauft vom Hauptplatz der alten Bourg durch die Porte du Cadran Solaire, einem Torbogen mit Sonnenuhr, hinein in das Gewirr der alten Gassen.

Hier blühen auch im Winter die Geranien, tragen Orangen- und Zitronenbäumen in versteckten Gärten ihre Früchte. Schaut auch bei Latuvu vorbei, einer sehr engagierten Kunstgalerie, die auch artists in residence Unterkunft und Atelier bietet.

Und immer wieder führen euch die Treppenwege, Gassen und Stiegen zurück ans Ufer des Étangs, zurück zu den Hütten und Werkstätten der Fischer. Dort entdecke ich an Holztoren, von denen die Farbe abblättert, Läufe von Wildschweinen, dicht an dicht angenagelt.

Andere Türen zieren Disteln als Barometer-Pflanzen. Je nach Wetterstand sind die Blüten geöffnet oder geschlossen.

Aale für Entdecker
Auch Gérard ist mittlerweile ans Ufer zurückgekehrt, hat Netze und Reusen zum Trocknen aufgehängt und den Fisch sortiert: Seezunge, Seewolf und Dorade, Crevetten und Aal.

Auch der Küchenchef vom Restaurant Le Portanel ist zum Kai gekommen, wo tagein, tagaus, bei jedem Wind und Wetter, die Fischer von 10 – 11.30 Uhr ihren Fang verkaufen.

Jean-Christophe Rousseau nimmt den ganzen Eimer Aal. Denn l’anguille ist der Star seiner Karte, die ihn in neun Varianten präsentiert: gebraten, geräuchert, grün, in Aspik oder Suppe.
Und nach Rezepten, die tief in der Region verwurzelt sind: die Pinhata, die Anguilles à la Narbonnaise, die Bourride d’Anguilles und der Civet d’Anguilles mit Fitou-Rotwein.

Bages: meine Reisetipps
Schlemmen
Restaurant Le Portanel
Wer nicht neugierig auf Aal ist, kann zum Paradeblick aufs Wasser hier Spanferkel in Banyuls-Jus genießen.
• Pas du Portanel – La Placette, Tel. 04 68 42 81 66, www.leportanel.net
Shopping
Les Saveurs du Pêcheur
Was Jean-Marie Martin in den Étangs fängt, verarbeitet der kleine Familienbetrieb und packt ins Glas: Fischeintöpfe und -suppen, Krebs-Vélouté, Aalragout und Terrinen.
• Rue de la Rivière, Tel. 04 68 42 80 77

In der Nähe
• L.A.C – Kunst im Weinkeller: Mehr Infos gibt es in diesem Blogbeitrag !
• Die Réserve Africaine von Sigean: Afrika am Mittelmeer – hier habe ich es euch vorgestellt.
• Narbonne: Meine kleine Liebeserklärung gibt es hier.
Schlafen

La Milhauque
Richtig gut passt zum Thema die Unterkunft des Fischer un sin Fru. Gérard und Florence Barbouteau haben ein altes Landhaus in ein charmantes Chambre d’Hôte verwandelt, das abends für alle Gäste einen köstlichen Table d’Hôte serviert. Hier habe ich euch ihre Unterkunft vorgestellt.

Noch mehr Betten*
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Im Blog
Mehr zu den Lagunenseen des Languedoc erfahrt ihr in diesem Beitrag.
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