Einfach treiben lassen: Bootstouren auf der Baïse sind herrlich entspannend! Foto: Hilke Maunder
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La Baïse: der Fluss der Gascogne

In engen Schleifen durchquert die Baïse das Genussreich im Südwesten von Frankreich: die Gascogne. Nur auf 60 Kilometer Länge ist der Fluss schiffbar – zwischen Valence-sur-Baïse (Gers) und Buzet-sur-Baïse (Lot-et-Garonne). Korrekt ausgesprochen wird der Wasserweg in der Heimat des Musketiers d’Artagnan Ba-ise. Baise besitzt für Franzosen eine eindeutig sexuelle Aufforderung!

Condom. Foto: Hilke: Maunder
Condom. Foto: Hilke: Maunder

Mit dem Armagnac verbunden

Ab 1839 wurde die Baïse im Département Gers für den Frachtverkehr genutzt, vorwiegend für den Transport von Armagnac-Fässern zwischen der Gascogne und Bordeaux.

1954 wurde der Schiffsverkehr auf der Baïse eingestellt. Seit 1997 ist der Fluss wieder schiffbar. Heute gehört er zu den schönsten Bootsrevieren von Okzitanien.

Dem Lauf der Baïse zu folgen, heißt, tief ins Herz der Gascogne einzudringen. Zwischen Feldern in Talauen und bewaldeten Hügeln bildet der Fluss ein idyllisches Band.

An den Ufern erstrecken sich die Reblagen, aus deren Trauben der edle Weinbrand Armagnac und der Aperitif Floc de Gascogne herstellt werden. Beide tragen das Gütezeichen AOC.

Den Schiffverkehr dominieren heute Hausboote. Foto: Hilke Maunder
Den Schiffsverkehr dominieren heute Hausboote. Foto: Hilke Maunder

Idyllisches Trio

Die Baïse entspringt auf dem Plateau von Lannemezan. Nach 188 Kilometern mündet sie bei Saint-Léger als linker Nebenfluss in die Garonne. Am Oberlauf wird sie Grande Baïse genannt. Erst nach dem  Zusammenfluss mit der Petite Baïse bei L’Isle-de-Noé heißt sie lediglich Baïse.

Eine typische Fassade in der Gascogne. Foto: Hilke Maunder
Eine typische Fassade in der Gascogne. Foto: Hilke Maunder

Drei Départements – Hautes-Pyrénées, Gers und Lot-et-Garonne – durchfließt sie auf ihrem kurzen Lauf. Die Orte am Fluss sind noch Dörfer und Städte, die ihre Beschaulichkeit bewahrt haben.

Keine Großstädte, sondern gewachsene, historische Orte mit altem Kern, mal 6.500 Einwohner groß wie Condom, dann eine kleine, befestigte Bastide wie Vianne.

Flußhafen und Pilgerziel

Die Kathedrale von Condom. Foto: Hilke Maunder
Die Kathedrale von Condom. Foto: Hilke Maunder

Condom ist der bedeutendste Flusshafen an der Baïse. Bis der Warentransport auf die Straßen verlegt wurde, war die Kleinstadt der wichtigste Exporthafen für Armagnac.

Heute machen dort die Hausboote fest. Wer nicht selbst skippert, kann den Fluss bei Schiffsausflügen entdecken.

In der Altstadt von Condom. Foto: Hilke Maunder
In der Altstadt von Condom. Foto: Hilke Maunder

Seine Altstadt überragt eine mächtige gotische Kathedrale, die Etappe am Jakobsweg ist. In den Gassen reihen sich Bürgerhäuser aus dem 18. Jahrhundert, bekannte Armagnac-Kellereien, Weinkeller und das Armagnac-Museum.

Diese Armagnac-Kellerei hat sich auf alte Armagnacs spezialisiert. Foto: Hilke Maunder
Diese Kellerei hat sich auf alte Armagnacs spezialisiert. Foto: Hilke Maunder

Danach führt der Fluss in der Nähe von Larressingle vorbei, einem mittelalterlichen Festungsdorf inmitten der Armagnac-Weinlagen.

Jakobswege: Cassaigne im Winter: Frost im Armagnac-Land.. Foto: Hilke Maunder
Winter im Armagnac-Weinberg: An  diesen Weinstöcken reifen die Trauben für den berühmten Brand. Foto: Hilke Maunder

Dann streift die Baïse die Abtei von Flaran. Die 1151 gegründete Zisterzienser-Abtei ist eine bedeutende Etappe des Jakobsweges nach Santiago de Compostela.

Kloster Flaran. Foto: Hilke Maunder
Kloster Flaran. Foto: Hilke Maunder

Sie bildet ein bemerkenswertes architektonisches Ensemble vom 12. bis 18. Jahrhundert und beherbergt nun das Centre Patrimonial du Gers. Mehr zum Kunstzentrum erfahrt ihr hier.

Der Abt des Klosters von Flaran und der Graf Gerald V. von Armagnac gründeten gemeinsam im Jahr 1274  die Bastide Valence-sur-Baïse auf einer Anhöhe über der Baïse, gleich neben der Einmündung des kleinen Nebenflüsschens Auloue.

Der Taubenturm von Kloster Flaran. Foto: Hilke Maunder
Der Taubenturm von Kloster Flaran. Foto: Hilke Maunder

Für alle, die mit dem Boot auf dem Fluss stromaufwärts unterwegs sind, endet hier die Reise: Weiter stromaufwärts ist die Baïse nicht mehr schiffbar.

Die Heimat der Albret

Die alte Brücke von Nérac über die <em>Petite Baïse</em>. Foto: Hilke Maunder
Die alte Brücke von Nérac über die Petite Baïse. Foto: Hilke Maunder

Stromabwärts erreicht ihr das Département Lot-et-Garonne. Bei Nérac überspannen zwei Brücken den Fluss. Ausgetreten sind die Steine der Kais am Flussufer. Still spiegeln sich seine alten Häuser in den von Sedimenten aufgewühlten Fluten.

Der Aufgang zum Schlossmuseum von Nérac. Foto: Hilke Maunder
Der Aufgang zum Schlossmuseum von Nérac. Foto: Hilke Maunder

Die Stadt wurde auf dem Gelände einer gallorömischen Villa erbaut. Doch erst  im Mittelalter und vor allem in der Renaissance blühte sie so richtig auf.

Denn 1484 wurde die Familie der Albret, die sich dort im 11. Jahrhundert niedergelassen hatte, durch die Heirat von Johann von Albret mit Katharina von Navarra zu den Königen von Navarra.

Im Schlossmuseum von Nérac. Foto: Hilke Maunder
Im Schlossmuseum von Nérac. Foto: Hilke Maunder

Sein Sohn Heinrich II. heiratete 1527 Margarete von Navarra. Sie gehört zu den ersten Dichterinnen in französischer Sprache. 1558 veröffentlichte Margarete ihr Heptaméron. Nach Vorbild des Decamerone von Giovanni Boccaccio vereinte ihr Werk eine Sammlung von 72 kurzen Erzählungen. Ursprünglich hatte auch sie 100 Geschichten in zehn Tagen erzählen wollen.

Foto: Hilke Maunder
Foto: Hilke Maunder

Doch der Tod war schneller. Als sie  1549 verstarb, war ihr Werk nur bis zur zweiten Erzählung des achten Tages gediehen. Bereits zu Lebzeiten hatte der Kunstsinn der Familie zahlreiche Humanisten und Schriftsteller nach Nérac gelockt.

Und viele neue Ideen. Als ihre Tochter Johanna III. 1548 Antoine de Bourbon heiratete, konvertierte sie zum evangelischen Glauben – und machte Nérac zur Hochburg des Protestantismus. Ihr Hofstaat strahlte weit über die Gascogne hinaus.

Foto: Hilke Maunder
Foto: Hilke Maunder

Vom Schloss der Albrets ist nur noch ein Flügel übrig, in dem ein kleines Museum untergebracht ist. Dort verraten Dokumente, dass auch Heinrich III. von Navarra (1553 – 1619), der spätere Heinrich IV.,  in Nérac einen Teil seiner Jugend verbracht hat.

Auch ein Portrait von Heinrich IV. hängt im Schlossmuseum. Foto: Hilke Maunder
Auch ein Portrait von Heinrich IV. hängt im Schlossmuseum. Foto: Hilke Maunder

In Nérac soll er seinen Ruf als vert galant, als viriler Bursche, erhalten haben. Unzähligen jungen Damen soll er dort den Hof gemacht haben. Fleurette,  die Tochter eines Gärtners, soll sich sogar aus Liebeskummer in der Baïse ertränkt haben!

In der Altstadt von Nérac. Foto: Hilke Maunder
In der Altstadt von Nérac. Foto: Hilke Maunder

Nérac verführt zum Bummeln. Von der Esplanade der Kirche Saint-Nicolas, dem Pont-Neuf oder dem Aussichtspunkt Petit Nérac, einem Vorort der Stadt, könnt ihr den Hafen, den Vieux-Pont und die ehemaligen Gerbereien, die heute Kunstgalerien und Restaurants beherbergen, entdecken.

Am Ufer der Baïse in Nérac. Foto: Hilke Maunder

Und verpasst auch nicht die Allee der 3000 Schritte und den Parc Royal de la Garenne, den Königin Margot, Ehefrau von Heinrich IV., gestaltet hatte.

Beim Pont-Vieux in Nérac. Foto: Hilke Maunder
Beim Pont-Vieux in Nérac. Foto: Hilke Maunder

Zehn Kilometer weiter nordwestlich schmiegt sich eine kleine, komplett erhaltene Bastide ans Flussufer: Vianne. Für den Bau des befestigten Wehrdorfes wurde 1284 das alte Örtchen Villelongue plattgemacht, von dem die Kirche Notre-Dame erhalten blieb.

Letztes Zeugnis des einstigen Dorfes Villelonge: die Kirche Notre-Dame von Vianne
Letztes Zeugnis des einstigen Dorfes Villelonge: die Kirche Notre-Dame von Vianne

Rund 50 Jahre vor dem Beginn des Hundertjährigen Krieges 1337 errichtet, zeigt ihre Architektur, dass der Neubau des Dorfes reinste Machtpolitik war.

Winzig: der Kerker rechts vom Torturm von Vianne, zu dem einige Treppen hinaufführen.. Foto: Hilke Maunder
Winzig: der Kerker rechts vom Torturm von Vianne, zu dem einige Treppen hinaufführen. Foto: Hilke Maunder

Vier quadratische und mehrere Rundtürme, von denen heute nur zwei erhalten sind, sorgten dafür, dass entlang der 1,2 Kilometer langen Mauer kein Angreifer unentdeckt bleiben würde.

Der Hauptplatz der Bastide. Foto: Hilke Maunder
Der Hauptplatz der Bastide. Foto: Hilke Maunder

1342 kam es zu den ersten heftigen Scharmützeln zwischen Franzosen und Engländern in Vianne. Heute schläft die Bastide einen Dornröschenschlaf. Vor der Schleuse an der Baïse sonnt man sich im Ufergras.

Der Anleger der Schleuse von Vianne an der Baïse. Foto: Hilke Maunder
Der Anleger der Schleuse von Vianne an der Baïse. Foto: Hilke Maunder

Mehr Betrieb herrscht in Buzet-sur-Baïse, wo im Mittelalter hoch auf einer Felsklippe eine Burg errichtet wurde und das Tal des Baches Bénac und der Baïse sicherte.

Buzet – ein stiller Star

Der Marktflecken, der sich rund um das Schloss entwickelte, gehört heute zu den stillen Stars des Weinbaus Okzitaniens. Die AOC Buzet hat mit 1800 Hektar Weinbergen in 27 Gemeinden ein recht kleines Terroir mit mineralreichen, kiesigen Böden zu beiden Seiten der Baïse.

Die <em>cave coopérative</em> von Buzet. Foto: Hilke Maunder
Die cave coopérative von Buzet. Foto: Hilke Maunder

Doch was da an Weinen gekeltert wird, kann es mit einigen AOC aus Bordeaux aufnehmen. Die Rotweine aus Cabernet Sauvignon, Cabernet Franc, Merlot, Cot oder Malbec sind kraftvoll, tief und seidig zugleich – und noch recht preisgünstig. 95 Prozent der Produktion sind Rotweine. Die wenigen Weißweine werden aus den drei Rebsorten  Sauvignon, Semillon und Muscadelle hergestellt.

Die Schlossretter

Wahrzeichen von Buzet ist sein mehr als 1000 Jahre altes Schloss. Im Oktober 2018 kaufte die Genossenschaft Les Vignérons de Buzet das Schloss samt Park. Ihr Ziel: das einstige Kastell von Haut Buzet auszubauen als neues Zentrum der Appellation. Und so nicht nur den Bau zu retten, sondern auch die faszinierenden fabriques, die den Park schmücken, zu erhalten.

Als schmückende Bauwerke unterbrechen sie dort die landschaftliche Komposition des Schlossparks. Mal sind diese gebauten Hingucker von der Antike,  dann wieder von fernen Ländern, der Ortsgeschichte oder der Natur inspiriert. Mehr zum Projekt Château et Fabriques de Buzet erfahrt ihr hier von den Winzern.

Wein ganz persönlich

Platzhirsch im Weinbau ist die Kooperative von Buzet, die bei der Vermarktung ihrer Tropfen seit 2021 neue Wege beschreitet. Wer mag, kann sich seine Weine personalisieren lassen und die Etiketten vor Ort selbst gestalten. Für meine Tochter gab’s so einen ganz individuellen Roten zum 20. Geburtstag!

Meine Reisetipps entlang der Baïse

Schlemmen

La Tàula

Im Oktober 2021 hat Xavier Billot mit seinem Partner Stéphane Martre am Standort des einstigen Sternelokals Le Table des Cordeliers in einer alten Kapelle voller Flair sein Schlemmerlokal eröffnet.
• 1, rue des Cordeliers, 32100 Condom, Tel. 05 62 68 16 07

L’Art de Vivre

Bistronomie im kleinen, charmanten Rahmen – sehr schön!
• 7, Rue du Château, 47600 Nérac, Tel. 05 53 65 69 43, www.facebook.com

Le Moulin de Saveurs

Küchenchef Sébastien Gilbert entdeckte in der Bretagne seine Begeisterung für die traditionelle Küche und regionalen Produkte und kam via Agen nach Nérac. Dort steht er seit 2012 am Herd des Moulin des Saveurs und verwöhnt seine Gäste mit authentischen und köstlichen Speisen, die sich an den Jahreszeiten orientieren.
• 4, Rue du Moulin des Tours, 47600 Nérac, Tel. 05 53 97 06 60, https://moulindessaveurs.com

Au Bord de l’eau

In Buzet verläuft der Garonne-Seitenkanal nahezu parallel zur Baïse. Direkt am Anleger könnt ihr dort typisch britische fish’n’chips oder saftige Burger zu einem Glas Buzet genießen und den Booten zuschauen, während euer Nachwuchs auf dem kleinen Spielplatz toben kann.
• Halte Nautique, 47160 Buzet-sur-Baïse, Tel. 05 53 84 53 31, www.auborddeleaubuzet.com

Schlafen

Les Bruhasses

Hélène, die älteste Tochter vom Armagnac-Hersteller Francis Dèche, und ihr franko-kanadischer Mann Jean haben etwas außerhalb von Condom ein stattliches Gut in ein elegant-nostalgisches chambre d’hôte verwandelt.
• 32100 Condom, Tel. 05 62 68 38 35, www.lesbruhasses.fr

Noch mehr Betten*

 

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Im Blog

Alle Beiträge aus dem Département Gers findet ihr in dieser Kategorie. Frohes Stöbern!

Im Buch

Annette Meiser, Midi-Pyrénées*

Annette Meiser, die u.a. die ers­te müll­frei­e Schu­le Deutsch­lands mitbegründete, hat in Midi-Pyrénées ihre Wahlheimat. Dort lebt und arbeitet sie seit vielen Jahren und bietet erdgeschichtliche und kulturhistorische Wanderreisen an.

Ihre Expertise hat sie auf 432 Seiten zwischen die Buchdeckel eines Reiseführers gepackt. Ihr erstes Buch stellt eine Ecke Frankreichs ausführlich vor, die in klassischen Südfrankreich-Führern stets zu kurz kommt.

Für mich ist es der beste Reiseführer auf Deutsch für alle, die individuell unterwegs sind – sehr gut gefallen mir die eingestreuten, oftmals überraschenden oder kaum bekannte Infos.

Wie zum einzigen Dorf Frankreichs, das sich in zwei Départements befindet: Saint-Santin liegt genau auf der Grenze von Aveyron und Cantal. Wer mag, kann den Band hier* direkt online bestellen.

Marcus X. Schmid, Südwestfrankreich*

 Der freie Reisejournalist Marcus X. Schmid hat für alle, die gerne auf eigene Faust unterwegs sind, den besten Reisebegleiter verfasst: sachlich, mit viel Hintergrund, Insiderwissen und Tipps, und dennoch sehr unterhaltsam und humorvoll. Ich kann ihn aus ganzem Herzen empfehlen, denn auch in diesem Band zu Südwestfrankreich sind tolle Tipps enthalten. Auch kritische Anmerkungen fehlen nicht. Kurzum: ein Reiseführer, der grundehrlich das Reisegebiet vorstellt – ohne versteckte Promotions.

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2 Kommentare

  1. Ich bin begeistert von den Artikeln!
    Vielen Dank!
    Wäre es möglich, die Karte „Hier liegt es“ an den Anfang zu stellen. Dann weiß man sofort, wo es liegt?🙂

    1. Danke für den Hinweis, liebe Petra, muss mal schauen, ob dies mir beim Programmieren gelinkt… mein IT-Mensch hat leider eine Festanstellung angenommen und keine Zeit mehr… Ich wag mich mal dran! Viele Grüße, Hilke

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