Banon: Lesestoff & Leckerbissen
Es ist der Duft, der mich nach Banon gelockt hat, dieser ganz besondere Duft, den der Banon verströmt, sobald der Knoten im naturfarbenen Bast gelöst und die getrockneten, grün-bräunlichen Kastanienblätter aufgefaltet sind. Er ist einfach so verführerisch, dass ich, kaum dass ich den Feinkost-Himmel der Épicerie Les 3 Soeurs verlassen habe, auf die nächstbeste boulangerie zusteuere. Dort besorge ich mir ein knusprig frisches Baguette, breche wie die Franzosen den Knust ab und knabbere, während ich einen stillen Sitzplatz suche.
Die Ungeduld steigt, endlich das Messer anzusetzen, die weiche Haut zu durchschneiden, zu sehen, wie das Innere zu laufen beginnt. Und dann die Käserinde samt milchig-cremigem Inneren ohne Auslaufen oder Kleckern auf das Baguette heben, die Augen schließen und genießen. Miam !
Für solche Hochgenüsse mache ich gerne Umwege und Pausen! Und nun stehe ich hier, endlich, nach vielen Jahren der Neugier und des Wartens, viele Jahre nach der Entdeckung dieses köstlichen Käses, in seiner Heimat an der Rue Pasteur und lasse den Blick schweifen.

Weitblick über die Provence
Banon liegt am Fuße des Plateau d’Albion, eingebettet in eine Landschaft aus Lavendelfeldern, Eichenwäldern und kargen Kalksteinformationen. Das Dorf selbst thront auf einem Hügel und bietet von seinen Höhen einen spektakulären Blick über die weite provenzalische Landschaft mit der Montagne de Lure.
Schwarzkiefern, Buchen, Weißtannen und alte Eichen prägen die Flanken der Montagne de Lure, die sich am Signal de Lure bis auf 1826 Meter emporschwingt und eine beliebte Spielwiese für viele Outdoorsportarten ist.

Das Klima, eine Mischung aus mediterraner Milde und alpiner Frische, schafft ideale Bedingungen für die Herstellung des Banon-Käses. 300 Tage pro Jahr leuchtet im Durchschnitt die Sonne über dem Land. An 60 Tagen – meist im April und im Oktober/November – tröpfelt es.
Das windige Trio von Banon
Umso präsenter sind die Winde – der kraftvolle, kalte Mistral, der ebenfalls sehr kalte Montagniero und der milde und feuchte Marin. Dieses Trio trieb einst rund um Banon Windmühlen mit ihren vier großen, leinenbespannten Flügeln an. Doch ganz gleich, welches Wetter gerade herrscht: 210 Tage müssen die Ziegen hier draußen in der Natur weiden, schreibt die AOP-Charta für den Käse vor.
Das Einwickeln in Kastanienblätter ist eine jahrhundertealte Tradition. Ursprünglich erfunden, um den Käse zu konservieren, verleihen die Blätter dank ihrer Tannine dem Käse zugleich seine einzigartigen Aromen.

So gestärkt, geht es kreuz und quer durch stille Gassen stetig bergauf. Hier und da könnt ihr statt des Asphalts, der leider auf die ursprünglichen Fahrbahnen gekippt wurde, noch die calade der Gassen sehen, die traditionelle Fahrbahndecke mit flachen Steinen oder Flusskieseln. Für eine calade werden die Steine oft vertikal, sprich, auf der Kante stehend, in den Boden eingesetzt, im Gegensatz zu Kopfsteinen, die horizontal verlegt werden.
Die Oberkirche des alten bourg
Jenseits eines mittelalterlichen Tores mit Maschikulis aus dem 14. Jahrhundert beginnt der alte bourg von Banon, und geht es stetig bergauf, hin zur Église Saint-Marc. Zunächst eine Kapelle für die Bewohner des Château de Banon, das einst die Hügelspitze bekrönte und während der Französischen Revolution zerstört wurde, stieg das Gotteshaus im Jahr 1350 offiziell zur Pfarrkirche auf.
1652 und 1733 wurde sie vergrößert, während der Revolution verwüstet – und erst 1826 restauriert. Im Jahr 2005 entweiht, ist die Oberkirche heute ein wichtiger Ort für das lokale Kulturleben. Von April bis Oktober finden hier Kunstausstellungen, Theateraufführungen, Konzerte und andere Kulturveranstaltungen statt.

Die Unterkirche im Tal
Vom Vorplatz des romanischen Gotteshauses schweift der Blick zurück auf eine malerische Gasse und über das Dorf hin zum Tal des Calavon, wo sich die Unterkirche erhebt: die Kapelle Notre-Dame-des-Anges, deren Eingang die Heilige Anna und der Heilige Josef bewachen. Das Innere schmücken Wandmalereien aus dem 19. Jahrhundert. Früher fanden Prozessionen zur Kapelle statt, unter anderem am Dreifaltigkeitssonntag und zu Mariä Himmelfahrt.
Am Horizont sehr ihr die Montagne de Lure. In sie hatte sich der junge Jean Giono verliebt, als er sie im Alter von elf Jahren in Banon das erste Mal gesehen hatte und hier seine initiatorische Reise um den berühmten Berg begonnen hatte.

Jean Giono und die Magie der Montagne de Lure
Der Besuch in Banon hat Giono für sein gesamtes Leben geprägt – und die Montagne de Lure, die Banon dominiert, blieb zeitlebens für Giono von mythischer Bedeutung und taucht häufig in seinen Werken auf. In einem Interview erzählte der Schriftsteller und Dichter einmal, sein Vater habe ihm fünf Francs gegeben und gesagt: „Mach damit die längste Reise, die du kannst“ (Quelle: Jean Giono: Les Vraies Richesses).
Später dienten Banon und sein Umland Giono als Inspiration für seine Romane. In „Ennemonde et autres caractères“ beschreibt er lokale Bräuche und erfundene Geschichten über die Bewohner des Plateaus. Da ist es auch nicht verwunderlich, dass Banon heute eine wichtige Etappe auf der Route Jean Giono ist, die als literarischer und touristischer Rundweg all jene Orte verbindet, die in Gionos Leben und Werk eine Rolle gespielt haben. Heute ist Banon ein Ort, der Gionos Erbe pflegt. Das Dorf hat sich nach der Landflucht erneuert, was einem Teil von Gionos Idealen entspricht.

Le Bleuet: das Bücherparadies von Banon
Dazu beigetragen hat auch die heute weltberühmte Buchhandlung Le Bleuet. Bereits ihr Standort und Bau sind besonders: Le Bleuet ist in mehreren alten provenzalischen Häusern im Herzen des Dorfes an einem kleinen Platz untergebracht, was ihr einen besonderen Charme verleiht.
Sie ist noch gar nicht so alt, sondern wurde erst 1990 von Joël Gattefossé gegründet. 2016 übernahmen Isabelle und Marc Gaucherand die Buchhandlung und entwickelten sie weiter. Mit mehr als 100.000 Titeln auf Lager gilt Le Bleuet heute als die größte unabhängige Buchhandlung Frankreichs im ländlichen Raum.

Die Buchhandlung erstreckt sich über mehrere Etagen und ist ein wahres Paradies für Leseratten und Literaturliebhaber. Schmale Regalpassagen, bis unter die Decke mit Büchern befüllt, öffnen sich hin zu kleinen Leseecken, neuen Gängen und hinaus in den Garten. Für Bücherfans ist Le Bleuet ein höchst gefährliches Terrain. Hier kann man stundenlang stöbern, schmökern und Inspiration finden … und verlässt sicherlich nicht ohne Buch die Boutique.
Das ganze Jahr hindurch werdet ihr hier fündig – denn Le Bleuet ist 365 Tage im Jahr von 10 bis 19 Uhr geöffnet – und sogar bis 20 Uhr im Juli und August. Mehr als 60 kulturelle Veranstaltungen, darunter Autorentreffen, Lesungen, Ausstellungen und sogar literarische Wanderungen, machen die Buchhandlung zu einem Kulturtreff, der trotz der ländlichen Lage seine Besucher aus einem Umkreis von bis zu 250 Kilometern anlockt.

Banon: meine Reise-Tipps
Hinkommen
Achtung: Bitte Banon in den Hautes-Alpes nicht mit Banon im Département Var verwechseln!
Es gibt keine direkte Bahnverbindung nach Banon. Die nächstgelegenen Bahnhöfe befinden sich in Manosque und La Brillanne-Oraison. Von Manosque aus bringt euch die Buslinie 470 von Transports Sumian nach Banon.
• Fahrpläne: https://itineraires-zou.maregionsud.fr
Schlemmen und genießen
Die Gastronomie konzentriert sich entlang der D 950, die mitten durch das Dorf führt.
La Table de Panturle
Ein Patio unter Sonnenschirmen, eine gute Küche, ein schönes Ambiente – für mich ist das Restaurant von Antoine die beste Gastroadresse in Banon.
• Rue Pasteur, 04150 Banon, Tel. 04 92 74 05 93, https://latabledepanturle.eatbu.com

Les Voyageurs
Beliebte Café-Bar mit Terrasse zur Départementsstraße, aus der Küche kommt grundsolide Bistro-Küche. Im Krimi „Laviolette auf Trüffelsuche“ von Pierre Magnan spielt das Bistro eine ganz bizarre Rolle.
• Place de la République, 04150 Banon, Tel. 04 92 73 21 02, auf Facebook zu finden
La Suite
Burger und Bier, Salate und Säfte, wechselnde Tagesgerichte und Wein: Das Angebot des Terrassenlokals trifft die Wünsche der Gäste.
• Rue de la Bourgade, 04150 Banon, Tel. 04 92 72 98 78, auf Facebook zu finden

Die Épicerie Les 3 Sœurs
Sturia-Kaviar und poutargue (gesalzenen und getrockneten Eier der Meeräsche), Kastanienbier der Alpen und feinstes Olivenöl, Trüffelsalz, wilde Honigsorten, Wein und so viele regionale Köstlichkeiten aus Frankreich und der Region, dass es schwerfällt, nicht den Korb randvoll zu füllen. Am Tresen gibt es den Banon-Käse in den unterschiedlichsten Reifungsstufen – köstlich!
• 60, rue Pasteur, 04150 Banon, Tel. mobil 06 04 51 39 46, www.epicerie-fine-banon.fr
La Brindille Melchio
Salami vom Meter und viele andere Köstlichkeiten findet ihr in dieser charcuterie/épicerie.
• 38, place de la République, 04150 Banon, Tel. 04 92 73 23 05
La Fête du Fromage
Alljährlich Mitte Mail feiert Banon seit 1994 sein Käsefest mit einem kulinarischen Markt, Umzug, Tombola und Auszeichnung des bestes Käses mit dem Banon d’Or.

Aktiv
Gleitschirmfliegen (parapente)
Banon ist ein offizielles Fluggebiet der FFVL. Mit einem Höhenunterschied von 300 Metern und mehreren Startplätzen, wie dem leicht zugänglichen Grou de Bane Süd und Südost, eröffnet Banon sowohl Anfängern als auch erfahrenen Piloten vielfältige Flugmöglichkeiten. Besonders morgens bietet der Startplatz eine gute Thermik. Bei südöstlichen Winden könnt ihr entlang der Bergflanke bis zu fünf Kilometer weit gleiten. Ebenfalls leicht zu erreichen ist der Landeplatz L’Orge. Kurse und Tandemflüge gibt’s bei der Gleitschirmschule JokAir Parapente.
Wandern
Banon liegt an mehreren Wander- und Radfernwegen, die es zu einem beliebten Zwischenstopp für Outdoor-Enthusiasten machen. Als „Geheimtipp“ unter Weitwanderern gilt – noch – die 1531 Kilometer lange GR4, die von Grasse (Côte d’Azur) bis Royan an die Atlantikküste führt. Im zehn Kilometer von Banon entfernten Simiande-la-Rotonde könnt ihr auf diese Route einsteigen und loswandern, einmal quer durchs ganze Land.

Hier könnt ihr schlafen*
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Liebe Heike,
der Bericht über Banon und die Bilder wecken schöne Erinnerungen an einen Urlaub 2014. Wir waren damals auf den Spuren von Jean Giano mit dem Wohnmobil unterwegs und haben auf dem dortigen Campingplatz L’Epi bleu übernachtet. Die tolle Buchhandlung, der Käse in den Kastanienblättern und die Salami-„Meterware“ sind noch sehr präsent. Wir haben schöne Wanderungen gemacht und die Einkehr in den kleinen Bistros genossen. Und der Duft des blühenden Lavendels haben diese Zeit unvergesslich gemacht. Vielen Dank für deinen Bericht.
Liebe Hilde, welch schöne Erinnerungen!! Und Banon ist bis heute so, wie Du es erlebt hast! Herzliche Grüße, Hilke
Liebe Hilke,
deine Beiträge – sowohl Text als auch Bilder – sind immer ein Genuss.
Diesmal haben es mir die Wanderschuhe angetan ( meine Lieblingsmarke ).
Merci, lieber Joachim, und bonne rando! Bises, Hilke
Hallo Hilke,
tatsächlich bin ich schon ein paar Male dort gewesen (es ist nicht gar so weit von meinem Standort am Mt Ventoux). Dass das so ist, spricht ja sicherlich für sich… der Ort und die Gegend ist wunderbar, die Buchhandlung umwerfend und der Käse ist ein wirklicher Grund, dorthin zu reisen. Wenn dann auch noch der Lavendel (Richtung Sault, Ferrassières) blüht, fühlt man sich nur noch glücklich, alle Sinne werden aufs Vortrefflichste angesprochen.
Danke für die Restaurant-Tipps, die werde ich das nächste Mal sicher gut nutzen können.
Lieber Ulf, ja, die Lavendelblüte ist traumhaft – ich habe in Ferrassières einmal bei einer Lavendelbäuerin auch ganz schlicht und einfach übernachten können, es war sehr rustikal und hart, das Leben der Bäuerin – bei der ganzen Arbeit bleibt nicht mehr viel im Portemonnaie… daher hat sie sich irgendwann auch der Kooperative angeschlossen, auch, um die Schädlinge, die den echten Lavendel bedrohen, besser bekämpfen zu können. Mehr zum Lavendel (und zum Hinträumen…) gibt es hier: https://meinfrankreich.com/lavendel-erleben-das-blaue-gold-der-provence/