Die Schinken-Schweine des Bigorre

Domaine Rey: Nicolas Rey mit seinen Schweinen. Foto: Hilke Maunder
Nicolas Rey mit seinen Schweinen. Foto: Hilke Maunder

Unterwegs im Süden des Gers auf den Spuren des Porc Noir de Bigorre. Hier, in Loubersan, liegt die Heimat von halbwilden schwarzen Schweinen. Marie und Nicolas von der Domaine Rey lassen das ganze Jahr über die Hügel toben – selbst bei Schnee und Regen.

Eine einsame Landstraße führt zur Domaine Rey im Gers. Foto: Hilke Maunder
Eine einsame Landstraße führt zur Domaine Rey im Gers. Foto: Hilke Maunder

365 Tage im Jahr heißt es für sie: Outdoor. Die Strohbetten im Stall kennen nur die schwangeren Sauen und ihr Nachwuchs.

Als ich mich zwischen sie hocke, komme sie angerannt, springen über meine Beine, sausen so schnell hin und her, dass ich sie kaum fotografieren kann.

Die Muttertiere ruhen sich, abgetrennt vom tobenden Nachwuchs, in einzelnen Stallkammern auf Stroh von der Geburt aus.

Domaine Rey. Verspielt: die jungen Ferkel der Rasse "Porc de Bigorre". Foto: Hilke Maunder
Verspielt: die jungen Ferkel der Rasse „Porc Noir de Bigorre“. Foto: Hilke Maunder

Fast vergessene Rasse

„Das Porc Noir de Bigorre ist eine alte, widerstandsfähige Rasse, das viel frisst und nur sehr langsam wächst“, erzählt Nicolas Rey (46), der 2010 mit der Zucht begann. Das Land dazu hatte er von der Großmutter geerbt.

Jetzt hält er dort pro Hektar 20 Tiere, die vor Ort geschlachtet und weiterverarbeitet werden – zu Hartwürsten und Schinken voller Aroma, Blutwurst und Rillettes mit AOC-Siegel. Im September 2017 gab es das begehrte Qualitätssiegel.

Domaine Rey: Nicolas Rey mit einer Sau, die vor wenigen Tagen geworfen hat. Foto: Hilke Maunder
Nicolas Rey mit einer Sau, die vor wenigen Tagen geworfen hat. Foto: Hilke Maunder

„Vor dem Krieg war diese Schweineart weit verbreitet. Dann jedoch geriet sie in Vergessenheit. Ihr Wachstum war zu langsam für die Nachfrage der Nachkriegsjahre, und zudem fressen sie mehr als andere Arten.

Ihr Fleisch ist zudem deutlich fettreicher als das der Industriekonkurrenz. 1981 war die Rasse fast ausgestorben. Bei den letzten Züchtern im Hochland der Hautes-Pyrénées gab es  nur noch rund drei Dutzend Säue und zwei Eber.“

Porc noir de Bigorre: Hilke Maunder fotografiert die Ferkel.
Auf Tuchfühlung mit den verspielten Ferkeln…

Geschätzt seit der Antike

Das müssen sie auch, denn ihr Terrain ist groß: 40 Hektar Wald und Weiden. 14 Monate lang rennen sie im Süden des Gers über die Hügel.

Sie wälzen ihren ihre schwarzen Borsten im Gras oder Schlamm, grunzen, fressen, rennen. Kommt Nicolas aufs Feld, nähern sie sich ihm neugierig, schieben Hosenbeine mit ihrer Schnauze hoch oder hinten das Hemd.

Domaine Rey: Porc de Bigorre. Foto: Hilke Maunder
Ein Leben in freier Natur: das Porc Noir de Bigorre. Foto: Hilke Maunder

„Ich brauche den Kontakt zu Tieren“, sagt Nicolas, „Geflügel könne ich nie züchten, das Tempo ist zu hoch.“ 35 Sauen und vier Eber tummeln sich auf dem Hügel, über den wir hin zum Futterstand in der Senke laufen.

Dort ergänzt Nicolas den Speiseplan der Natur mit Getreide (Gerste, Triticale, Weizen), Erbsen, Äpfeln und Wildfrüchten wie Eicheln, Kastanien und Mispeln. 300 kg bringt sein schwerster Eber auf die Waage. Die Hofkatze folgt ihm überall hin. Oder führt die Schweine an.

Domaine Rey: Die Hofkatze führt die Schweine an. Foto: Hilke Maunder
Die Hofkatze führt die Schweine an. Foto: Hilke Maunder

Outdoor-Schwein des Bigorre

Heute unter Rasseschutz, reichen die Wurzeln der halbwilden Bergschweine bis in die Antike zurück. Namensgeber wurde ihre hügelige Heimat. Die historische Provinz Bigorre erstreckt sich von Hautes-Pyrénées über den Gers bis nach Haute-Garonne.

Um Einhaltung der traditionellen Aufzucht kümmert sich das Consortium du Noir de Bigorre, das damit die Auflagen der geschützten Herkunftsbezeichnung AOC Jambon Noir de Bigorre und AOC Porc Noir de Bigorre überwacht.

Domaine Rey: Viel Platz, viel Auslauf für die Schweine. Foto: Hilke Maunder
Vor wenigen Jahren fast ausgestorben: die Schweinerasse „Porc Noir de Bigorre“. Foto: Hilke Maunder

Zarte Schinken & würzige Würste

Über einen Landweg, der sich auf halber Höhe an einem Hang entlang windet, erreichen wir die Hofstelle. Die Terrasse ist gen Süden ausgerichtet – mit Paradeblick auf die Pyrenäen, die hier im Süden des Gers fast immer zu sehen sind.

Bei Föhn sind sie zum Greifen nah. Der Föhn – und der Wechsel zwischen feuchten und sehr trockenen Phasen – sorgt dafür, dass der Schinken der schwarzen Schweine in der Reifezeit ein ganz besonderes Aroma entwickeln kann.

20 Monate lässt Nicolas den Schinken nach dem Salzen, Ruhen und Trocknen reifen – andere Produzenten sogar bis zu 36 Monate. Ebenfalls aus dem Fleisch fertigt Nicolas saucisses und saucissons, würzige Würste und Dauerwürste unterschiedlicher Härte. Ins Glas kommen Paté, Rillettes und Boudin, Blutwurst.

Domaine Rey: Köstlich, der Schinken des Porc de Bigorre. Foto: Hilke Maunder
Köstlich, der Schinken des Porc Noir de Bigorre. Foto: Hilke Maunder

Hintergrund: Frankreichs Schweinerassen

Mehr als 700 Schweinerassen gibt es weltweit. Frankreich ist, gemessen an der Zahl der Schlachtschweine, der viertgrößte Schweineproduzent in der europäischen Union nach Deutschland, Spanien und Dänemark. In Frankreich liefern vor allem diese alten Sorten schmackhaftes Fleisch.

Cul Noir

Der Cul Noir Limousin ist eine  französische Schweinerasse aus Saint-Yrieix-la-Perche im Süden von Haute-Vienne. Sein Fell ist weiß mit großen schwarzen Flecken am Gesäß und Kopf. Die Zucht dieser iberische Schweinerasse wurde ibeim Boom der industriellen Schweinezucht zugunsten anderer Rassen aufgegeben, vor allem wegen seines geringen Wachstums und hohen Fettgehalts.

Nachdem der Cul Noir in den 1980er-Jahren nahezu verschwunden war, wurde der Limousin-Schwarzkiemer durch das Schutzprogramm des Institut Technique du Porc vor dem Aussterben gerettet.

Kintoa

Das Bergschwein des Baskenlandes lebt nahezu wild in der Vallée des Aldudes. Klickt hier für mehr Infos.

Kintoa-Schweine. Foto: Hilke Maunder
Eine Kintoa-Bache mit Frischlingen. Foto: Hilke Maunder

Porc Blanc de l’Ouest

Das helle Porc Blanc de l’Ouest stammt ursprünglich aus der Normandie. Früher war es  in seiner Herkunftsregion recht belieb. Mit der Massentierhaltung indes sank in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts die Nachfrage stark. Ohne die Rettung durch das  Erhaltungsprogramm für lokale Rassen des Institut Technique du Porc wäre dieses normannische Landschwein heute ausgestorben.

Porc de Bayeux

Das Bayeux-Schwein oder Longué-Schwein ist eine der sieben französischen Schweinerassen, deren Ursprung auf das Ende des 19. Jahrhunderts zurückgeht. Die Rasse ist eine Kreuzung zwischen Normandie- und Berkshire-Schweinen und entwickelte sich zu Beginn des 20. Jahrhunderts stark und stabil,  bevor ihr Bestand während der Landung der Alliierten in der Normandie stark dezimiert wurde.

1984 rief das  Institut Technique du Porc daher ein Erhaltungsprogramm ins Leben gerufen. Seitdem steigen die nach wie vor bescheidenen Bestände leicht an.

Das Bayeux-Schwein ist ein großes, schwarz geflecktes weißes Schwein mit leicht hängenden Ohren. Es hat gute mütterliche Eigenschaften und ist gut für die Freilandaufzucht geeignet. In seiner Heimatregion Normandie, wo er nach wie vor beliebt ist, ist es die am häufigsten gezüchtet Schweinerasse, insbesondere für die Herstellung von Wurstwaren.

Korsische Wurst- und Fleischspezialitäten vom Wochenmarkt in Bastia. Foto: Hilke Maunder
Korsische Wurst- und Fleischspezialitäten vom Wochenmarkt in Bastia. Foto: Hilke Maunder

Porc de Corse

Nur auf Korsika findet ihr das Porc de Corse, das dort auch Porc Nustrale genannt wird. Mehr zu der halbwilden Schweinen der korsischen Berge und ihrer köstlichen charcuterie erfahrt ihr hier.

Porc Noir Gascon

Auch das Porc Noir Gascon ist eine uralte Schweinerasse aus den Pyrenäen, die das Institut Technique du Porc Ende der 1970er-Jahren ebenfalls vor dem Aussterben rettete. Heute ist vor allem im Südwesten Frankreichs verbreitet, genauer gesagt in den Départements Hautes-Pyrénées, Haute-Garonne und Gers.

Porc Noir de Bigorre

Das Schwarzfußschwein der Pyrenäen ist der kleine Bruder des Ibérico. Es lebt wild oder halbwild in den Wäldern der französisch-spanischen Grenze und eignet sich nicht zur Massentierhaltung. Es ernährt sich vorwiegend von Kastanien, Eicheln und Kräutern. Ausgewachsene Tiere bringen 170-190 Kilogramm auf die Waage.

Das fein marmorierte Fleisch der sehr alten Rasse, die bereits auf prähistorischen Höhlenzeichnungen zu sehen ist, schätzen Feinschmecker und Sterneköche.

Hättest ihr’s gewusst?

Früher war das Handwerk von boucher und charcutier streng getrennt. Der boucher verkaufte als Schlachter nur rohes Fleisch. Beim charcutier gab es ausschließlich verarbeitetes Fleisch wie Würste oder Schinken.

Die Kintoa-Schweine leben halbwild im Pays Quint. Foto: Hilke Maunder
Wildwechsel mal anders. Die Kintoa-Schweine leben halbwild im Pays Quint. Foto: Hilke Maunder

Genussregion Gers

Die Schinkenschweine des Bigorre sind nicht die einzigen kulinarischen Botschafter des Gers.

Besucht habe ich diesen Züchter: Domaine Rey, Marie und Nicolas Rey, La Caberte, 32300 Loubersan, Tel. 06 27 04 24 01, www.porcnoir-domainerey.com

Isabelle Ducourneau zieht den Teig vorsichtig hauchdünn auf dem Küchentisch aus. Foto: Hilke Maunder
Isabelle Ducourneau zieht den Teig für die croustade vorsichtig hauchdünn auf dem Küchentisch aus. Foto: Hilke Maunder

Folgt meiner kulinarischen Landpartie durch die historische Gascogne hier.

Bekanntester kulinarischer Botschafter des Gers ist der foie gras.  Infos & Hintergrund gibt es hier.

Für Kuchenfans habe ich aus dem Gers ein Rezept zum Nachbacken mitgebracht: Croustade – köstlich fruchtig wie herzhaft.

Auch in diesem Kuchen ist das Kellergold des Gers versteckt: Armagnac. Meinen Kellerbesuch samt Rezept findet ihr hier.

Francis Dèche vom Armagnac-Keller Château Millet. Foto: Hilke Maunder
Francis Dèche vom Armagnac-Keller Château Millet. Foto: Hilke Maunder

Noch mehr Gers gibt es auch hier

Marciac feiert im Sommer Europas größtes Jazzfestival. Was ihr erleben könnt, erfahrt ihr hier.

Und woher der Ausdruck „blaumachen“ kommt, und was er mit dem Gers zu tun hat, verrate ich hier.

 

Gefällt Dir der Beitrag? Dann sag merci mit einem virtuellen Trinkgeld.
Denn nervige Banner oder sonstige Werbung sind für mich tabu.
Ich setze auf Follower Power. So, wie Wikipedia das freie Wissen finanziert.

Unterstütze den Blog mit Deiner Spende. Per Banküberweisung. Oder via PayPal.

Weiterlesen

Im Blog

Der Retter des Kintoa-Schweins

Eine zweite alte Schweinerasse der Pyrenäen lebt im Vallée des Aldudes des Baskenlandes. Pierre Oteiza und seine Mitstreiter haben dort das Kintoa-Schwein vor dem Aussterben bewahrt. Erfahrt hier mehr!

Pierre Oteiza: der Retter des Kintoa-Schweins

Im Buch

Das Südfrankreich-Reise-Kochbuch: Le Midi*

Die poule au pot ist eine der 80 echten, authentischen Speisen, die ich bei meiner kulinarischen Landpartie durch den Süden von Frankreich entdeckt habe. Zwischen Arcachon, Hendaye und Menton schaute ich den Köchen dort in die Töpfe, besuchte Bauern, kleine Manufakturen, Winzer und andere lokale Erzeuger.

Gemeinsam mit dem Fotografen Thomas Müller reiste ich wochenlang durch meine Wahlheimat und machte mich auf die Suche nach den besten Rezepten und typischsten Spezialitäten der südfranzösischen Küche. Vereint sind sie auf den 224 Seiten meines Reise-Kochbuchs Le Midi.

Ihr findet darin 80 Rezepte von der Vorspeise bis zum Dessert, Produzentenportaits, Hintergrund zu Wein und Craftbeer, Themenspecials zu Transhumanz und Meer – und viele Tipps, Genuss à la Midi vor Ort zu erleben. Wer mag, kann meine 80 Sehnsuchtsrezepte aus Südfrankreich hier* online bestellen.

 * Durch den Kauf über den Partner-Link, den ein Sternchen markiert, kannst Du diesen Blog unterstützen und werbefrei halten. Für Dich entstehen keine Mehrkosten. Ganz herzlichen Dank – merci !

Domaine Rey. Foto: Hilke Maunder
Nicolas mit seinen schwarzen Schweinen. Foto: Hilke Maunder

Merci fürs Teilen!