Bekennt Farbe: die Kirche von Biot im alten bourg.Foto: Hilke Maunder
|

Biot: das sehenswerte Trio

Biot ist etwas für den späten Winter. Das Bergstädtchen, nur wenige Auto- oder Busminuten vom Mittelmeer entfernt, blickt dann auf Hügel voller Olivenbäume und Mimosen, die im Februar ihren gelben Blütenteppich ausbreiten und einen betörenden Duft über die Hügel im Hinterland der Côte d’Azur legen.

Zu dieser Jahreszeit gibt sich Biot noch ganz ursprünglich, authentisch und beschaulich – und lässt es sich nur ahnen, welch einen Andrang es im Sommer in den alten Gassen und lauschigen Plätze von Biot gibt, das als plus beaux detours de France ausgezeichnet ist, als einer der schönsten Abstecher Frankreichs.

In der Altstadt von Biot. Foto: Hilke Maunder
In der Altstadt von Biot. Foto: Hilke Maunder

Der alte Ortskern le vieux bourg ist ein langgestrecktes Labyrinth aus engen, gepflasterten Gassen, die traditionelle Steinhäusern säumen, von denen viele aus dem Mittelalter stammen. Alpenveilchen und Azaleen leuchten den Blumentöpfen, die vor den Haustüren stehen, Sukkulenten lassen sich überbordend herabfallen von ihrem Rand zwischen kleinen Kakteen und Babyagaven.

Auf die eine Haustür ist eine Silberdistel als Wetterprophet genagelt, eine andere schmückt ein Schablonenbild mit einem Blumentopf in XXL. Katzen streunen umher, ein Stuhl wird in die Gasse gestellt zur Kaffeepause vor dem eigenen Heim: das Lebensgefühl des Südens. Schön, sich treiben zu lassen. Und hier und da auch einmal in den inhabergeführten Boutiquen zu stöbern mit provenzalischer Lebensart, Kunst, Kunsthandwerk und Kleidsamem.

Die Töpfer von Biot

Biot war bis ins 18. Jahrhundert ein Dorf, das von der Landwirtschaft und der Töpferei lebte. Die 40 Töpfer, die damals dort arbeiteten, exportierten ihre Töpfe, Krüge und anderen Gebrauchsgegenstände aus Terrakotta und ihre zinnglasierten, farbigen Fayencen über Frankreichs Mittelmeerhäfen sogar bis nach Indien und Amerika.

Die französische Regierung unterstützte die Töpfer von Biot mit Finanzspritzen und Steuervergünstigungen. Die industrielle Revolution versetzte dem Traditionshandwerk im 19. Jahrhundert den Todesstoß. Die Töpfer von Biot konnten nicht mehr mit den billigeren Produkten aus den Fabriken konkurrieren.

Das Dorf konzentriert sich wieder auf die Landwirtschaft, baute Wein an und verarbeitete seine Oliven zu Öl. 1981 eröffnete in einem ehemaligen Franziskanerkloster aus dem 17. Jahrhundert das Musée de la Poterie de Biot, das seitdem die Geschichte der Töpferei in Biot lebendig hält und sie in seiner Sammlung von Keramik aus Biot aus verschiedenen Jahrhunderten vorstellt.

Das Töpfermuseum von Biot. Foto: Hilke Maunder
Das Töpfermuseum von Biot. Foto: Hilke Maunder

Die Glasbläser von Biot

Während in der Nachkriegszeit die Landwirtschaft immer wieder zurückging, blühten Handwerk und Kunst wieder auf. Künstler wie Raymond Peynet und viele andere ließen sich in Biot nieder und trugen zu seinem Ruf bei. Im Jahr 1956 gründete Éloi Monod die Verrerie de Biot, fing in seinem Glas mundgeblasene Bläschen ein und machte Biot berühmt.

Sein bekanntester Schüler wurde Jean-Claude Novaro, der mit 13 Jahren in die Werkstatt eintrat und später mit eigenem Atelier weltberühmt wurde. Ihm folgten weitere Glasbläser, die heute in und um Biot arbeiten – jeder mit seinem ganz eigenen Stil.

1997 erhielt Biot dank seiner Glasbläser und anderen Kunsthandwerkern, die ihnen folgten, die Anerkennung als Ville et Métiers d’Art. Heute haben auch Maler, Bildhauer, Designer, Keramiker, Juweliere, Goldschmiede, Lederarbeiter, Fotografen ihr Atelier oder eine Boutique in Biot.

Die Bläschen von Biot

Die berühmteste der Glasbläsereien von Biot. Foto: Hilke Maunder
Die berühmteste der Glasbläsereien von Biot. Foto: Hilke Maunder

Der Glasbläser Éloi Monod machte einen Makel zum Markenzeichen: Seine Verrerie de Biot am Fuße des Felskegels hat die Kunst, Luftblasen in Glas einzufangen, perfektioniert und damit ihren ganz eigenen, unverwechselbaren Stil geschaffen. In den 1970-er Jahren übernahm die Familie Lechaczynski die Glashütte und öffnete den Betrieb für den Industrietourismus.

Mehr als 700.000 Besucher pilgern jährlich zu dem Familienunternehmen und decken damit 75 Prozent des millionenschweren Umsatzes. Die Glashütte, 2005 als Entreprise du Patrimoine Vivant (EPV) und damit als Unternehmen des lebendigen Kulturerbes ausgezeichnet, ist heute längst ein Global Player.

Zur Werkstatt gehört der Fabrikverkauf der Verrerie de Biot. Foto: Hilke Maunder
Zur Werkstatt gehört der Fabrikverkauf der Verrerie de Biot. Foto: Hilke Maunder

Die Firma exportiert ihr Luxusglas in alle Welt und kreiert maßgeschneiderte Sortimente für die Luxushotellerie. Chinesen lieben die Buntheit des Blasenglases, die Russen die Schaumglas-Vasen der Verrerie de Biot.

Das Sortiment der 1956 von Éloi Monod eröffneten Glashütte umfasst heute nicht nur Gläser und Karaffen für einen schön gedeckten Tisch, sondern auch Küchenutensilien und Kunstobjekte.

In der Werkstatt der Verrerie de Biot könnt ihr den Glasbläsern bei der Arbeit zuschauen. Foto: Hilke Maunder
In der Werkstatt der Verrerie de Biot könnt ihr den Glasbläsern bei der Arbeit zuschauen. Foto: Hilke Maunder

Wie sie entstehen, zeigen Meister-Glasbläser und ihre Auszubildenden von der französischen Glasschule in Moulins-Yzeure ganzjährig vor Ort. Eine, die als Achtjährige die Glashütte besuchte, bläst heute selbst das berühmte Glas: Isabelle Navaro. Sie verrät: „Die Blasen im Glas – das macht das Bicarbonat.“

Leuchtendes Glas

Das fluoreszierende Glas der Verrerie de Biot. Foto: Hilke Maunder
Das fluoreszierende Glas der Verrerie de Biot. Foto: Hilke Maunder

Seit 2014 birgt das berühmte Glas nicht nur Bläschen, sondern leuchtet auch im Dunkeln. Ein Schwarzlicht-Raum führt den Effekt vor. Wer dort die Gläser der Ligne Lumin’Escence in der Hand hält, sieht ihre Bläschen in leuchtendem Neongrün.

Das angeschlossene Museum der Glashütte dokumentiert die Geschichte der Glaskunst. Die Galerie du Verre der Verrerie de Biot präsentiert die aktuelle Kreation und lädt alljährlich bei den Verriales am ersten Freitag im Juli 30 Glaskünstler aus aller Welt ein, an einem jährlich wechselnden Thema zu arbeiten.
• La Verrerie de Biot: Chemin des Combes, 06410 Biot, Tel. 04 93 65 03 00, www.verreriebiot.com

Fernand Léger und Biot

Das Fassadenmosaik des Fernand-Léger-Nationalmuseums. Foto: Hilke Maunder
Das Fassadenmosaik des Fernand-Léger-Nationalmuseums. Foto: Hilke Maunder

Nur wenige Monate vor seinem Tod kam Fernand Léger nach Biot. Er hatte sich dort eine Villa gekauft, um fortan dort zu leben und zu arbeiten – doch schon 15 Tage später starb er. Seine Witwe und einer seiner engsten Mitarbeiter sorgten dafür, dass der Maler ein Museum erhielt. 348 Werke des Mannes, Abstraktion, Kubismus und Pop-Art so farbig wie formenreich verbandm könnt ihr dort bewundern. Bei seiner Eröffnung war es das erste in Frankreich, das sich nur einem einzigen Künst- ler widmete.

Museum und Park bilden ein Gesamtkunstwerk, das Leben und Werk Fernand Légers lebendig werden lässt, ohne durch Größe und Fülle zu erschlagen. Der Rundgang durch die Dauerausstellung ist chronologisch geordnet und zeigt die wichtigsten Etappen der künstlerischen Entwicklung. Hier könnt ihr mehr erfahren.
• 255, chemin du Val de Pôme, 06410 Biot, Tel. 04 93 53 87 20, https://musees-nationaux-alpesmaritimes.fr/fleger

Die grüne Oase von Biot

Das Fernand-Leger-Museum liegt auf halber Strecke zwischen dem alten bourg von Biot auf dem Hügel und dem Bahnhof am Mittelmeer.

Der schönste Weg zum Strand führt von hier durch den Parc naturel départemental de Vaugrenier, eine 102 Hektar große Outdoor-Oase, in der die Archäologen der Universität Nizza-Sophia-Antipolis die Überreste des julisch-claudischen Dorfes Vaugrenier und einen Merkur-Tempel freigelegt haben.

Mitten im Grün verbirgt sich mit dem Étang de Vaugrenier der letzte natürliche Süßwasserteich an der Küste des Déartements Alpes-Maritimes.

Zurück zum Bahnhof von Biot solltet ihr die verkehrsreiche Départementsstraße D 4 vorbei am Marineland Antibes verlassen und lieber die weniger befahrene Avenue Pylone entlangspazieren – sie endet direkt am Gebäude der Gare de Biot.

Küste der Kontraste

Delfinshow im Marineland. Foto: Hilke Maunder
Delfinshow im Marineland von Antibes. Foto: Hilke Maunder

Eine Unterführung bringt euch zum Kieselstrand am Mittelmeer, die Küstenstraße D 6098 im Rücken, das Kasino zur Rechten und weitem Blick vorbei am markanten Rundbau der Marina von Villeneuve-Loubet bis nach Nizza.

Ebenfalls von dort zu sehen ist Frankreichs Silicon Valley. Der Gewerbepark Sophia Antipolis war 1970 der erste Technologiepark Europas. Auf seinen 2.400 Hektar in 24 Kommunen beherbergt er mehr als 1.500 Unternehmen rund 35.000 Beschäftigten. Oben ein Bergdorf mit malerischen Gassen und Glasbläser-Werkstätten, in der Mitte ein Weltklasse-Museum, am Meer urbane Kontraste: welch ein erlebnisreicher Tag in Biot!

In der Altstadt von Biot. Foto: Hilke Maunder
In der Altstadt von Biot. Foto: Hilke Maunder

Biot: meine Reisetipps

Hinkommen

Bahn

Gare de Biot: TER-Lokalzug-Halt, von dort Bus hinauf zum Bergdorf Biot. Alternativ das Fahrrad kostenlos per Bahn mitnehmen.

Zu Fuß vom Bahnhof hinauf zum alten bourg zu laufen, empfiehlt sich wegen des Verkehrs nicht, entlang der kürzesten Strecke (3,.3 km) bergauf entlang Départementsstraße D 4 fehlen stellenweise Gehwege, es ist jedoch machbar. Wer eine längere Strecke laufen möchte, kann auf weniger befahrene Straßen ausweichen.

Schlemmen und genießen

Sonnenterrasse: die Place Charles de Gaulle im Herzen des alten bourg von Biot Foto: Hilke Maunder
Sonnenterrasse: die Place Charles de Gaulle im Herzen des alten bourg von Biot Foto: Hilke Maunder

Le Piccolo

Auf der zentralen Place Charles de Gaulle mit ihrem Brunnen, ihren beiden Platanen und ihren blumengeschmückten Nostalgie-Laternen könnt ihr bei schönem Wetter draußen in Freiem speisen. Auf der Karte: Bistroküche mit mediterranem Flair.
• 30, rue Saint-Sébastien, 06410 Biot, Tel. 04 93 65 81 56

Hôtel-Restaurant Les Arcades

Der zweite beliebte Altstadtplatz zum Schlemmen unter freiem Himmel ist die Place des Arcades mit ihren wuchtigen Arkaden aus Stein. Das Restaurant der Familie Brothier ist eine Institution – und eine gute Adresse, um die Spezialitäten der Provence: die Pistou-Suppe, die Kabeljau-Brandade, die kleinen Cailles-Pasteten … und natürlich auch Aïoli und Bourride, die immer freitags auf der Karte stehen. Im Kellergewölbe gibt es eine exquisite Kunstsammlung mit Werken von Vasarely, César und Braque.
• 16, place des Arcades, 06410 Biot, Tel. 04 93 65 01 04, www.hotel-restaurant-les-arcades.com

An der Place des Arcaddes von Biot. Foto: Hilke Maunder
An der Place des Arcades von Biot. Foto: Hilke Maunder

Mamma Mia

Italienische Küche im modernen Ambiente zum Genießen von Ort oder Mitnehmen.
• 15, route de Valbonne, 06410 Biot, Tel. 04 23 19 98 34

Les Terraillers

Michael Fulci hat bei Roger Vergé und Alain Ducasse gelernte, ehe er in einer alten Töpferei aus dem 16. Jahrhundert sein Gourmet-Restaurant eröffnet und raffinierte französische Küche mit einem Hauch Provence serviert – im Speisesaal vor hellem Mauerwerk oder auf der Sommerterrasse, einem lauschigen Patio mit einer Pergola aus Weinreben.
• 11, chemin Neuf, 06410 Biot, Tel. 04 93 65 01 59, www.lesterraillers.fr

Im alten bourg von Biot. Foto: Hilke Maunder
Im alten bourg von Biot. Foto: Hilke Maunder

Nicht verpassen

Parc départemental de la Brague

Die Brague, die mitten durch das 638 Hektar große Naturschutzgebiet fließt, gab der grünen Oase zwischen Autobahn und Mittelmeer ihren Namen. Sie besteht aus einem 40 bis 245 Meter hohen Kalksteinplateau mit Tälern und Senken, Wiesen und Schwemmland, Harthölzern wie Esche, Hainbuche, Hasel, Lorbeer und Walnuss – und einem neun Kilometer langen Wanderweg, an dem euch das Rauschen der Brangue und das Säuseln der Erlen begleitet.

Im Februar stellt das Restaurant der Place des Arcades blühende Mimosen auf seine Tische. Foto: Hilke Maunder
Im Februar stellt das Restaurant der Place des Arcades blühende Mimosen auf seine Tische. Foto: Hilke Maunder

Hier könnt ihr schlafen*

 

Gefällt Dir der Beitrag? Dann sag merci mit einem virtuellen Trinkgeld.
Denn nervige Banner oder sonstige Werbung sind für mich tabu.
Ich setze auf Follower Power. So, wie Wikipedia das freie Wissen finanziert.
Unterstütze den Blog! Per Banküberweisung. Oder via PayPal.

Im Blog

Alle Beiträge aus dem Département Alpes-Maritimes vereint diese Kategorie.

Im Buch

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert