Die Altstadt von Bonifacio erstreckt sich in schwindelnder Höhe auf den Klippen. Foto: Hilke Maunder
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Bonifacio: Juwel auf der K(l)ippe

In Bonifacio soll er ihnen begegnet sein: Auf den strahlend weißen Klippen der südkorsischen Stadt erblickte Odysseus die Laistrygonen. Menschenfressende Riesen. Sie versenkten die Schiffe und verzehrten die Mannschaft. Im zehnten Gesang hat Homer die schicksalhafte Begegnung beschrieben.

Die Altstadt von Bonifacio auf den Klippen. Foto: Hilke Maunder
Bis an den Klippenrand drängen sich die Häuser der Altstadt von Bonifacio. Foto: Hilke Maunder

Kannibalen & Nixen

Viel früher lebte in den Grotten der 60 m hohen Steilküste die Dame von Bonifacio. Fast 9000 Jahre alt sind ihre Knochen – der älteste Menschenfund auf Korsika. Was für Legenden, was für eine Landschaft, was für eine Lage!

Blick auf den Hafen von Bonifacio von der Zitadelle. Foto: Hilke Maunder
Blick auf den Hafen von Bonifacio von der Zitadelle. Foto: Hilke Maunder

Und obgleich Bonifacio der Ort ist, den ich bislang am häufigsten auf Korsika besucht habe, gerate ich immer ins Staunen, entdecke wieder etwas Neues: schmale Treppen in steilen Klippen, tiefe Brunnen durch den Fels, verborgene Stiegen und faszinierende Menschen.

Kostprobe vom Hirn

Bonifacio. Fischer mit Seeigel. Foto: Hilke Maunder
Am Hafenkai findet ihr diesen Fischer – er hat sich auf Seeigel spezialisiert. Foto: Hilke Maunder

So wie den Fischer am Hafen, der Seeigel aus seinen Netzen pult. Als ich stehen bleibe, nimmt er ein Messer, schneidet das Tier auf und reicht es mir: Probier – das Hirn ist besonders gut. Jetzt bloß nicht entsetzt schauen. Ich lächle, schlucke. Überraschend zart und fein schmeckt das Innere des Seeigels.

Bonifacio. Hafenkai. Foto: Hilke Maunder
Direkt am Wasser: der Spazierweg im Hafen von Bonifacio. Foto: Hilke Maunder

„Das ganze Meer ist hier voll mit Oursins“, erzählt er und klaubt den nächsten Seeigel aus dem Netz. Nur von Dezember bis März jedoch dürfen sie im Meeresschutzgebiet zwischen Korsika und Italien gefangen werden. „Das war Beifang“, sagt er, Fangzeiten und Quoten ignoriert. „Il faut vivre – man muss leben können…“

Pop-Art in Acryl

Bonifacio: Pop Art mit Bonaparte. Foto: Hilke Maunder
Pop Art mit Bonaparte. Foto: Hilke Maunder

Am Hafen blickt Napoleon Bonaparte als Portrait in buntem Acryl auf das Treiben, an der Monte Rascalle ist es Laetitia Casta. Korsischen Ikonen: in Bonifacio begegnen sie euch als poppige Kunstdrucke im öffentlichen Raum.

Der Hafen von Bonifacio. Foto: Hilke Maunder
Der Hafen von Bonifacio. Foto: Hilke Maunder

Vom Hafenkai an der Kirche St-Erasme führt eine breite Treppe hinauf zur hinauf zur Oberstadt (Ville Haute). Sie endet an der Saint-Roch-Kapelle, die 1528 für die Pestopfer der Insel errichtet wurde.

Mehr als 4000 Insulaner hatte der Bazillus, der von Handelsschiffe aus dem Schwarzen Meer eingeschleppt worden war, hingerafft – damals ein Drittel der Inselbevölkerung.

Bonifacio: Église Saint-Dominique. Foto: Hilke Maunder
Die Église Saint-Dominique in der Oberstadt ist die einzige gotische Kirche Korsikas. Foto: Hilke Maunder

Genießt am Col Saint-Roch auch noch einmal die Aussicht. Oder steigt hier hinab zur zur Place Sutta Rocca hinab. Vom kleinen Strand habt ihr eine tolle Aussicht hinauf zu den Felsüberhängen. Wer weiterlaufen will, folgt linker Hand der Küste. Sind sie nicht eindrucksvoll, die Felsnadeln?

Bonifacio: Blick vom Aufstieg zur Ville Haute auf die Steilküste. Foto: Hilke Maunder
Bonifacio: Blick vom Aufstieg zur Vilel Haute auf die Steilküste. Foto: Hilke Maunder

Um ins Herz der Zitadelle zu gelangen, müsst ihr vom Col St-Roch weiter treppauf laufen, hin zum massiven Genueser-Tor. Die Porte de Gênes war lange der einzige Zugang zur  Oberstadt.

Bonifacio: Die Porte de Gênes mit der Bastion de l'Étendard und der Oberstadt. Foto: Hilke Maunder
Die Porte de Gênes mit der Bastion de l’Étendard und der Oberstadt. Foto: Hilke Maunder

Neben dem Stadttor erklärt in der Bastion de L’Étendard heute ein Museum die Stadtgeschichte. Von seinem Garten eröffnen sich weitere eindrucksvolle Ausblicke auf die Küste.

In der Oberstadt von Bonifacio. Foto: Hilke Maunder
In der Oberstadt von Bonifacio. Foto: Hilke Maunder

Einen weiteren Aussichtspunkt findet ihr am einstiegen Marktplatz: La Manichella. Taucht danach in das Gewirr der mittelalterlichen Gassen Bonifacios ein. In der Saison drängen sich die Massen hindurch. Alteingesessene Handwerksbetriebe wechseln mit Restaurants, kleinen Boutiquen und Souvenirshops.

Bonifacƒio: Lokal in der Ville Haute. Foto: Hilke Maunder
Lust auf einen Apéro in der Ville Haute? Foto: Hilke Maunder

Dass die Oberstadt eine der beliebtesten Touristenattraktionen der Insel ist, spürt man… und nimmt doch nichts vom Charme der südlichsten Stadt Korsikas. Was wie Stützstreben zwischen den Häusern aussieht, sind Wasserleitungen.

In der Altstadt von Bonifacio. Foto: Hilke Maunder
In der Altstadt von Bonifacio. Foto: Hilke Maunder

Ab dem 14. Jahrhundert leiteten sie den Regen in die zentrale Zisterne unter der Église Sainte-Marie-Majeure. Jahrhundertelang versorgte sie die Oberstadt mit Süßwasser. Heute ist Bonifacio längst an das öffentliche Netz angeschlossen, der Wasserspeicher ein Konferenzsaal.

Bonifacio: die Loggia der Église Sainte-Marie in der Oberstadt. Foto: Hilke Maunder
Bonifacio: die Loggia der Église Sainte-Marie in der Oberstadt. Foto: Hilke Maunder

Vor der Kirche trifft man sich unter der Loggia. Besonders im Sommer ist der überdachte Kirchvorplatz ein beliebter Schattenplatz. Früher wurde hier Gericht gehalten. Gegenüber serviert das Freiluftlokal die kulinarische Spezialität des Ortes: aubergines farcies à la bonifacienne – für alle, die Französisch verstehen, gibt auf Marmiton das Rezept.

Von Treppen und Leitern

Bonifacio: Treppenhaus in der Altstadt. Foto: Hilke Maunder
Treppenhaus in der Altstadt. Foto: Hilke Maunder

Die Treppenaufgänge der Häuser wurden erst nachträglich eingebaut. Früher kletterten die Korsen Leitern zu ihren Wohnungen hoch, die nach der Nutzung hochgezogen wurden – das war sicherer als feste Treppen.

In der Oberstadt von Bonifacio. Foto: Hilke Maunder
Schön: die alten Balkone eines großen Stadthauses der Oberstadt. Foto: Hilke Maunder

An der Place de Montepagano führen 187 steile Stufen hinab zum Meer. Der Sage nach wurden die Escaliers du Roi d’Aragon erst 1420 in den Fels geschlagen; Historiker halten den Verbindungsweg für viel älter.

Bonifacio: Steiler Steig an der Klippe: die Escalier d'Aragon. Foto: Hilke Maunder
Bonifacio: Steiler Steig an der Klippe: die Escaliers du Roi d’Aragon. Foto: Hilke Maunder

Mitten im Fels verlaufen auch die Treppen, die euch  von der Zitadelle wieder hinab zum Hafen bringen, eine Sequenz von Galerien mit ausgetretenen Stufen, die immer wieder neue Ausblicke auf den Hafen eröffnet. Wer sie alle abläuft, braucht eine Stunde!

Die Oberstadt von Bonifacio. Foto: Hilke Maunder
Wie lange der Fels die Häuser von Bonifacio wohl noch trägt? Foto: Hilke Maunder

Meine Reisetipps: Bonifacio

Schlemmen

Stella d’Oro

Pasta, Fisch und Spezialitäten prägen die Karte des Restaurants, dessen Speisesaal an einen Weinkeller erinnert. Im Bassin schwimmen Hummer, die der Gast auswählen kann.
• 7, rue Doria, 20169 Bonifacio, Tel. 04 95 73 03 63

La Caravelle

Feine Meeresküche von Glenn Viel und Antony Bourguignon direkt am Hafenkai – im Sommer mit Terrasse.
• 35, Quai Jérôme Comparetti, 20169 Bonifacio, Tel.04 95 73 03 18, www.facebook.com/La-Caravelle

Le Voilier

Ebenfalls am Hafenkai findet ihr diese Genussadresse. Einfach köstlich, die Fischküche!
• 81 Quai Jérôme Comparetti, 20169 Bonifacio, Tel. 04 95 73 07 06, www.levoilier-bonifacio.com

Bonifacio: Pulpo, köstlich wie sinnlich präsentiert vom Restaurant Le Voilier direkt am Kai. Foto: Hilke Maunder
Bonifacio: Pulpo, köstlich wie sinnlich als gesunde Vorspeise – so serviert ihn das Restaurant Le Voilier direkt am Kai. Foto: Hilke Maunder

Einkaufen

La Boutique du Corailleur

Jean-Philippe Giordano gehört zu den wenigen autorisierten Korallenfischern, die die seltenen roten Edelkorallen im Mittelmeer ernten dürfen. Juweliere von Aphrodite Créations fertigen daraus schmuckvolle Unikate.
• 3, place Montepagano, Tel. 04 95 73 11 46, corail-rouge.com

Erleben

Bonifacio: Grottentörn. Foto: Hilke Maunder
Der beliebteste Ausflug von Bonifacio: ein kommentierter Grottentörn. Foto: Hilke Maunder

Grotten-Törn

Die Grotten und Höhlen, Klippen und Buchten der Steilküsten sind ebenso Ziel der Törns der Société des Promenade en Mer de Bonifacio (SMPB) wie die Lavezzi-Inseln.

Die Steilküste von Bonifacio. Foto: Hilke Maunder
Die Steilküste von Bonifacio gen Westen. Foto: Hilke Maunder

Minizug

Alle 30 Minuten startet der Minizug Petit Train Massimi zu 30-minütigen Rundfahrten durch die Altstadt und den Hafen.

Bonifacio: Wirtshausschild in der Oberstadt. Foto: Hilke Maunder
Wirtshausschild in der Oberstadt. Foto: Hilke Maunder

Schlafen

Hôtel Genovese

18 moderne, komfortable Zimmer, alle 22 – 30 qm groß, dazu ein Pool im Innenhof, der abends schön illuminiert wird, ein aufmerksamer Service und elegantes Understatement im Ambiente – das etwas andere Hotel in Bonifacio. Leider nicht ganz so günstig…
• Place de l’Europe, 20169 Bonifacio, Tel. 04 95 73 12 34, www.hotel-genovese.com

Hôtel Santateresa

Gediegenes Hotel an der Spitze der Halbinsel in der Oberstadt, 42 recht kleine Zimmer, einige mit Terrasse und Hafen- oder Meerblick.
• Quartier Saint-François, 20169 Bonifacio, Tel. 04 95 73 11 32www.hotel-santateresa.com

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Jenny Hoch: Gebrauchsanweisung für Korsika*

33 Sommer hatte Jenny Hoch auf der Insel verbracht. Doch erst, seitdem sie quasi lebt, wird sie langsam von den Einheimischen ins Herz geschlossen und integriert, erzählt die Journalistin und Buchautorin, die heute mit ihrer Familie die Tradition ihrer Eltern fortsetzt. Seit sie vier Jahre alt war, sei sie jedes Jahr auf Korsika gewesen, als Kind, als Teenager, als Erwachsene. Immer am selben Ort, immer glücklich, gerade dort zu sein. „Ich weiß, wo am Strand der Rutschfelsen ist, wie die Wellen sich brechen”, erzählte sich bei einer Lesung im Feriendorf zum Störrischen Esel.

Ihre  persönlichen Erfahrungen machen den Reiz dieses Bandes der insgesamt sehr zu empfehlenden  Taschenbuchreihe im Piper-Verlag aus. Jenny Hoch hat sie hintergründig wie humorvoll zu Papier gebracht. Dazu noch ein paar Daten und Fakten: ein perfekter Einstieg, um sich mit der Insel zu beschäftigen. Besser kann keine Reiseplanung beginnen! Wer mag, kann das Werk hier* online bestellen.

Zum Träumen: Das Haus auf Korsika*

Mit wenig Geld und Aufwand hat Pierre Duculot 2011 einen meiner Lieblingsfilme gedreht, die Geschichte eines Ausbruchs, Sich-Finden, die Rückkehr zu den Wurzeln. Und eine Geschichte des Mutes. Ausgelöst durch die Erbschaft eines Hauses, das Christina erbt.

Die Hauptfigur, fast 30, lebt seit zehn Jahren mit ihrem Freund zusammen, jobbt in der Pizzeria ihres Schwiegervaters, überlebt im belgischen Charleroi. Ein eigenes Leben nach ihren Vorstellungen? Das ist ein Luxus, den sie sich nicht leisten kann. Und mit der Erbschaft doch wagt. Sie macht auf den Weg in den Süden. Und verliebt sich – in die geerbte Bruchbude, die Insel, einen neuen Mann. Wer mag, kann den Film hier* online bestellen.

Marcus X. Schmid: Korsika*

Marcus X. Schmid, KorsikaDer freie Reisejournalist Marcus X. Schmid hat für alle, die gerne auf eigene Faust unterwegs sind, den besten Reisebegleiter verfasst: sachlich, mit viel Hintergrund, Insiderwissen und Tipps, und doch mitunter sehr unterhaltsam und humorvoll.

Ich kann seinen Führer aus ganzem Herzen empfehlen – er hat mich auf allen Erkunden nie im Stich gelassen und mir oft schöne, neue, unbekannte und überraschende Ecken gezeigt.

Der gebürtige Schweizer, Jahrgang 1950, hat in Basel, Erlangen und im damaligen Westberlin Germanistik, Komparatistik und Politologie studiert und lebt heute als Autor und Übersetzer in der französischsprachigen Schweiz. Ebenfalls im Michael-Müller-Verlag sind von Schmid die Reiseführer „Bretagne“ und „Südfrankreich“ erschienen sowie Führer zu italienischen Destinationen. Wer mag, kann den Reiseführer hier* online bestellen.

Baedeker Korsika

Hilek Maunder: Baedeker „Korsika“*

Mit blau lackierten Fingernägeln ordnet Madame auf dem Markt von Bastia in einem Bastkorb längliche Stangen. „Boutargues“, verrät das Schild. „Das ist echter korsischer Kaviar. Nur noch wenige Fischer entnehmen den Meeräschen den Rogen. Mein Mann ist einer davon.“

Die Rarität hat ihren Preis: 150 Euro das Kilo. Der Nachbar-Händler sieht das erstaunte Gesicht und hält ein Holzbrett hin: „Goûtez !“ Lasst euch mit meinem Baedeker Korsika* an Orten wie diesen (ver)führen. Genussmomente und einzigartige Erlebnisse: Sie machen den Band besonders. Wer mag, kann ihn hier* direkt bestellen.

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Die Zitadelle von Bonifacio thront über der Unterstadt am Hafen. Foto: Hilke Maunder
Die Zitadelle von Bonifacio thront über der Unterstadt am Hafen. Foto: Hilke Maunder
Bonifacio: Blick von der Oberstadt über Korsika gen Norden. Foto: Hilke Maunder
Blick von der Oberstadt über Korsika gen Norden. Foto: Hilke Maunder
Im Goulet von Bonifacio gibt es viele einsame Ankerplätze. Foto: Hilke Maunder
Im Goulet von Bonifacio gibt es viele einsame Ankerplätze. Foto: Hilke Maunder

4 Kommentare

  1. Sehr schöner Artikel zu Bonifacio mit tollen Bildern und Texten. Leider stimmt mich das Pulpo Vorspeisenbild etwas traurig seit ich die Oscar–prämierte Doku „Mein Lehrer, der Krake“ (My Octopus teacher) gesehen habe. Es wäre schön, wenn wir aufhörten immer alle Tiere zu essen.

      1. Viel Spaß beim Anschauen (a.u. auf Netflix) und viel Spaß bei allen weiteren Frankreich-Reisen 🙂

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