Der Aufstieg über die Treppe zur Basilika von Sacré-Cœur. Foto: Hilke Maunder
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Die 7 Hügel von Paris: Montmartre

Rom wurde auf sieben Hügeln erbaut – und so auch Paris. Warum nicht einmal sie alle besteigen, dachte ich mir und zog zum Auftakt in den Norden, hin zum berühmtesten Hügel der Hauptstadt. Bien sûr, ich weiß, Montmartre ist fürchterlich touristisch.

An der Place du Tertre wimmelt es nur von Taschendieben. Die Schnell-Portraitisten sind teure Schmierfinken. Die Butte Montmartre ist doch nur etwas für Asiaten und Amis, lebt vom Klischee seiner Legende. Mais non !

In der Rue Lepic hofft die Musikantin auf Umsatz mit den Besuchern von Montmartre. Foto: Hilke Maunder
In der Rue Lepic hofft die Musikantin auf Umsatz mit den Besuchern von Montmartre. Foto: Hilke Maunder

Sobald ihr diese touristischen Hotspots verlassen haben, findet ihr euch in einem noch recht dörflichen Paris wieder, das noch sehr liebenswerte Ecken bewahrt hat, mit Gamay und Pinot Noir in seinen Rebgärten. Im Rathaus des 18. Arrondissmenet wird der Wein zum Clos de Montmartre gekeltert und von den Weinbruderschaften in traditionellen Kostümen Volk und Politik präsentiert – ein süffiger Tafelwein, der beim Weinfest Anfang Oktober in Strömen fließt.

Angebaut wurde er bereits seit dem Mittelalter von den Nonnen des Benediktinerinnenkloster Saint-Pierre-de-Montmartre. 1794 wurde es dem  Erdboden gleichgemacht. Die Erinnerung bewahrt einzig die Place des Abbesses in ihrem Namen. Der Jugendstileingang zur mit 36 Metern tiefsten Metrostation von Paris gehört zu den letzten beiden überdachte Treppenabgängen von Hector Guimard, die es heute noch in Paris gibt.

Es ist einfach schön, durch die Rue Lepic zu spazieren und vorbeizuschlendern am Café Les 2 Moulins, das der Film Die zauberhafte Welt der Amélie* berühmt gemacht hat.Und ganz gemächlich den mit 130 Metern über Normalnull höchsten Hügel von Paris zu besteigen.

Die Basilika von Sacré-Cœur. Foto: Hilke Maunder
Die Basilika von Sacré-Cœur. Foto: Hilke Maunder

Mattweiß bekrönt ihn die Basilique du Sacré-Cœur de Montmartre mit Kuppeln und Türmchen und inspiriert die Fantasie. In der Dämmerung wirkt sie fast wie eine orientalische Moschee.

Errichtet wurde sie nach der Niederlage im Deutsch-Französischen Krieg von 1870/1871 und der blutigen Niederschlagung der Pariser Kommune 1871 als Zeichen der Sühne und der Buße. Romanik, Gotik und byzantinische Baukunst verschmilzt Paul Abadie in der Kirchenarchitektur – „Konditorkitsch“ schimpften Kritiker über den Stilmix.

Das größte Goldmosaik Frankreichs zeigt im Chor den wieder auferstandenen Christus, umgeben von Heiligen, Klerus und Ereignissen, die Frankreich mit dem heiligen Herzen verbinden. Steigt danach rund 300  Stufen hinauf zum wortwörtlichen Höhepunkt der Kirche empor: der Kuppel mit dem Panoramablick auf Paris.

Der Blick von der Butte Montmatre über Paris zur Tour de Montparnasse. Foto: Hilke Maunder
Der Blick von der Butte Montmatre über Paris zur Tour de Montparnasse. Foto: Hilke Maunder

Wer nicht die breite Freitreppe vorbei an fliegenden Händlern und Straßenkünstlern nehmen möchte, kann mit dem Schrägseilaufzug Funiculaire de Montmartre tgl. zwischen 6.45 und 0.45 Uhr von der Place Saint-Pierre hinauf zur Sacré-Cœur fahren und im Schatten von Sacré-Cœur einen ganzen Tag verbringen.

Mythos Montmartre: die Place du Tertre mit ihren Portraitisten. Foto: Hilke Maunder
Mythos Montmartre: die Place du Tertre mit ihren Portraitisten. Foto: Hilke Maunder

Niedrige Häuschen aus dem 18. Jh. bilden eine malerische Kulisse für den Touristenrummel, der das ganze Jahr auf Hochtouren läuft. Die Cafés und Restaurants, die den alten Dorfplatz einrahmen, sind teuer und überfüllt, die Werke der Maler Massenware.

Mythos Montmartre: die Place du Tertre mit ihren Portraitisten. Foto: Hilke Maunder
Es ist meist Glückssache auf der Place du Tertre von Montmartre, wie gut der Portraitierte getroffen wird. Foto: Hilke Maunder

Die schnellen Portraitisten haben keine festen Preise, unbedingt hartnäckig feilschen! Und achtet auf eure Wertsachen – Taschendiebe sind rund um den Platz sehr gewieft aktiv. Der Rummel auf dem Platz täuscht darüber hinweg, dass es noch immer auf der Butte eine spannende Kunstszene gibt. Und viel zu entdecken!

Die Portraitisten der Place du Tertre arbeiten nicht nur auf dem Platz, sondern auch an den angrenzenden Lokalen. Foto: Hilke Maunder
Die Portraitisten der Place du Tertre arbeiten nicht nur auf dem Platz, sondern auch an den angrenzenden Lokalen von Montmartre. Foto: Hilke Maunder

Aufregende aktuelle Kunst

Wie die Kadist Art Foundation, die zu den aufregendsten Galerien für Gegenwartskunst gehört. In der Rue des Trois Frères 19-21 unterstützt sie junge Künstler mit ihrem Artist in residence-Programm und zeigt aktuelle Kunst aller Sparten. Dort ausgestellt waren auch schon der Schweizer Olaf Breuning und die Leipzigerin Christiane Baumgartner.

Oder besucht die Halle Saint-Pierre, die Baltard 1868 mit Gusseisen, Ziegel und Glas an der Rue Ronsard 2 als Markthalle von Montmartre errichtete.

Auch Street Art gehört zur Butte de Montmartre. Foto: Hilke Maunder
Auch Street-Art gehört zur Butte Montmartre. Foto: Hilke Maunder

Heute birgt sie ein engagiertes Kulturzentrum mit Museum/Galerie, Hörsaal, Bibliothek und Café! Gezeigt werden Art Brut, Volkskunst und naive Kunst aus der Sammlung des ehemaligen Radrennfahrers Max Fourney.

Nur wenige Schritt von der Kunst entfernt liegt das Reich der Schneider: der marché Saint-Pierre, ein 3.500 Quadratmeter großer, siebenstöckiger Markt mit einer schier unendlichen Auswahl an Stoffen.

Die Halle Saint-Pierre bildet das Herz des Stoff- und Schneiderzentrums auf der Butte de Montmartre. Foto: Hilke Maunder
Die Halle Saint-Pierre bildet das Herz des Stoff- und Schneiderzentrums auf der Butte de Montmartre. Foto: Hilke Maunder

Berühmt: das Bateau Lavoir

Und schließlich auch das Bateau Lavoir an der stillen Place Émile Goudeau 13. Im Winter war es eisig, im Sommer ein Backofen. Und doch war die „unheimlich große Holzbaracke“ ein Ort, an den die Künstler später mit Wehmut zurückdachten.

Vor allem Pablo Picasso, der 1904 in der verwahrlosten einstigen Pianofabrik sein Atelier einrichtete, Gertrude Stein porträtierte und im Folgejahr mit den Demoiselles d’Avignon das Schlüsselwerk des Kubismus schuf.

Heizung und fließendes Wasser gab es zu jener Zeit nicht, an Elektrizität war gar nicht zu denken, man saß und schlief auf der einzigen Couch. Wer Picasso, Max Jacob oder Amedeo Modigliani in ihren Ateliers besuchte, brachte neben Wein stets Kerzen mit.  1970 zerstörte Feuer das Waschboot.  1978 wurde es mit 25 modernen Künstlerateliers und rekonstruierter historischer Fassade wieder aufgebaut.

Typisches Pariser Wohnhaus im Stil von Baron Haussmann - hier auf der Butte de Montmartre. Foto: Hilke Maunder
Typisches Pariser Wohnhaus im Stil von Baron Haussmann – hier auf der Butte de Montmartre. Foto: Hilke Maunder

Susanne Valadon: Muse und Malerin

Wo ihr heute das Musée de Montmartre und die Jardins Renoir findet, hatten einst Auguste Renoir und Raoul Dufy ihr Atelier.

Später zog Suzanne Valadon ein. Mit ihrem Sohn Maurice Utrillo (1883 – 1955) und ihrem Lebenspartner André Utter (1886 – 1948) bildete das Aktmodell das trio infernal der Butte de Montmartre.

Anfangs vor allem berühmt für ihre vielen Liebschaften mit Künstlern des Viertels, entwickelte sich Susanne Valadon als Autodidaktin und Schülerin von Degas so auch zu einer viel beachteten Malerin.

Der Blick von der Butte Montmartre nach Norden. Foto: Hilke Maunder
Der Blick von der Butte Montmartre nach Norden. Foto: Hilke Maunder

Ihr Anwesen erinnert heute als Museum mit Bildern, Plakaten und Fotografien an die Künstlerkolonie Montmartre. Bewundert dort auch das originale Lapin-Agile-Schild, Plakatentwürfe von Théophile Steinlen für das Kabarett Le Chat Noir und Milieustudien von Francisque Poulbot.

Birnen- und Mandelbäumen, Fliederbüsche, Kletterhortensien und blühende Rosen schmücken den Garten. Nach den Gemälden von Renoir wurde er 2012 originalgetreu wieder angelegt.

Hommage an Dalí

1929 kam der junge Dalí nach Paris, wo er Elena Dmitrievna Diakonova kennenlernt, seine Frau und Muse. Als Gala wurde sie weltberühmt.

Mehr über den spanischen Meister des Surrealismus, den so exzentrischen wie kreativen Künstler Salvador Dalí, verrät die seit 2018 mit mehr als 300 Werken Dalí Paris.

ieses Lokal von Montmartre erinnert bereits mit seinem Namen an die Weinberge der <em>butte</em>. Foto: Hilke Maunder
Dieses Lokal von Montmartre erinnert bereits mit seinem Namen an die Weinberge der butte. Foto: Hilke Maunder

Jour fixe bei Ary Scheffer

Wilder Wein und Glyzinien umranken die mondäne Villa der Restaurationszeit, die dem Maler Ary Scheffer (1795 – 1858) als Atelier diente. Jeden Freitag öffnete der Portraitmaler der Prominenz der Julimonarchie zum jour fixe. Zum regelmäßigen Austausch kamen Freunde und Kollegen wie Alexandre Dumas, Franz Liszt und Turgenjew.

Unter den Gästen waren auch George Sand und Frédéric Chopin, die beide am Square d’Orléans in getrennten Wohnungen lebten – und sich nachts liebten.

Legendäre Lokale

Eine Institution der Butte Montmartre: la mère Catherine. Foto: Hilke Maunder
Eine Institution der Butte Montmartre: la mère Catherine. Foto: Hilke Maunder

Zum Lapin Agile (flinkes Kaninchen) pilgerten um 1900 alle, um Aristide Bruant und seinen Freund Frédéric Gerard, Père Frédé genannt, zu hören.

Jene begeisterten dort ihr Publikum mit Dirnenliedern und anderen geistreichen, freizügig-frechen Dichtungen. Auch heute noch werden im Kabarett an der steilen Rue des Saules 22 Chansons vorgetragen. Erlebt sie bei einer soirée spectacle beim Glas Wein!

Das Café Le Consulat diente Van Gogh als Vorbild für sein berühmtes Gemälde La Guinguette. Auch Picasso, Monet und Toulouse-Lautrec haben dort so manches Glas Wein geleert.

Berühmte Mühle

Kunterbunt an der frischen Luft: eine Caféterrasse an der Rue Paul Aubert. Foto: Hilke Maunder
Kunterbunt an der frischen Luft: eine Caféterrasse an der Rue Paul Aubert. Foto: Hilke Maunder

Viel gefeiert wurde einst auch in der Moulin de la Galette. Die berühmte Mühle, deren Tanzboden für fröhliche Feste Renoir verewigt hat, ist heute eine Privatwohnung.

Ihre ruhmreiche Vergangenheit nutzt Roger Heereah in der benachbarten Moulin Badet an der Rue Lepic 83 und hat sein Restaurant Le Moulin de la Galette getauft.

Dort serviert er heute französische Spezialitäten wie bœuf bourgignon und blanquette de veau. Und freut sich, dass kaum ein Gast merkt, dass er in der falschen Mühle sitzt.

Legendäre Fotografen

1947 gründete Henri Cartier-Bresson, Robert Capa, David Seymour und George Rodger die Foto(grafen)agentur Magnum. Doch erst seit 2009 hat die Legende ihr eigenes Schaufenster in der Stadt: die Magnum Gallery.

Nicht mehr in Saint-Germain-des-Prés, sondern auf der Butte Montmartre zeigt sie jährlich Werkschauen ihrer Vertragsfotografen, darunter Martin Parr, Lisa Sarfati, Marc Riboud und Antoine d’Agata.

Der Künstlerfriedhof

Über  den Haupteingang der Cimetière de Montmartre an der Avenue Rachel kommt zu den Prominentengräbern des drittgrößten Pariser Friedhofs – hier ruhen der Schriftsteller Heinrich Heine, der Maler Edgar Degas, der Komponist Jacques Offenbach, der russische Tänzer Nijinskij, die Sängerin Dalida und der Filmregisseur François Truffaut.

Mein liebster stiller Ort auf der Butte Montmartre ist jedoch der Jardin Sauvage Saint-Vincent. Efeuüberwachsene Felsen, Treppenwege, ein kleiner Teich und eine erstaunliche Vielfalt an Blüten und Bäumen prägen den anderthalb Hektar großen „wilden Garten“ und machen ihn zu einer verwunschene Oase der Natur inmitten der Großstadt.

Moulin Rouge, Ikone von Montmartre. Foto: Hilke Maunder
Moulin Rouge, Ikone von Montmartre. Foto: Hilke Maunder

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Alle meine Paris-Beiträge sind in dieser Kategorie vereint.

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Nicolas Bareau, Liebesbriefe von MontmartreNicolas Barreau, Die Liebesbriefe von Montmartre*

Der junge Schriftsteller Julien Azaulay und Vater eines vierjährigen Sohnes verliert seine Frau. Am Totenbett nimmt ihm seine Frau das Versprechen ab, dass Julien ihr für jedes ihrer Lebensjahre einen Brief schreibt. 33 Jahre alt ist Hélène geworden.

Doch anfangs ist die Trauer zu schwer, das Schreiben unmöglich. Monatelang. Doch dann greift er schließlich zu Feder, schreibt – und fühlt sich seiner verstorbenen Liebe Hélène wieder nahe.

Doch eines Tages verschwinden seine Briefe aus dem Geheimfach am Grab, und Julien erhält Antworten. Ein Gedicht von Prévert, Kinokarten für Orphée, ein kleines Herz aus Stein, eine Blume. Wer ist die Unbekannte, die sich in ihn verliebt hat?

Seine 33 Briefe erzählen seine Reise zurück ins Leben. Eine bezaubernde Liebesgeschichte, in einfachen Worten, aber gerade dadurch sehr einfühlsam und berührend erzählt von Nicolas Barreau. Kennt ihr nicht?  Sein Roman „Das Lächeln der Frauen“ war in Deutschland mit weit über einer Million verkauften Exemplaren der Jahresbestseller 2012. Wer mag, kann hier* den Roman online bestellen.

Baedeker Paris 2018

Meinen Baedeker „Paris“*  gibt es seit 4. Oktober 2023 in der komplett aktualisierten und mittlerweile 20. Auflage!

„Tango unter freiem Himmel: Die Stadt der Liebe: Der neue Reiseführer ‚Paris‘ zeigt – neben Sehenswürdigkeiten – besondere Orte für Höhenflüge, romantische Momente wie ‚Tango unter freiem Himmel‘ und unvergessliche Dinners. Dazu gibt’s viele Kulturtipps…“  schrieb die Hamburger Morgenpost über meinen Paris-Führer.

Zu den Fakten, unterhaltsamer präsentiert, gibt es jetzt auch Anekdoten und Ungewöhnliches, was ihr nur im Baedeker findet. Und natürlich ganz besondere Augenblicke und Erlebnisse, die euren Paris-Aufenthalt einzigartig und unvergesslich machen. Wer mag, kann meinen Paris-Reiseführer hier* bestellen.

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Moulin Rouge, Ikone von Montmartre. Foto: Hilke Maunder
Moulin Rouge, Ikone von Montmartre. Foto: Hilke Maunder

3 Kommentare

  1. Liebe Hilke,

    heute kam der Baedeker PARIS bei uns an, den wir natürlich über deinen Link bestellt haben. Er wird uns am Samstag in die Stadt der Liebe begleiten.

    Eigentlich braucht man keine Printversion mehr, wenn man deinen Newsletter abonniert hat und regelmäßig auf deiner Seite surft.

    Ich danke dir für viele, kurzweilige Stunden.

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