Carreletswerden die Fischerhütten auf Stelzen genannt - und auch pêcheries. Diese hier steht in Pornic. Foto: Hilke Maunder
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Carrelets: Fischerhütten auf Stelzen

Les Carrelets: Sie sind die Hingucker an der Atlantikküste von Frankreich zwischen den Mündungen der Loire und der Gironde. Es sind die Domizile von Fischern, die dort so seit Jahrhunderten angeln und fischen.

Ein langer Holzsteg führt vom Strand oder der Klippe hin zu ihnen. Ein großes Fenster Richtung Meer, ein quadratisches Netz, das in die Fluten gesenkt wird, und ein paar Taue, um die hölzerne Hütte im Meer gegen die Kraft der Wellen abzusichern.

Wahrzeichen der Westküste

Carrelets an der Baie de Bourgneuf. Dicht an dicht stehen dort die Fischerhütten auf Stelzen. Foto: Hilke Maunder
Carrelets an der Baie de Bourgneuf. Dicht an dicht stehen dort die Fischerhütten auf Stelzen. Foto: Hilke Maunder

Stundenlang könnte ich sie aus immer neuen Blickwinkeln fotografieren. Filigran hocken sie auf Stelzen über den Fluten des Atlantiks an der Westküste von Frankreich – an der Mündung der Loire wie in der Baie de Bourgneuf oder in Pornic. Aber auch entlang der Klippenküste der Vendée und an den Steilhängen der Gironde-Mündung könnt ihr sie finden.

Bislang kannte ich derartige Konstruktionen nur aus Italien – in Apulien als trabucchi, in der Emilia Romagna als padelloni oder bilancioni. Auch im fernen Indien wird im Bundesstaat Kerala wird bei Cochin so gefischt. Dass auch in Frankreich solche cabanes de pêcheurs seit Jahrhunderten zum Einsatz kommen, habe ich erst an Frankreichs Westküste erfahren.

❤ Carrelets-Spotting: meine Top 5 im Département Gironde

    • Talais
    • Saint-Vivien-de-Médoc
    • Valeyrac
    • Phare Richard
    • Jau-Dignac-et-Loirac

Fischerhütten: typisch am Atlantik

Ein carrelet steht direkt am Leuchtturm von Richard. Foto: Hilke Maunder
Ein carrelet steht direkt am Leuchtturm von Richard. Foto: Hilke Maunder

Les Carrelets heißen sie an den Küsten  des Départements Charente-Maritime und an der Gironde-Mündung, wo sie noch hoch begehrt sind. Mehr als 400 sind es allein an der Küste des Départements Charente-Maritime.

Seit 2018 gehören sie dort offiziell zum Kulturerbe. Da die Fundamente der carrelets sich unter Wasser befinden, gehören diese Hütten zum öffentlichen Meeresgrund – und es ist der Staat, der über ihre Zuweisung entscheidet. Die Betriebsgenehmigungen, die er den Eigentümern erteilt, müssen alle fünf Jahre erneuert werden. Viele dieser Fischerhütten werden von Generation zu Generation weitergegeben.

❤ Carrelets-Spotting: meine Top 5 im Département Charente-Marente

    • Saint-Palais-sur-Mer
    • L’île Madame
    • Fouras-les-Bains
    • Talmont-sur-Gironde
    • Meschers-sur-Gironde

Carrelets & pêcheries

In der Vendée werden diese traditionellen Angelhütten immer weniger genutzt. Im Département Loire-Atlantique heißen die Hütten pêcheries – und nur das Netz carrelet. Am 12. Februar 2021 nahm das französische Kultusministerium die Fischerei mit dem carrelet und die dafür konstruierten Bauten in die Liste des nationalen immateriellen Kulturerbes auf.

Saint-Nazaire: Alte Mole, Leuchtturm. Foto: Hilke Maunder
Morgenstimmung am Leuchtturm der Alten Mole. Foto: Hilke Maunder

❤ Carrelets-Spotting: meine Top 5 im Département Vendée

    • Le Maro, Port des Champs
    • Bouin: Le Port du Bec
    • L’Île de Noirmoutier
    • Küste bei Pornic
    • Baie de Bourgneuf an der Grenze der Departements Loire-Atlantique und Vendée

Die Pêche aux carrelets

Auch vor den Klippen von Meschers-sur-Gironde findet ihr die <em>carrelet</em>-Fischerhütten. Foto: Hilke Maunder
Auch vor den Klippen von Meschers-sur-Gironde findet ihr die carrelet-Fischerhütten. Foto: Hilke Maunder

Zum Namensgeber der Fischerhütten wurden die quadratischen Netze, mit denen von diesen Pfahlbauten aus gefischt wird. Mit einer Winde wird das Netz hinab ins Meer gelassen und wieder hinaufgezogen. Beim Hinaufziehen sorgt ein Flaschenzug dafür, dass das Seil horizontal sich schließt und der Fang nicht entwischen kann.

❤ Carrelets-Spotting: meine Top 5 im Département Loire-Atlantique

    • Saint-Nazaire: Loire-Brücke und Alte Mole
    • Côte de Jade mit rund 160 pêcheries
    • Küste bei Pornic
    • La Barre-de-Monts
    • Saint-Brévin-les-Pins

Insider-Tipp

Die carrelets der Baie de Bourgneuf. Foto. Hilke Maunder
Die carrelets der Baie de Bourgneuf. Foto. Hilke Maunder

Von Juni bis September organisiert die Association des pêcheries sud estuaire (Fischereiverein Südmündung) von Saint-Brévin-les-Pins mit ihren Mitgliedern und Eigentümern geführte Besichtigungen. Dort könnt ihr mehr über diese Art des Fischfangs und seine Geschichte sowie die Fische, die gefangen werden können, erfahren.

Gefischt wird stets bei auflaufender Flut und immer dort, wo das Meer noch recht flach ist. Der Köder wird in die Mitte des Netzes gelegt. Die Kunst besteht nun darin, das Netz so zu bewegen, dass Seezungen, Meeräschen, Böcke, Schollen, Krabben, Garnelen und Aale angelockt werden. Das erfordert nicht nur Übung, sondern auch viel Geduld.  Am besten könnt ihr zwischen März und Oktober bei einer solchen Fischerei zuschauen.

Stürmische Zeiten

Sind sie nicht wunderschön, die carrelets - hier an der Baie de Bourgneuf. Foto: Hilke Maunder
Sind sie nicht wunderschön, die carrelets – hier an der Baie de Bourgneuf. Foto: Hilke Maunder

1999 zerstörte ein großer Sturm 600 dieser traditionsreichen Fischereieinrichtungen. Nur 450 durften als „Bauwerke in der See“ wieder hergestellt werden. Doch kaum standen sie, demolierte sie Xynthia sie am 26. Februar 2010 erneut. Heute schwanken die Bestandszahlen. Mal ist von 400 carrelets die Rede, dann von nur noch 200.

Neue Nutzungen

Auch in Royan säumen die carrelets die Küste. Dort sind sie beliebte Mini-Oasen von Großstädtern, die sie aufgekauft und saniert haben. Ihre neue Nutzung: Freizeit. Vögel beobachten. Lesen in aller Ruhe. Und Sonnenbalkon für den abendlichen Apéro zum Sonnenuntergang.

La Route des Pêcheries

Früher Fischerhütte, heute Freizeitoase: die carrelets von Royan. Foto: Hilke Maunder
Früher Fischerhütte, heute Freizeitoase: die carrelets von Royan. Foto: Hilke Maunder

2013 rief der Verein Territoires Imaginaires in Pornic La Nuit des pêcheries ins Leben: die Nacht der Fischerhütten. Ihre Initialzündung fand Nachahmer – und führte zur Gründung der Route des Pêcheries.  Sie ist keine Themenroute, sondern eine in Frankreich einzigartige Veranstaltung, die sich der künstlerischen und poetischen Aufwertung dieser Meeres- und Mündungslandschaft widmet.

Diese Wanderveranstaltung findet im August und September über mehrere Wochen in verschiedenen Gemeinden der Départements Loire-Atlantique, Vendée und Gironde statt. Die carrelets werden subtil poetisch beleuchtet. Klang- und Musikinstallation setzen sie in Szene.

Die Carrelets der Westküste: meine Reisetipps

Ansehen

In Les Moutiers-en-Retz könnt ihr die Fischerhütten an den Stränden von Lancastria bis zum Port du Collet während der Journée du Patrimoine im September besichtigen.

Schlafen in carrelets

Le Manoir de l’Espérance

In Corsept, einer Gemeinde mit 37 Fischerhäusern an der Loire, wandelte sich ein traditionelles Fischerhaus inmitten von Strandkiefern in die schönste Schlafstelle des Manoir de l’Espérance. Nur drei Kilometer von der Fernradroute Vélodyssée entfernt, könnt ihr dort zu viert übernachten. Weitere Betten gibt es im Haupthaus. Es trägt das Gütesiegel Accueil Vélo, das auf radlerfreundliche Unterkünfte hinweist.
• L’Espérance, 44560 Corsept, Tel. 02 40 39 60 89, www.manoirdelesperance.fr

Sonnenuntergang vor den carrelets von Meschers an der Gironde. Foto: Hilke Maunder
Sonnenuntergang vor den carrelets von Meschers an der Gironde. Foto: Hilke Maunder

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Saint-Brévin-les-Pins: die Fischerhütten an der Loire-Mündung. Foto: Hilke Maunder Saint-Brévin-les-Pins: zeitlose Kontraste. Foto: Hilke Maunder

4 Kommentare

  1. Liebe Hilke
    Danke für die tollen Bilder! Ich liebe diese Fischerhütten. Und auch wenn ich schon viele gesehen habe – sie sind jedes Mal wieder einen Stopp wert.

  2. Hallo Hilke,
    zunächst herzlichen Dank für deine tolle, hilfreiche Seite.
    Ich habe schon einmal erlebt, wie diese Fischerhütten betrieben werden und gesehen, was da gefangen wird. Während der Flut werden kleine Fische, ähnlich den Anchovis, in Frankreich sind das die Éperlan (eine kleine Stintart), gefangen.
    Das geht so: Das viereckige Netz wird auf den Grund herabgelassen, dann wird mit einem Mehl-Wasser-Gewürz Gemisch, jeder Fischer hat sein Geheimrezept, angefüttert, ein paar Minuten gewartet und dann wird das Netz möglichst schnell aus dem Wasser hochgezogen. Das geschieht mittels einer Kurbel im Handbetrieb.
    Wenn man Glück hat, sind dann Hunderte von diesen Éperlan im Netz.
    Die werden ausgenommen, mehliert, gesalzen und frittiert. Das nennt sich dann „friture d’éperlan“ und wird mit einem Knoblauch-Dip serviert – köstlich. Dazu ein Muscadet sur lie aus der Gegend von Nantes – perfekt. Wir haben diese Fischchen während eines Urlaubs in Saint Brevin les Pins selbst gefangen.
    Viele Grüße
    Heinz Bruns Rhede/NRW

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