So geht ihr das Burgschloss, wenn ihr euch dem Château de Bonaguil auf der D 158 nähert. Foto: Hilke Maunder

Château de Bonaguil: eine Festung gegen die Zeit

Das Château de Bonaguil ist eine der beeindruckendsten und am besten erhaltenen mittelalterlichen Festungen Frankreichs. Es liegt in der Gemeinde Saint-Front-sur-Lémance im Département Lot-et-Garonne, an der Grenze zwischen Périgord und Quercy, und gehört heute der Stadt Fumel.

Die Départementsstraße D 158 windet sich durch die sanften Hügel zwischen dem Périgord und dem Quercy, als sich plötzlich ein Koloss aus honigfarbenem Stein vor dem Himmel über einer Handvoll von Häusern im Tal des Ruisseau de Bonaguil aufbäumt. Das Château de Bonaguil thront auf seinem Felssporn wie ein steinerner Gigant, der die Jahrhunderte überdauert hat. Sieben Türme recken sich in den Himmel. Massive Mauern umschließen eine Anlage, die so gewaltig wirkt, als könnte sie eine ganze Armee verschlucken.

Ein Anachronismus aus Stein

Doch dieser Anblick täuscht über eine historische Ironie hinweg: Das Château de Bonaguil ist eine der letzten großen Burgen Europas – und war schon bei ihrer Vollendung ein Anachronismus. Als Bérenger de Roquefeuil 1493 mit dem Ausbau der Burg begann, die Arnaud La Tour de Fumel im 13. Jahrhundert begründet hatte, eroberten Kanonen bereits die Schlachtfelder. 17 Jahre später, 1510, stand sein Meisterwerk fertig da: eine perfekte mittelalterliche Festung in einer Welt, die längst andere Wege der Kriegsführung eingeschlagen hatte.

Der Seigneur de Roquefeuil verschwendete ein Vermögen für seinen Traum aus Stein. Er ließ die ursprüngliche Burg des 13. Jahrhunderts von Arnaud La Tour de Fumel radikal umbauen und schuf dabei eine der raffiniertesten Verteidigungsanlagen ihrer Zeit. Schießscharten für Feuerwaffen, Kanonenstellungen, ein ausgeklügeltes System aus Barbakanen und Zugbrücken – das Château de Bonaguil vereint mittelalterliche Baukunst mit Renaissance-Militärtechnik.

Festung ohne Schlacht

Die größte Besonderheit von Bonaguil: Diese Kriegsmaschine aus Stein sah nie einen Krieg. Keine Belagerung, keine Eroberung, keine Zerstörung durch Feinde. Die Burg blieb unberührt von den Schlachten, für die sie konzipiert war. Erst die Französische Revolution brachte Plünderung und teilweise Zerstörung – durch Bürger, nicht durch Soldaten.

Diese paradoxe Geschichte macht das Château de Bonaguil heute zu einem einzigartigen Zeitzeugnis. Besucher wandeln durch eine mittelalterliche Festung, die ihre ursprüngliche Struktur fast vollständig bewahrt hat. Der 35 Meter hohe Donjon dominiert noch immer die Anlage und eröffnet weite Ausblicke über das Tal und die waldreiche, hügelige Umgebung. Wehrgänge führen um die gesamte Burg, und der bis zu sieben Meter tiefe und zehn Meter breite Wehrgraben schneidet wie eine Narbe durch den Fels.

Geheimnisse unter dem Stein

In den Tiefen der Festung verschmelzen Architektur und Natur auf außergewöhnliche Weise. Eine natürliche Grotte im Felsen wurde geschickt in das Verteidigungssystem integriert. Hier, in den unterirdischen Gängen, nähren sich die Legenden: Schatzkammern soll Bérenger de Roquefeuil hier im Château de Bonaguil versteckt haben, Fluchttunnel ins Umland gegraben. Gefunden wurde nie etwas – was die Geschichten nur noch hartnäckiger macht.

Die Volkssagen sprechen von einem verfluchten Baumeister, dessen Geist durch die Ruinen wandelt, und von einer geheimnisvollen Frau, die einen Schutzzauber über die Burg gelegt haben soll. Aberglauben? Vielleicht. Doch das Château de Bonaguil blieb tatsächlich unbesiegbar – nicht durch Magie, sondern durch den Wandel der Zeit.

Renaissance-Luxus hinter Festungsmauern

Im 18. Jahrhundert verwandelte Marguerite de Fumel das kriegerische Bollwerk in eine Wohnresidenz. Sie ließ im Süden der Anlage, außerhalb der inneren Ringmauer, neue Appartements errichten – lichtdurchflutet und komfortabel, ein Gegensatz zu den düsteren Wehrkammern. Die westliche Wehrmauer verschwand, an ihrer Stelle entstand eine große Terrasse. Hier flanierte die Gesellschaft und blickte ins Tal, während in den umgestalteten mittelalterlichen Sälen Feste und Empfänge stattfanden.

Marguerite de Fumel öffnete die Festung zur Landschaft hin. Teile der alten Mauern fielen dem Komfort zum Opfer, Licht und Aussicht gewannen Vorrang vor Verteidigung. Die großzügige Küche und die Kapelle wurden den Bedürfnissen einer adeligen Hausherrin angepasst, die regelmäßig Gäste empfing. Aus der unbesiegbaren Festung wurde ein gesellschaftlicher Treffpunkt.

Heute gehört das Château de Bonaguil der Stadt Fumel. Seit 1862 steht es unter Denkmalschutz, ein monument historique von außergewöhnlicher Bedeutung. Es ist nicht nur eine der besterhaltenen Festungen Frankreichs, sondern auch ein steinernes Zeugnis menschlicher Hartnäckigkeit: der Versuch, mit den Mitteln der Vergangenheit die Zukunft zu bezwingen.

Château de Bonaguil: meine Reisetipps

Schlemmen und genießen

Restaurant Les Bons Enfants

Annick und Francis haben am Fuße des Château de Bonaguil eine alte Mühle renoviert und servieren auf der großen Terrasse und drinnen im Ambiente von Holz und Stein eine ehrliche cuisine du terroir. Für den Nachwuchs gibt es einen kleinen Spielplatz am Restaurant.
• 47500 Saint-Front-sur-Lémance, Tel. 05 53 71 23 52, www.lesbonsenfants-bonaguil.net

Momento Café

Auf dem Weg nach Bonaguil kommt ihr durch Fumel. Dort möchte ich euch ein ganz ungewöhnliches Café ans Herz legen. Hier erfahrt ihr mehr.
• 2, rue de la République, 47500 Fumel, Tel. 07 80 48 22 31, auf Instagram zu finden

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