Die Skulptur Horse and rider (2014) von Charles Ray schmückt 2022 den Eingang der Collection Pinault.
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Die Collection Pinault von Paris

Erst ging Pinault nach Venedig. Dort holte er einen japanischen Architekten mit ins Boot und verwandelte den Palazzo Grassi und das einstige Zollamt Punta della Dogana an der Spitze der Giudecca-Insel von Venedig in Zentren der Gegenwartskunst: François Pinault.

Nun hat der Luxusmagnat mit seinem japanischen Hausarchitekten Tadao Andō in Paris von 2017 bis 2021 ein weiteres historisches Juwel zum Mekka der Kunst verwandelt.

Für Tadao Andō war der Umbau das erste Bau-Projekt in Frankreich. 2018 war er Schirmherr der Japonismes gewesen, ebenso gab es damals die erste große Retrospektive des Pritzker-Preiseträgers im Centre Pompidou.

Die Bourse de Commerce im Hallenviertel birgt ab 2019 die Kunstsammlung der Collection Pinault. Foto: Hilke Maunder
Die Bourse de Commerce im Hallenviertel birgt seit 2021 die Kunstsammlung der Collection Pinault. Foto: Hilke Maunder

Kunst in der Börse

Die Bourse de Commerce zeugt von vier Jahrhunderten architektonischer und technischer Meisterleistungen. Sie vereint die erste frei stehende Säule von Paris, die im 16. Jahrhundert für die Residenz von Katharina von Medici errichtet wurde, mit den Überresten einer Getreidebörse mit einem beeindruckenden runden Boden aus dem 18. Jahrhundert.

2020 war der Umbau der Warenbörse in ein imposantes Privatmuseum  abgeschlossen. Doch die Pandemie verhinderte immer wieder die Eröffnung der Collection Pinault in der einstigen Bourse de Commerce des Hallenviertels. Erst Ende Mai 2021 konnte Pinaults persönliche Sammlung moderner und zeitgenössischer Kunst im Zentrum von Paris eröffnen.

Die sanierte Bourse du Commerce mit dem Haupteingang der Collection Pinault beim Säulenportiko. Foto: Hilke Maunder
Die sanierte Bourse de Commerce mit dem Haupteingang der Collection Pinault beim Säulenportiko. Foto: Hilke Maunder

Architektonische Kontraste

Der Rundbau der einstigen Getreidebörse setzt mit seinem neoklassizistischen Äußeren einen markanten Gegenpol zu La Canopée, dem revitalisierten Verkehrsknoten von Le Châtelet-Les Halles mit seinem geschwungenen Dach.

Zwischen den beiden Architekturikonen erstreckt sich der vor einigen Jahren neu angelegte Jardin Nelson Mandela. Mit der Einweihung der Sammlung wurde der nächste Meilenstein der jahrzehntelangen Sanierung des Hallenviertels vollendet.

Foto: Hilke Maunder
Foto: Hilke Maunder

Der Rundbau zwischen den Nummern 40 und 42 der Rue du Louvre war zuletzt Sitz der regionalen Handelskammer und damit Gastgeber für eine Vielzahl von Messen, Konferenzen und anderen Veranstaltungen.

Millionenschwerer Umbau

108 Millionen Euro investierte Pinault in den Umbau und erhielt dafür 50 Jahre Mietgarantie für seine Collection Pinault. Die Stadt Paris freut sich über jährliche Mieteinnahmen von rund sechs Millionen Euro.

Sketch von Tadao Ando. ©Tadao Ando. Courtesy Collection Pinault – Paris.

Die Seele berühren

Von außen verrät wenig, wie sehr sich das Innere verändert hat für das Museum. Für Nicolas Le Camus de Mézières, der vor mehr als 250 Jahren den Bau in Anlehnung an das Pariser Pantheon entwarf, galt die Maxime: „Es genügt nicht, den Augen zu gefallen, man muss die Seele berühren“.

Der Umlauf im Erdgeschoss mit dem Betonzylinder, an dem eine Treppenrampe nach oben führt. Foto: Hilke Maunder
Der Umlauf im Erdgeschoss mit dem Betonzylinder, an dem eine Treppenrampe nach oben führt. Foto: Hilke Maunder

1977 beschrieb Ando seine Architektur ganz ähnlich als „einen fundamental emotionalen Raum“. Bei der Renovierung wollte er den vielen historischen Schichten des Gebäudes ein neues Leben einhauchen.

Foto: Hilke Maunder
Foto: Hilke Maunder

Dazu erhielt es einen neuen Kern aus Beton: einen Zylinder, der das vorhandene Volumen des Raumes stört und neue Möglichkeiten eröffnet, sich darin zu bewegen. Als neues Herz verbindet er zwei Wände – und zwei Epochen.

Um diesen Zylinder führt als große Spirale eine Rampe vom Untergeschoss mit dem neuen Auditorium vorbei an den Ausstellungsflächen hinauf in den dritten Stock.

Die Kuppel der einstigen Getreidebörse. Foto: Hilke Maunder
Die Kuppel der einstigen Getreidebörse. Foto: Hilke Maunder

Neue Ausblicke auf Paris

Dort endet euer Besuch mit der grandiosen Aussicht auf das  Innere des Gebäudes, sein Oberlicht und seine Fresken. Die eindrucksvolle Kuppel aus Gusseisen erhielt die einstige Getreidemarkthalle bei einem Umbau im Jahr 1812/3. Ihr Architekt Bélanger war einer der ersten, der sich an solch riesigen Kuppeln wagte.

Sketch von Tadao Ando. ©Tadao Ando. Courtesy Collection Pinault – Paris.

Ihm zur Seite stand ein Schüler aus Köln, der später an der Gare du Nord eine ebenfalls imposante Dachkonstruktion aus Gusseisen schaffen sollte: Jakob-Ignaz Hittorf.

Zurück geht es auf dem gleichen Weg. Oder über die Doppelwendeltreppe, das als Überbleibsel aus der Vergangenheit des Gebäudes an die einstige Halle au Blé erinnert.

Schloss Chambord war Vorbild für die Treppe in Form einer Doppelhelix. Foto: Hilke Maunder
Schloss Chambord war Vorbild für die Treppe in Form einer Doppelhelix. Foto: Hilke Maunder

Spirituelle Architektur

Das Bewusstsein um die Vergänglichkeit der Dinge und ihre Zerbrechlichkeit, dase in der shintoistischen Tradition sehr präsent ist, prägt die Arbeit von  Tadao Andō. Frédéric Migayrou kuratierte 2018 die Ausstellung Tadao Ando, le défi im Centre Pompidou. Er sagte damals über Tadao Andō:

Er ist ein Architekt, der seine eigene Sprache erfindet. Er wird bei der Bourse de Coummerce die Sprache von Le Corbusier in einer Beziehung zur japanischen Tradition neu erfinden.

Frédéric Migayrou hat recht behalten. Der von Andō geschaffene Dialog zwischen der Architektur und ihrem Kontext, zwischen dem Erbe und dem zeitgenössischen Schaffen, zwischen der Vergangenheit und der Gegenwart, zwischen der Sammlung und dem Besucher ist beeindruckend.

Foto: Hilke Maunder
In den 24 Vitrinen des Umlaufs im Erdgeschoss, die 1889 für die Pariser Weltausstellung geschaffen worden waren, zeigte die Collection Pinault 2022 Bertrand Lavier. Hier: Le Christos von Lavier. Foto: Hilke Maunder

Intim & monumental

In Paris werden mehr als 3000 Kunstwerke gezeigt. Die rund  3000 Quadratmeter große Ausstellungsfläche besteht dabei aus mehreren Modulen von 100 bis 600 Quadratmetern, die je nach Ausstellung unabhängig voneinander oder kombiniert genutzt werden können.

Dank ihrer flexiblen Größe schaffen sie mal intime Räume, dann wieder Hallen für monumentale Arbeiten. Große Installationen, Malerei, Skulptur, Video oder Fotografie: Alle Genres werden in seiner Pariser Sammlung  gezeigt.

Gerne zeigt Pinault dort auch kontroverse Künstler wie Nobuyoshi Araki, dessen Aktfotografie in seiner Heimat als obszön gilt und dort mit einem schwarzen Balken zensiert wird. Paris zeigte in der Galerie 3 der Handelsbörse die Serie Shi Nikki (Privates Tagebuch) für Robert Frank (1993) des japanischen Fotografen.

Von der Rampe, die sich im Innern hinauf windet, eröffnen sich immer wieder neue Ausblicke auf die Sammlung. Foto: Hilke Maunder
Von der Rampe, die sich im Innern hinauf windet, eröffnen sich immer wieder neue Ausblicke auf die Sammlung. Foto: Hilke Maunder

Ein Auditorium mit 300 Plätzen für Konferenzen, Symposien, Vorführungen, Konzerte und  eine Black Box für die Präsentation von Videoinstallationen, Performances und experimentelle Formen ergänzen die Ausstellungsräume.

Foto: Hilke Maunder
Foto: Hilke Maunder

Einfach Kunst: die Küche der Bras

Auch kulinarisch zeigt die Collection Pinault allerbeste Kunstfertigkeit. Für die Küche zeichnet das Vater-Sohn-Gespann Michel und Sébastien Bras aus dem Aveyron verantwortlich. 2017 hatte Sébastien Bras Schlagzeilen gemacht, als der damals 46-Jährige seine Sterne zurückgab, um wieder stress- und sorgenfrei kochen zu können.

Fast 20 Jahren lang hatte Michelin das Gourmetrestaurant Le Suquet in Laguiole mit drei Sternen bedacht. 1999 hatte der Vater diese Auszeichnung ins Aubrac geholt.

Foto: Hilke Maunder
Foto: Hilke Maunder

Bei der Eröffnung ihres Café Bras im Musée Pierre Soulages von Rodez haben beide betont, was ihnen heute beim Kochen wichtig ist: eine einfache Küche, die ihre Wurzeln in der Region hat.

Doch auch die Tradition ist in ständiger Bewegung, sie bewegt sich vorwärts, sie verändert sich, sie lebt. „Hier, an diesem zeitgenössischen Ort, werden wir diese Küche zum Leben erwecken.“ Die Maxime der Bras in Rodez ist auch das Motto von Paris.

Der Blick auf <em>Le Canopé</em> und das <em>Centre Pompidou</em> von Paris von der obersten Etage der <em>Collection Pinault</em>. Foto: Hilke Maunder
Der Blick auf Le Canopé und das Centre Pompidou von Paris von der obersten Etage der Collection Pinault. Foto: Hilke Maunder

Schon gewusst?

Tadao Andō ist ein ehemaliger Profiboxer. 1962 hängte er die Boxhandschuhe an den Nagel. Der Japaner hat eine ganz eigene Vorstellung von architektonischem Raum, der die Sinne, den Geist, die Seele und den Körper gleichermaßen anspricht.

All diese Erfahrungen, die man im Raum macht  – das Eindringen des Lichts, der fallende Regen – , sind für mich etwas Großartiges. Die Architektur muss die Lebensfreude der Menschen aufnehmen. Sonst wird unser Körper nicht zu ihr hingezogen.

Tadao Andō

Nehmt am Bahnknotenpunkt Châtelet-Les Halles den Ausgang Porte du Louvre - dann kommt ihr direkt von der Collection Pinault ans Tageslicht. Foto: Hilke Maunder
Nehmt am Bahnknotenpunkt Châtelet-Les Halles den Ausgang Porte du Louvre – dann kommt ihr direkt von der Collection Pinault ans Tageslicht. Foto: Hilke Maunder

Collection Pinault: Infos

Lage

2, rue de Viarmes, 75001 Paris, Tel. 01 55 04 60 60

Hinkommen

Métro

Linie 1: Louvre – Rivoli, Linie 4: Les Halles, Linie 7, 11, 14: Châtelet

RER

A, B, D:  Châtelet – Les Halles

Bus

74, 85: Bourse de commerce; 21, 67:  Louvre – Rivoli, 70: Pont Neuf – Quai du Louvre, 69,, 71: Louvre – Rivoli / Pont des Arts;  38, 47,  58, 76: Châtelet

Parkhaus

Les Halles – St-Eustache: Eingang 22 rue des Halles

Tickets

Online, am Selbstbedienungsautomaten oder im Kassenbüro im Eckhaus gegenüber der Bourse de Commercewww.pinaultcollection.com

Mit Gepäck?

Akzeptiert werden nur Taschen und Koffer mit maximal 40 cm Höhe, sprich, Kabinenformat im Flieger. Größere Koffer oder Taschen könnt ihr nicht mitnehmen – und auch nirgendwo in der Nähe deponieren.

Kontrollen

Sämtliches Gepäck und alle Besucher werden per Scanner kontrolliert.

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Charles Ray in der <em>Collection Pinault</em>. Foto: Hilke Maunder
Charles Ray in der Collection Pinault. Foto: Hilke Maunder

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2 Kommentare

    1. Leider steht der offizielle Eröffnungstermin noch nicht fest, liebe Alice. Aber dann: sofort! Zumal das gesamte Hallenviertel sich gerade neu als Herz von Paris erfindet! Liebe Grüße, Hilke

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