
Steil sind die Hänge, sehr steil. 25-50 Prozent Gefälle haben die Lagen, auf denen sich der Grenache mit seinen Wurzeln in den Schiefer klammert. Von den letzten Ausläufern der Pyrenäen fallen sie ins Meer, wo sie in der Tiefe die Zacken der Pyrenäen vorsetzen.
In die zerfurchten Buchten der Côte Vermeille haben sich Collioure, Port-Vendres, Banyuls und Cerbère gezwängt – die vier letzten Orte Frankreichs vor der spanischen Grenze.
„Früher waren die Bewohner hier Fischer, die – wenn die See keinen Fischfang zuließ – auch Wein anbauten. Und weil es lange keine Straßen gab, mit dem Boot verschifften“, erzählt Jean-Michel Solé (Jahrgang 1954), Winzer aus Familientradition. Und Bürgermeister von Banyuls aus Passion für seine Heimat, dem Pays Catalan.

Mit ihm durchstreife ich das 1400 Hektar große Weinland der Côte Vermeille, das darauf hofft, international bekannter zu werden. Und vielleicht Welterbe. Denn hier hat der Weinbau eine einzigartige Kulturlandschaft geschaffen.
Klein sind die Weingärten, drei- oder viereckig, und mit Trockensteinmauern in Terrassen abgetrennt. Feigen, Steineichen und Olivenbäume wachsen am Rand der Parzellen.
Schwindelerregend!
Aus flachen Steinen geschichtete Werkzeughütten, casots genannt, erheben sich hier und da aus dem Rebengrün. Peus de galls speichern das Regenwasser, das in ausgewaschenen agulles (Rinnen) hinab rinnt.
„Eine Mechanisierung oder gar Industrialisierung ist hier unmöglich. Bis heute bedeuten alle Abläufe im Weinberg Handarbeit“, sagt Jean-Michel Solé.

Drei AOC, eine IGP und einen Vin de Pays liefert die kleine Weinregion mit der großen Vielfalt. Denn zur Hauptraube Grenache in noir, gris und blanc gesellen sich hier viele weitere Sorten.
Dazu gehören Syrah noir, Mourvèdre noir, Cinsault noir, Counoise noir, Carignan (noir, blanc), Tourbat blanc, Vermentino blanc, Marsanne blanc, Roussance blanc, Macabeu blanc, Muscat Petit Grains blanc und Muscat d’Alexandrie blanc. Sie sorgen für komplexe, aromenreiche Cuvées.
„Die Unterscheidung ist ganz einfach“, verrät mir einer der 700 Winzer der Genossenschaftskellerei Terre des Templiers, den ich bei einer Verkostung im Mas von Banyuls kennenlerne. „Collioure steht für trockene Weine, Banyuls für Süßweine.“

Banyuls: die Süßen der Küste
Die Appellation Banyuls gehört zu den ältesten aus Frankreich. Sie wurde bereits 1936 geschaffen. Für ihren Vin doux naturel schrumpfen die Trauben am Rebstock bis auf Rosinengröße. Um den natürlichen Zucker der Trauben zu erhalten, wird die Maischegärung durch Zugabe von Alkohol gestoppt (mutage sur les grains).
Dabei wird der Wein auf 15 bis 22 Prozent Alkohol mit neutralem Alkohol aufgespritet, was auch dafür sorgt, dass Farbe und Aromen aus der Traube schneller extrahiert werden.
Danach reift der Banyuls für mindestens zehn Monate in großen Eichenholzfässern im Freien. Wind, Sonne, Regen und Seesalz ausgesetzt, altert der Wein schneller als im dunklen Keller und entwickelt ganz eigene, typische Aromen. Nur der hohe Alkoholgehalt verhindert, dass er zu köstlichem Essig wird, wie ihn Nathalie bei Port-Vendres herstellt.

24 Monate Reifezeit in der Sonne sind für den Banyuls Rancio festgeschrieben, der dadurch seine Bernsteinfarbe und unverwechselbaren Rancio-Geschmack erhält, einen ausgeprägten Alterston.

Mindestens 30 Monate müssen die Weine der Appellation Banyuls Grand Cru im Eichenfass reifen. Das Regelwerk von 1962 legt zudem fest, das die Weine zu 75 Prozent aus entrappten Grenache-Trauben vinifiziert werden müssen.

Die Trockenen aus Collioure
Fast vier Jahrzehnte vergingen, ehe die Winzer der Côte Vermeille 1971 auch die AOC-Klassifizierung für ihre trockenen Weine erhielten. Bis heute sind es Tropfen, die Franzosen kaum kennen – und eher an spanische als französische Weine erinnern.
Auch hier klammert sich der Wein an den Fels, muss mit wenig Wasser auskommen, saugt die Feuchtigkeit aus dem Seewind und Morgennebel. Früh wird es heiß am Hang, nur abends bringt eine leichte Brise etwas Abkühlung.

Das Klima gibt dem Wein einen intensiven, reichen Geschmack mit dunklen Rotweinen, interessanten Rosés und fruchtigen Weißweinen mit nicht übertrieben hohem Alkoholgehalt, die an Sommertagen erfrischen.
Kraftvolle Rote schafft dieses Klimas, körperreiche Cuvées mit Grenache (mindestens 60 Prozent), Syrah und Mourvèdre, mitunter verschnitten mit Carignan und Cinsault.
Der würzige, fruchtige Weißwein wird aus Grenache blanc (mindestens 70 Prozent) gekeltert, abgerundet mit Tourbat (Malvasier), Marsanne, Roussanne und Viognier. Der Rosé darf bis zu 30 Prozent Grenache Gris enthalten.

Die Weine der Côte Vermeille: meine Empfehlungen
Weiß
2017 Petit Couscouril Blanc, Domaine Vial Magnères, AOP Collioure
Grenache Blance und Grenache Gris, köstlich vereint zu einem Wein, der mit rund 7 Euro top ist im Preis-Leistungs-Verhältnis.
2017 Pic Joan Collioure Blanc
Schöne Struktur, gute Tiefe, frische Säure und zartes Holz: schmeckt!
2016 Inspiration Minérale, Clos Saint-Sébastien,
Collioure Blanc
Ich gebe zu: Mineralische Weine munden mir mehr als blumige oder ausgesprochen fruchtige Tropfen. Frisch und mit viel Ausdruck, hat dieses Gewächs das Zeug zum Lieblingswein.
2017 L’Argile, Domaine de la Rectorie, AOP Collioure
Grenache Blanc und Grenache Gris in feinster Finesse. Schlichtweg göttlich. Und ja, mit 26 Euro pro Flasche vielleicht nichts für jeden Tag…

Rot
2016 Crestall, Domaine Madeloc, Collioure Rouge
Pierre Gaillard liebt Weine mit Ecken und Kanten: Hier schafft es der Syrah (40 Prozent) kaum, den Mourvèdre (60 Prozent) zu bändigen. Ein Wein, spannend und wild wie sein Terroir.
Rosé
2016 Empreintes, Clos Saint-Sébastien, Collioure Rouge
Ein kristalline Rosé aus der Grenache, der die Nase mit Fruchtigkeit und Gewürzen verführt. Im Gaumen dominieren rote Früchten. Schön: der leicht bittere Hauch im Abgang.
Natursüß
2017 Le Banyuls de Môman amphore Rouge, Bruno Duchêne
Bruno kommt von der Loire, war dort Champignonzüchter, kam 2002 ans Mittelmeer, Und gehört heute, 16 Jahre später, zu den ganz Großen der Naturweinszene Frankreichs. Seine vins doux naturels sind flüssige Träume, unkompliziert und verdammt süffig….
Domaine Madeloc, Robert Pagès, Banyuls
80 Prozent Grenache, 20 Prozent Grenache Gris: Samt, fast weihnachtlich mit Noten von Zimt und Lakritze – der Winter-Aperitif zum Kuscheln am Kamin!

Côte Vermeille: meine Infos
Kosten & kaufen
Zu den bekanntesten Produzenten an der Côte Vermeille gehören: Terre des Templiers, Chapoutier, Domaine des Clos des Paulilles, Abbé Arrous, Domaine de la Rectorie, Domaine Vial-Magnères und die Domaine de la Tour Vieille.
Schlemmen
Les 9 Caves
Bioweine im Laden, entspannt-stimmungsvoller Genuss im gemütlich-stylischen Lokal, Live-Musik und Ausstellungen: voilà die neun Keller, die auf ihrem Dach in drei Gîtes zur Nacht laden.
• 56, Avenue Général de Gaulle, Tel. 04 68 36 22 37, http://9caves.com
Le Fanal
Noch ganz und gar lebendig landen die Fisch in der Küche des neuen Sternerestaurants, das Pascall Borell 2014 direkt am Hafen von Banyuls-sur-Mer eröffnete: Rotbarbe, Seeteufel, Meerforellen und Seafood, für das die Einheimischen kilometerweit anreisen.
Wer lieber Deftiges vom Land liebt, kann knusprigen Kaninchenbraten mit Schnecken kosten oder Kalbsbries mit Morillen – zwei Spezialitäten, die sonst nur noch selten auf der Karte stehen.
• Avenue du Fontaulé, 66650 Banyuls, Tel. 04 68 98 65 88, www.pascal-borrell.com
Le Trémail
Die leckere traditionelle Küche von Jean-Paul Fabre, Patron des katalanischen Lokals, hat eine große Fangemeinde, die sich im kleinen Lokal drängt, und doch schnell und sehr freundlich bedient wird.
• 1, rue Arago,66190 Collioure, Tel. 04 68 82 16 10, kein www.

Le Bar à Huitres / Les Poissonneries de la Côte Catalane
Très branché, sehr angesagt, ist dieses Seafood-Lokal oberhalb der Poissonnerie, gleich neben der Criée. Dort gibt es nicht nur Austern satt, roh und gekocht, sondern auch allerfeinsten Fisch und andere Schalentiere, gefangen vor der Haustür.
• Anse Gerbal, 66660 Port-Vendres, Tel. 04 68 98 46 00, www.facebook.com/cotecatalane
Erleben
Les Lundis Vignerons
kostenlose thematische Verkostungen bei Winzern und Weingeschäften, Mitte Juni bis Mitte September, 18 – 20 Uhr
Balades Vigneronnes
Juni bis September, jeden Freitag, Termine, Infos & Anmeldung: Office de Tourisme, Banyuls
Schlafen
Hôtel Les Templiers*
Generationen von Künstlern haben im Hôtel Les Templiers Kost und Logis mit eigener Kunst bezahlt – ihre Gemälde, mehr als 2.000!, schmücken heute die engen Stiegen, die Gaststuben und die Gästezimmer.
• 12, quai de l’Amirauté, Collioure, Tel. 04 68 98 31 10, www.hotel-templiers.com
Noch mehr Betten*
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MARCO POLO Languedoc-Roussillon/Cevennen*
Diesen Titel habe ich nach Axel Patitz und Peter Bausch inzwischen seit sechs Ausgaben umfangreich erweitert und aktualisiert.
Strandvergnügen und Kultur, quirlige Städte und wildromantische Landschaften: Von den Cevennen über das Languedoc bis hin zum Roussillon findet ihr dort Highlights und Kleinode, Tipps für Entdecken und Sparfüchse – und Adressen, die ich neu entdeckt und getestet haben. Denn dieser Landstrich ist seit 2014 meine zweite Heimat.
Wandert rund um den Mont Lozére, radelt durch die Petite Camargue, schippert im Hausboot auf dem Canal du Midi, taucht mit der Zahnradbahn in die faszinierende Tropfsteinwelt der Cevennen ein oder entdeckt die Côte Vermeille bei einer Schnorchelwanderung. Wer mag, kann ihn hier* direkt bestellen.
Der Reisebegleiter vor Ort: Ralf Nestmeyer, Languedoc-Roussillon*
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Okzitanien ist die Quintessenz des Südens Frankreichs. Es beginnt in den Höhen der Cevennen, endet im Süden am Mittelmeer – und präsentiert sich zwischen Rhône und Adour als eine Region, die selbstbewusst ihre Kultur, Sprache und Küche pflegt.
Katharerburgen erzählen vom Kampf gegen Kirche und Krone, eine gelbe Pflanze vom blauen Wunder, das Okzitanien im Mittelalter reich machte. Acht Welterbestätten birgt die zweitgrößte Region Frankreichs, 40 grands sites – und unzählige Highlights, die abseits liegen. 50 dieser Juwelen enthält dieser Band. Abseits in Okzitanien: Bienvenue im Paradies für Entdecker! Hier* gibt es euren Begleiter.
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