Der Menhir von Counozouls. Foto: Hilke Maunder

Postkarte aus … Counozouls

8,60 Meter hoch ragt er an der Passstraße zum Col de Jau (1.506 Meter) in den Pyrenäen von Aude auf: der Grand Menhir de Counozouls. 50 Tonnen wiegt der Koloss nahe der D 84, den der Bergwald versteckt. Die steinerne Spitze aus Granit erhebt sich an einem dicht bewaldeten Hang im Tal der Ayguette. Der Menhir rühmt sich gleich zweier Rekorde. Er ist nicht nur einer der größten Frankreichs, sondern auch der höchstgelegene des Landes.

Der Blick vom Menhir auf Counozouls. Foto: Hilke Maunder
Der Blick vom Menhir auf Counozouls. Foto: Hilke Maunder

Auf der anderen Talseite schmiegt sich in 960 Meter Höhe ein ganz besonderes Dorf an den Hang im Schatten des Pic du Bernard Sauvage (2.423 m): Counozouls.

Bereits im 12. Jahrhundert spielte das Castrum von Counozouls eine wichtige Rolle im Verteidigungssystem des oberen Roquefortès, des dritten Plateaus des Pays de Sault. Sein Name wird oft mit dem Haus Esquiem de Rocafort in Verbindung gebracht.

Frei und offen liegt Counozouls inmitten der bewaldeten Berge – ein richtiger Sonnenplatz! Foto: Hilke Maunder
Frei und offen liegt Counozouls inmitten der bewaldeten Berge – ein richtiger Sonnenplatz! Foto: Hilke Maunder

Aber erst viel später, an der Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert, wurde Counozouls besonders bekannt. In Opposition zu den damaligen Verwaltungs- und Justizbehörden erklärte es sich zu einer freien Kommune.

Am 30. Juli 1894 ging der gesamte Besitz des Baron de la Rochefoucauld an einen gewissen Monsieur Jodot über. Darunter befanden sich auch die Wälder rund ums Dorf. Bei dieser Transaktion wurden Weideflächen und bestimmte Nutzungsrechte der Gemeinde, die der König im 17. Jahrhundert bestätigt hatte, infrage gestellt.

Die Kirche von Counozouls: Foto: Hilke Maunder
Die Kirche von Counozouls: l’église Saint-Valentin. Foto: Hilke Maunder

Am 26., 27. und 31. Mai sowie am 8. und 9. Juni 1897 erhielten zwei Hirten der Gemeinde, Fromillagues und Soulié, eine offizielle Anzeige, weil sie das Land von Jodot betreten hatten.

Nach zahlreichen Rechtsstreitigkeiten brachte dieser die Gemeinde 1903 vor das Gericht von Limoux. Drei Jahre später gewann Jodot trotz gerichtlicher Gegenklagen seinen Fall.

Rathaus und Kirche von Counozouls. Foto: Hilke Maunder
Rathaus und Kirche von Counozouls. Foto: Hilke Maunder

Die Gemeinde protestierte. Am 17. Juli 1903 suchten daher drei Gutachter des Gerichtes aus Limoux um acht Uhr morgens den Bürgermeister auf. Jener führte sie auf den zentralen Dorfplatz, wo bereits die gesamte Bevölkerung versammelt war.

Dort lasen die Experten die Vorschläge zur Einschränkung der forstwirtschaftlichen Nutzungsrechte und zur Enteignung der Bevölkerung vor.

An der <em>mairie</em> erinnert dieses Bild an das Jahr 1904. Foto: Hilke Maunder
An der mairie erinnert dieses Bild an das Jahr 1904. Foto: Hilke Maunder

Die Bevölkerung war wütend. Und so erbost, dass sie den Bürgermeister daran hinderte, zu antworten. Mit eindeutigen Worten – und Taten – signalisierten die Dörfler ihre Ablehnung und jagten die Gutachter aus dem Dorf.

Die Gemeinde weigerte sich auch, die Gerichtskosten und Bußgelder zu zahlen. Wenig später beschlossen die Dorfbewohner, nicht zur Wahl zu gehen.

Die Grande Rue von Counozouls. Foto: Hilke Maunder
Die Grande Rue von Counozouls. Foto: Hilke Maunder

Ende 1903 setzten sie das Château de la Moulinasse und den Turm des Wachhauses in Brand. Gleichzeitig kauften sie Waffen in der Waffenfabrik in Saint-Étienne.

In den ersten Monaten des Jahres 1904 betrat niemand Counozouls. Am 4. Juni 1904 verkaufte Jodot schließlich seinen Besitz an die Gesellschaft Ernest Ader et compagnie aus Bayonne. Im Dorf kehrte Ruhe ein.

Im Ort ist das Wasser allgegenwärtig. Foto: Hilke Maunder
Im Ort ist das Wasser allgegenwärtig. Foto: Hilke Maunder

Wenige Tage zuvor, am 23. Mai 1904, hatten die Einwohner von Counozouls eine Bürgervereinigung mit dem Namen Syndicat de Counozouls gegründet. Am  4. Juni 1904  verkaufte Jodot seinen Besitz an eine Gesellschaft. Auch die beiden Wälder, je 600 und 1.500 Hektar groß, wurden an das Syndikat von Counozouls veräußert. Ursprünglich bestand es aus den 86 Einwohnern der Gemeinde.

Foto: Hilke Maunder
Foto: Hilke Maunder

Doch Todesfälle und Erbschaften ließen die Zahl der Besitzer sehr schnell auf mehr als 400 anschnellen. Das machte die Verwaltung sehr schwierig. So wurden die beiden Wälder in den 1960er-Jahren angesichts der Schwierigkeiten der verschiedenen Eigentümer, sich zu einigen, vom Gericht beschlagnahmt.

Foto: Hilke Maunder
Foto: Hilke Maunder

Ihre Verwaltung wurde erst 2001 an die Einwohner zurückgegeben. Fünf Einwohner übernahmen die Eigentümervereinigung. Jene wurden mit dem nächsten Problem konfrontiert. In Frankreich haben Syndikate eine gesetzliche Lebensdauer von 99  Jahren. Da es 1904 gegründet wurde, hörte es im Jahr 2003 auf zu existieren.

Überall grünt und blüht es in Counozouls. Foto: Hilke Maunder
Überall grünt und blüht es in Counozouls. Foto: Hilke Maunder

Doch die Einwohner von Counozouls hatten vorgesorgt. Und bereits 1972 als Nachfolgegesellschaft das Syndicat Forestier de Counozouls gegründet, das seitdem die Eigentümerin ist von 2.400 Hektar Wald mit Tannen und Buchen.

So kann in Counozouls nicht geschehen, was am Col de Jau passiert war. Dort besitzt die Versicherungsgruppe Groupama 1.900 Hektar auf dem Madrès-Massiv.

Im Bergwald des Col de Jau, der heute Groupama gehört. Foto: Hilke Maunder
Im Bergwald des Col de Jau, der heute Groupama gehört. Foto: Hilke Maunder

Erst wurde das Pilzesammeln verboten. Dann wurden Wanderer ausgesperrt. Einzig der Weg zum Refuge du Caillou steht ihnen dort heute offen.  An allen anderen Wegen verkündet warnend ein Schild: Forêt privée – privater Wald.

Wachleute des g.i.p.f.a Groupement interdepartemental de proprietaires forestiers et agricoles drohen mit einer Geldstrafe, wenn man die Domaine de Cobazet nicht sofort verlässt.

Die Schutzhütte <em>Refuge de Caillau</em> am Madrès-Massiv.
Die Schutzhütte Refuge de Caillau am Madrès-Massiv.

Als ich Counozouls entdeckte, saßen die Einwohner am Sonntag gemütlich vor dem öffentlichen Grill des Dorfes beisammen. Wein und Wasser waren geöffnet. Das Feuer war entzündet, und am Rand wärmten sich Fleisch und Wurst bereits aufs Grillen vor, das dem Apéro unter freiem Himmel folgte.

Auf dem öffentlichen Grill am Dorf-Grün, das auch als Parkplatz dient, darf jeder grillen. Foto: Hilke Maunder
Auf dem öffentlichen Grill am Dorf-Grün, das auch als Parkplatz dient, darf jeder grillen. Foto: Hilke Maunder

Bei jedem Tritt und Schritt war zu spüren, dass das Dorf zusammenhält. Überall leuchten Blumen kunterbunt vor den alten Fassaden voller Patina. Es rauscht und gurgelt, und immer wieder sprudelt in alten Brunnen frisches Bergwasser in den Gassen.

Auf Wanderwegen wie dem <em>tour de Benal</em> lässt sich die Umgebung von Counazouls entdecken. Foto: Hilke Maunder
Auf Wanderwegen wie dem tour de Benal lässt sich die Umgebung von Counozouls entdecken. Foto: Hilke Maunder

Vorbei am alten Friedhof mit seinen Eisenkreuzen führt der Rundwanderweg Tour de Benal hinaus aus dem Dorf und hin zu Feldern, auf denen das Heu gemäht ist.

Am Wegesrand leuchten rotgelb die Äpfel an knorrigen Bäumen. Weit schweift der Blick über das Tal der Ayguette und hin zu den Kalkgraten bei Axat und die Dörfer des Fenouillèdes, zu denen es einst gehörte.

Foto: Hilke Maunder
Foto: Hilke Maunder

Counazouls: meine Reise-Infos

Nicht verpassen

Expo Lavoir

Im Waschhaus von Counozouls stellt eine kleine Ausstellung mit Tafeln die Entwicklung des Ortes sowie Flora und Fauna der Umgebung vor.

Schlemmen und genießen

Brasserie Sylvatia

Sonnabends um 10.30 Uhr könnt ihr bei Führungen hinter die Kulissen der Mikrobrauerei schauen (Voranmeldung!).
• 12, Rue Grand Rue, 11140 Counozouls,  Tel. 06 74 57 14 36, https://brasserie-sylvatica.com

La Souche – Boutique Café Restaurant de la Brasserie Sylvatica

Zur Brauerei gehört ein kleines Ladencafé. Es ist Freitag bis Sonntag von 11 bis 20 Uhr der Treff von Counozouls.
• 11, Rue de la Fontaine, 11140 Counozouls, Tel. 04 30 07 35 99,  https://brasserie-sylvatica.com/lasouche

Schlafen

Casa rural

• 5, Rue de la Forge, 11140 Counozouls

<em>L'Oustal del Chichi</em>. Foto: Hilke Maunder
L’Oustal del Chichi. Foto: Hilke Maunder

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Foto: Hilke Maunder
Foto: Hilke Maunder

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Im Blog

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Im Buch

MARCO POLO Languedoc-Roussillon/Cevennen*

Diesen Titel habe ich nach Axel Patitz und Peter Bausch inzwischen seit sechs Ausgaben umfangreich erweitert und aktualisiert.

Strandvergnügen und Kultur, quirlige Städte und wildromantische Landschaften: Von den Cevennen über das Languedoc bis hin zum Roussillon findet ihr dort Highlights und Kleinode, Tipps für Entdecken und Sparfüchse – und Adressen, die ich neu entdeckt und getestet haben. Denn dieser Landstrich ist seit 2014 meine zweite Heimat.

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Okzitanien abseits GeheimtippsOkzitanien: 50 Tipps abseits der ausgetretenen Pfade*

Okzitanien ist die Quintessenz des Südens Frankreichs. Es in den Höhen der Cevennen, endet im Süden am Mittelmeer – und präsentiert sich zwischen Rhône und Adour als eine Region, die selbstbewusst ihre  Kultur, Sprache und Küche pflegt. Katharerburgen erzählen vom Kampf gegen Kirche und Krone, eine gelbe Pflanze vom blauen Wunder, das Okzitanien im Mittelalter reich machte.

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