Kellervisite: die Kür des Crémant

Crémantherstellung bei Wolfberger im Elsass. Foto: Hilke Maunder
Jérôme Keller, Kellermeister von Wolfberger. Foto: Hilke Maunder

Seit wann gibt es Crémant in Frankreich? Entstand er vielleicht als bürgerliches Pendant zum aristokratischen Champagner während der Tage der Revolution? Oder ist er viel älter? Was meint ihr? 200 Jahre, 400 Jahre, 800 Jahre?

„Alles falsch“, sagt Jérôme Keller, dessen Name unglaublich gut zum Beruf passt. Er ist Kellermeister bei  Wolfberger in Eguisheim, einer kleinen Winzergemeinde südlich von Colmar im südlichen Elsass. Dort stellt die 1902 gegründete Genossenschaft mit 450 Vertragswinzern und 142 Mitarbeitern rund die Hälfte der elsässischen Crémants her.

Crémant gibt es erst seit 1976!“ Nun bin ich in der Tat überrascht.

Crémantherstellung bei Wolfberger im Elsass. Foto: Hilke Maunder
Die Crémant-Kellerei von Wolfberger am Stadtrand von Colmar. Foto: Hilke Maunder

„Der Begriff Crémant wurde auf Druck der Champagne eingeführt. Er macht deutlich, dass der Schaumwein außerhalb der Champagne nach der méthode champenoise, sprich, der Flaschengärung, in Frankreich hergestellt wurde.“

Das Elsass war neben Burgund die ersten Weinregion, die ihren Crémant als AOC schützen ließ. Seit dem 24. August 1976 tragen ihre Schaumweine die geschützte Herkunftsbezeichnung Frankreichs. Köstliche Crémant kommen auch von der Loire, wo Saumur die Hochburg der Schaumweinherstellung ist. Auch Bordeaux und Die, Wiege der ebenfalls prickelnden Clairette de Die, haben Crémants zu bieten.

Champagner vs. Crémant : die Unterschiede?

Champagner wird ausschließlich in der Champagne hergestellt – und nahezu ausschließlich aus den Sorten Chardonnay, Pinot Noir und Meunier. Crémants gibt es auch aus Burgund und aus Bordeaux, dem Jura, Savoyen, aus Limoux und von der Loire. Ähnlich wie Champagner, unterliegen sie ähnlichen strengen Regeln.

Was sich regional ändert, sind die zugelassenen Trauben. Sieben Sorten sind es im Elsass. Neben Chardonnay  dürften auch Pinot Blanc, Pinot Gris, Riesling, Sylvaner und Gewürztraminer verwendet werden. Für den Crémant Rosé ist Pinot Noir vorgeschrieben.

Crémantherstellung bei Wolfberger im Elsass. Foto: Hilke Maunder
Modern und groß: der Crémant-Keller von Wolfberger. Foto: Hilke Maunder

Doch das ist nicht der einzige Unterschied. Man sagt zwar, dass Crémant nach der gleichen Methode wie Champagner hergestellt wird. Doch das betrifft nur die Flaschengärung, die méthode champenoise – nicht jedoch die Pressung. Die maximale Ausbeute bei der Pressung ist bei Champagner geringer als bei Crémant.

Um rund 100 l Most zu pressen, müssen es für Champagner 160 kg Trauben sein, bei Crémant nur 150 kg Trauben. Gute Erzeuger von Champagner pressen sogar nur 82 l Most aus 160 kg Trauben. Sprich: Die Ausbeute ist bei Champagner geringer.

Crémantherstellung bei Wolfberger im Elsass. Foto: Hilke Maunder
Der Winzersekt von Wolfberger reift sur lattes. Foto: Hilke Maunder

Strenge Auflagen der AOC

Doch das sind dann schon die großen Unterschiede. Denn für beide legen strenge AOC-Auflagen fest: Lese per Hand, Ganztrauben-Pressung, eine Mindestdauer von neun Monaten für die Verweildauer auf der Hefe sowie eine obligatorische Geschmacksprüfung. Bei fast allen Crémant-Herstellern verweilt der Wein deutlich länger auf der Hefe.

Bei Wolfberger lagern die traditionellen Cuvées mindestens 16 Monate auf der Hefe; die vieilles vignes sogar bis zu 24 Monate. Bei reinsortigen Crémants sieht der Marktführer im Elsass eine mindestens 18-monatige Hefelagerung vor. Für den Crémant Prestige sind sogar 36 Monate gefordert. Warum so lange? „Je länger die Lagerung auf der Hefe dauert, desto feiner werden die Perlen im Wein!“, erklärt Jérôme.

Crémantherstellung bei Wolfberger im Elsass. Foto: Hilke Maunder
Das Crémant Lager von Wolfberger. Foto: Hilek Maunder

Das Geheimnis der Dosage

Was den Crémant d’Alsace von den Crémants anderer Regionen unterscheidet, ist seine Dosage. Da beim Degorgieren immer auch ein wenig Schaumwein verloren geht, wird die Flasche mit einer Wein-Zuckersirup-Mischung (franz.: liqueur d’expédition ) aufgefüllt, die zugleich die Säure mildert.

Bis zu zwölf Gramm Zucker dürfen selbst trockene Brut pro Liter enthalten. Nur bei einem Brut Nature wird auf die Zuckerzugabe verzichtet. Dank der zéro dosage weist er ein Restzuckeranteil von weniger als 3 g/l auf. Typisch für die Crémants von Wolfberger ist eine Dosage von 8 g/l.

Warum im Elsass weniger mit Dosage ausgeglichen werden muss, liegt an der Geographie. Die Region liegt südlicher als die Champagne. Colmar und Reims trennt ein ganzer Breitengrad: 111 km.

Auch die Lage am Rand des Oberrheingrabens sorgt dafür, dass es im Elsass wärmer, sonniger und trockener ist als im Stammland des Champagners. Dennoch ist ein Crémant nicht fett, sondern feinperlig, voller Geschmack und Frucht, und zugleich mit angenehmer Säure und wenig Zucker.

Crémantherstellung bei Wolfberger im Elsass. Foto: Hilke Maunder
Déborah Ruffin überprüft jede Stunde die Qualität der Crémants in der Herstellung. Foto: Hilke Maunder

Die Crémant-Zauberin von Colmar

Wolfberger stellt heute am Stammsitz Eguisheim nur stille Weine her. Die gesamte Crémant-Produktion ist in Colmar konzentriert, wo die Genossenschaft eine riesige Produktionsanlage samt Boutique an den Stadtrand gestellt hat.

Sie ist das Reich von Déborah Ruffing, eine von sechs Kellermeistern, die Jérôme unterstellt sind. Die junge Crémant-Kellermeisterin überwacht dort  seit September 2017 die Produktion. Zuvor hat sie jahrelang im Weinberg gearbeitet.

„Wenn draußen nicht alles top ist, kann ich hier auch nicht mehr zaubern.  Allerbeste Arbeit im Weinberg ist das Kapital, aus dem wir hier 15 Sorten Crémant herstellen. Viele sind sortenrein. Das ist selten im Elsass!“ Spricht’s und öffnet mit einem Schlüssel den Zapfhahn eines riesigen Stahltanks. “ Goutez. Probieren Sie.“ Noch ungefiltert moussiert ein junger Crémant im Glas. Köstlich!

Crémantherstellung bei Wolfberger im Elsass. Foto: Hilke Maunder
Auch junger Crémant schmeckt köstlich. Déborah Ruffin kostet die Probe aus dem Tank. Foto: Hilke Maunder

Überprüft wird die gleichbleibende Qualität der Produktion im Labor. Und das nicht nur einmal pro Schicht, sondern stündlich. Die eigentliche Herstellung ist weitestgehend automatisiert.

Die Maschine arbeitet, der Mensch überwacht. Selbst das Rütteln der Flaschen geschieht vollautomatisch.

Crémantherstellung bei Wolfberger im Elsass. Foto: Hilke Maunder
Die Qualitätskontrolle im Labor. Foto: Hilke Maunder

Bälle im Tank

Farbige Schläuche verraten, ob Wein oder Reinigungsmittel durch sie fließen. Auf manchen Türen der Stahltanks liegen bunte Schaumstoffbälle. „Damit spielen wir nicht Fußball, sondern reinigen wir die Verbindungsröhren“, lacht Deborah.

Crémantherstellung bei Wolfberger im Elsass. Foto: Hilke Maunder
Bunte Bälle reinigen die Verbindungsrohre zwischen den Tanks. Foto: Hilke Maunder

Gabelstapler sausen umher, holen und bringen Paletten mit Wein, der noch in Arbeit ist – oder schon frisch verpackt. Zwischen hohen Kragen und Ohrenschützern entdecke ich nicht nur Gesichter von Männern, sondern auch Frauen, die sehr flott mit den Gabelstablern durch die Hallen sausen. Gelbe Streifen markieren, wo sich Menschen gefahrlos bewegen können.

Crémantherstellung bei Wolfberger im Elsass. Foto: Hilke Maunder
Die Abfüllanlage. Foto: Hilke Maunder

Jedes Jahr vor Weihnachten läuft die Produktionen auf Hochtouren. Dann sind statt 50 mehr als 80 Mitarbeiter am Arbeiten.

Sie überwachen, ob die Etiketten sauber bedruckt sind, ob die Kartons richtig gepackt werden, ob die Produktion rund läuft. Nur zum Degorgieren müssen sie körperlich ran: tief in die Kiste gebückt und die Flaschen rauf aufs Band.

Crémantherstellung bei Wolfberger im Elsass. Foto: Hilke Maunder
Ab in den Karton! Foto: Hilke Maunder

Doch da greift sie schon die Maschine, nimmt den Korken ab und dreht sie auf den Kopf. Sekunden später ist der Hefepropfen draußen, sitzt der Kork auf der Flasche, verdeckt ihn das Stanniol. Sechs Millionen Flaschen Crémant füllt Wolfberger jedes Jahr ab. Habt ihr Lust, einige zu verkosten?

Crémantherstellung bei Wolfberger im Elsass. Foto: Hilke Maunder
Gleich aus dem Tank ins Glas: Zu jeder Betriebsführung gehört auch das Probieren. Foto: Hilke Maunder

Crémant d’Alsace: die Verkostung

Ich gebe zu: Ich bin eher ein Freund von stillen Weinen. Clairette oder Cava, Blanquette oder Prosecco, Spumante oder Sekt, selbst Winzersekt würdet ihr wohl kaum in meinem Kühlschrank finden. Umso neugieriger war ich, was Jérôme zum Verkosten anbot.

Eine köstliche Kombi zum Apéro im Elsass: Bretzeln und feinperliger Crémant - gerne auch als Rosé. Foto: Hilke Maunder
Eine köstliche Kombi zum Apéro im Elsass: Bretzeln und feinperliger Crémant – gerne auch als Rosé. Foto: Hilke Maunder

Was ich sah, verschlug mir den Atem. Nicht sechs bis zehn, sondern insgesamt 25 Flaschen standen zur Verkostung an jenem Nachmittag an. Dazu gab es Brezeln, viel Wasser – und einen Eimer, in dem der verkostete Crémant wieder ausgespuckt wurde. Cracher nennen das die Franzosen.

Aus der ganzen Palette der probierten Tropfen stachen diese Crémants für mich heraus. Welche Crémants gefallen euch besonders gut? Verratet es gerne in den Kommentaren!

Crémant d’Alsace Brut

Dieser Crémant mit 12,5 Vol.-% , schwarzem Etikett und schwarzem Stanniol-Kopf wird aus Pinot Blanc als cuvée gekeltert. Cuvée meint in der Crémant-Herstellung die Traubensäfte aus der ersten Pressung die hochwertiger sind als der Most der zweiten Pressung ( taille ) . Letzterer wird für andere Assemblagen verwendet.

In klarem Gelb perlt er intensiv im Glas, ist buttrig und fruchtig zugleich – und überrascht mit Noten von gerösteten Mandeln.

Sind Kopf und Etikett in Gold, handelt es sich ebenfalls um einen Wolfberger Crémant d’Alsace Brut. Jener jedoch verbindet die die Frische des Weißburgunders mit den runden Aromen des Pinot Gris – ebenfalls bei 12,5 „Umdrehungen“.

Crémant d’Alsace Cuvée Secrète

Verhüllt in lila Plastik, trendy gebranded mit dem Hashtag #W40: Zum 40. Geburtstag der Genossenschaft im Jahr 2016 präsentierte Jérôme Keller einen ganz besonderen Crémant. 2009 gepresst, hatte er 60 Monate lang auf der Hefe reifen dürfen. Heraus kam ein Chardonnay-Crémant mit zéro dosage – eine goldener Genuss im Glas! Mineralisch, kraftvoll, ein wenig nussig, ein Hauch von Frucht, ein toller Tropfen!

Crémantherstellung bei Wolfberger im Elsass. Foto: Hilke Maunder
Der Jubiläums-Crémant von Wolfberger. Foto: Hilke Maunder

Crémant d’Alsace Brut Lucien Albrecht

Fast acht Wochen lang fermentierte der Most des Pinot Blanc im Stahltank, ehe er zwölf Wochen lang in der Flasche reifte und beim Degorgieren mit 10,5 g/l eine höhere Dosage erhielt als sonst bei Wolfberger üblich.

Solch ein Geschmack gefällt vor allem den Auslandsmärkten in China, Großbritannien und Amerika. Auch das US-Fachblatt Decanter war begeistert und verlieh diesem Crémant 2016 die DWWA-Silbermedaille.

Crémantherstellung bei Wolfberger im Elsass. Foto: Hilke Maunder
Im Verkostungsraum fangen stylische Behälter den verkostenen Crémant auf, wenn man ihn nicht trinken möchte. Foto: Hilke Maunder

Die Welt vonWolfberger

Crémants sind der umsatzstärkste Baustein im Portfolio der Genossenschaftskellerei, deren 1200 ha große Weinbaufläche vom Norden bis in den Süden des Elsass über fast 100 Kilometer erstreckt.

Mit 13 Millionen Flaschen Wein, darunter sechs Millionen Flaschen Crémant und 15 Grands Crus, Spezialitäten und exklusive Wein-Editionen sowie Elsässer Obstbrände erwirtschaftet Wolfberger fast 60 Millionen Euro Umsatz. Seit kurzem könnt ihr in den sechs Weinboutiquen des Unternehmens auch Whiskys und Liköre probieren.

Offenlegung

Zu dieser Reise lud mich Daniela Rau von raumedia im Rahmen einer Pressereise für ihren Kunden Wolfberger ein. Dafür sage ich merci und  herzlichen Dank. Einfluss auf meine Blogberichte hat dies nicht. Ich berichte subjektiv, wie ich es erlebt habe, mache kein Merchandising und werde erst recht nicht für meine Posts bezahlt.

Gefällt Dir der Beitrag? Dann sag merci mit einem virtuellen Trinkgeld.
Denn nervige Banner oder sonstige Werbung sind für mich tabu.
Ich setze auf Follower Power. So, wie Wikipedia das freie Wissen finanziert.

Unterstütze den Blog mit Deiner Spende. Per Banküberweisung. Oder via PayPal.

Weiterlesen

Im Blog

Kennt ihr schon das köstlichste Prickeln des Midi?

Mutter des Champagners: Blanquette de Limoux

Im Buch

Mein Reiseführer-Tipp

Gunter Schwab, ist Erdkundelehrer an einem Karlsruher Gymnasium, seine Frau Antje ist mindestens genauso reiselustig und frankreichliebend wie ich (ob’s am Jahrgang liegt?). Gemeinsam haben sie den wohl besten Reiseführer für Individualreisende verfasst.

Auf 444 Seiten stellt er alles vor, was das Elsass zwischen Wissembourg und Mulhouse zu bieten hat: mit­tel­al­ter­li­che Fach­werk­dör­fer, das beschauliche Colmar und die mul­ti­kul­tu­rel­le Eu­ro­pa­stadt Straß­burg. Kunst und Kirchen, Berge und Burgen. Und natürlich viele Schlemmeradressen, denn auch das gehört zum El­sass. Wer mag, kann den Band hier* direkt beim Verlag bestellen.

 * Durch den Kauf über den Partner-Link, den ein Sternchen markiert, kannst Du diesen Blog unterstützen und den Blog werbefrei halten. Für Dich entstehen keine Mehrkosten. Ganz herzlichen Dank – merci !

Merci fürs Teilen!

10 Kommentare

  1. wir fahren seit nunmehr 30 Jahren immer wieder nach Eguisheim. Der Grund beim ersten Trip war tatsächlich der Besuch bei Wolfberger. Wir kennen noch die alte erste Probierstube dort. Es hat sich viel verändert in den ganzen Jahren, aber die Qualität ist stets gleichbleibend hoch und es gibt immer wieder etwas neues zu entdecken. Immer schön am Fuße der Vogesen….
    Jörg

  2. Was für ein wundervoller Bericht … ich liebe Cremant und fahre seit mehreren Jahren (2020 leider nicht *grmpf*) mit meiner „Rentnergang“ (Mama, einem befreundeten Ehepaar und noch ein Freund … alle Mitte 80!) nach Bergheim ins Elsass zum Cremant einkaufen zu Gustav Lorentz … der Cremant Rosé von dort ist mir der liebste, dafür lasse ich jeden Champagner links liegen … und überhaupt ist Bergheim ein wunderschönes Örtchen zum Bummeln und mit lecker Essen … ich hoffe auf 2021, auf dass ich wieder ins Elsass und auch in mein geliebtes Languedoc fahren kann … ich vermisse Frankreich sehr und erfreue mich derweil hier über die schönen Berichte … Merci!

  3. Diesen Bericht habe ich mit viel Freude gelesen, so genau kannte ich die Herstellung von Champagner nicht, ich trinke schon lange Crémant und auch Clairette ist mir ein Begriff.
    Mein Favorit ist „Clairette de Die“. Das hat familiäre Gründe.

    • Liebe Brita, Clairette ist köstlich – wie auch Blanquette aus Limoux, die auch sehr fein perlt – und älter ist als der Champagner. Bises! Hilke

Kommentar hinterlassen

E-Mail Adresse wird nicht veröffentlicht.