Saint-Paul-de-Fenouillet: Schutz vor crottes. Foto: Hilke Maunder

Briefe aus Saint-Paul: les crottes

Monatelang bin ich an ihnen vorbeigegangen. Monatelang habe ich mich gefragt: Was soll diese Flaschenbatterie? Warum hat der neue Nachbar, der in unser Dorf am Rande der Pyrenäen gezogen ist, sie so säuberlich vor seine Hauswand gestellt?

Keine leeren Wein- oder Bierflaschen. Sondern Plastikflaschen in Hellblau, randvoll gefüllt mit dem Heilwasser der Quelle, die am Dorfausgang bei der Clue de la Fou aus dem Fels sprudelt.

Im 19. Jahrhundert hatte das Wasser die Thermen gespeist, die heute der belgische Maler Patric Marquet als Kunstprojekt in XXL saniert.

Crottes: Mit Wortwitz gegen Hundekot: Hier ist ein Bürgersteig, kein Platz für Hundedreck, informiert ein Nachbar an seinem Grundstückszaun. Foto: Hilke Maunder
Mit Wortwitz gegen Hundekot: Hier ist ein Bürgersteig, kein Platz für Hundedreck, informiert ein Nachbar an seinem Grundstückszaun. Foto: Hilke Maunder

Von Heilwasser als Hausschmuck indes hatte ich in Frankreich noch nie etwas gehört. Doch Wasserflaschen vor den Fassaden waren mir schon hin und wieder aufgefallen.

Endlich fasste ich den Mut und fragte eine Nachbarin, die vor ihrer Haustür fegte. Madame blickte kurz auf, verzog den Mund ein wenig und sagte: „Mais… wissen Sie es denn nicht? Das hilft gegen die chiens, gegen ihr pipi und die crottes!“

Jetzt war ich baff. Madame indes entleerte schwungvoll ihren Putzeimer und spülte mit seinem Wasser nicht nur das aufgefegte Laub weg. Sondern auch die crottes vor ihrer Haustür.

Crottes-Protest. Foto: Hilke Maunder
crottes-Protest, auf den Trottoir gesprüht. Foto: Hilke Maunder

Les crottes: Frankreichs dreckiges Problem

Les crottes sind in ganz Frankreich ein heißes, oder vielmehr gehasstes, Problem. Vielen Franzosen stinkt es zum Halse.

Andere hingegen mobben mit Hundekot.  Sie lassen beim Gassi-Gehen den Hund bei seinem Geschäft vor dem Haus des Nachbarn oder ungeliebten Mitmenschen hocken – frühmorgens oder spätabends, wenn niemand sie sieht. Dort liegt er dann bis zum nächsten Regen. Oder der nächsten Straßenreinigung.

Crottes. Foto: Hilke Maunder
Hausbesitzer wehren sich: les crottes – bitte nicht vor unserer Haustür! Foto: Hilke Maunder

Doch immer mehr Städte und Gemeinden haben der tierisch braunen Hinterlassenschaft den Kampf angesagt. Mehr als 20 Tonnen Hundekot räumt Paris täglich von seinen Trottoirs. Wer den Kot seines tierischen Freundes liegen lässt, muss nicht nur in Paris mit einem Bußgeld rechnen. Mehr als 3000 Strafzettel hagelt es allein in der Hauptstadt jedes Jahr.

Auch Le Cannet belegt das Liegenlassen der "crottes" mit Strafe
Les crottes nicht aufgehoben? Das kostet auch in Le Cannet ein Bußgeld von 68 Euro. Foto: Hilke Maunder

Béziers Bürgermeister Robert Ménard kam 2019 auf die Idee, seine Bewohner und Besucher zu bitten, Häufchenfotos per Mail an balancetacrotte@ville-béziers.fr zu schicken, um sie anschließend dem Präfekten zukommen zu lassen. Viel PR für wenig Erfolg, kritisieren seine Gegner.

Toulouse setzt seit Herbst 2011 nicht mehr auf den Halter, sondern auf den Hund, um die Kot-Flut einzudämmen. Die Luftfahrtmetropole an der Garonne hat dazu einen speziellen Hundelockstoff entwickelt, der nach Essen, Urin und Exkrementen riecht.

Das lockt das Tier – und kann der Mensch als schlechtere Spürnase nicht riechen. An der Garonne zieht seitdem der Hund seinen Herrn zum richtigen Örtchen, sprich einem der vielen Hundeklos der Stadt.

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Elisabeth Maier. Foto: privatMein Frankreich fürs Ohr: Elisabeth Maier hat diesen Beitrag für euch eingesprochen. Mehr zu der Österreicherin mit Wahlheimat in Hamburg erfahrt auf ihrer Homepage.

Merci, Elisabeth!

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Crottes: Hundekot-Beutel und Abfalleimer in Saint-Paul-de-Fenouillet. Foto: Hilke Maunder
Hundekot-Beutel und Abfalleimer in Saint-Paul-de-Fenouillet. Foto: Hilke Maunder

12 Kommentare

  1. Hallo, hier in Latour de France ist es leider das Gleiche. Trotz etlicher Veröffentlichungen und Kommentare im örtlichen Stadtboten, kostenlosen Kotbeuteln sowie einer Plakatierungsaktion, die Haufen werden nicht weniger. Im Kopf habe ich schon so manche Straße und den ein oder anderen Platz umbenannt:“Corniche de Crottes“, „Carrière de Crottes“ oder auch “ Carré de Crottes“ finde ich ich ganz passend.
    In diesem Jahr trocknen die elenden Hinterlassenschaften bisher (Juni23) noch nicht einmal aus, was dem Grauen den schlimmsten Schrecken nehmen würde. Das Gute daran: jeder Tropfen Regen ist ein Segen.
    Beste Grüße aus Latour de France
    Beate

    1. Hallo Beate, Du wohnst ja ganz in der Nähe von Saint-Paul-de-Fenouillet … ein sehr charmanter Ort, dieses Latour-de-France. Und auch wir freuen uns über jeden Regen, der die Straßen säubert. Bises! Hilke

  2. Ist man in St. Paul weiter als in Hamburg? Hier soll jeder Hundehalter Hundebeutel bei sich haben, und ich hänge die leeren Beutel an meinen Zaun. Leider gibt es nicht genug öffentliche Mülleimer oder extra Hunde-Eimer. So landen die vollen Tüten auf dem Gehweg, in der Landschaft oder bei mir im Garten. Aber so tritt man zumindest nicht hinein.

    1. Nun… so weit würde ich nicht gehen Aber es gibt extra Hundekot-Abfalleimer mit dort auch zu nehmenden Beuteln. Viele Grüße nach Hamburg!

  3. Ich nehme an, dass die blauen Wasserflaschen ein blaues Licht reflektieren, das die Hunde irritiert. Analog zu den blauen Katzenaugen an Leitpfosten in waldreichen Gebieten Deutschlands. Begründet wird die abschreckende Wirkung durch das Nichtvorhandensein von blauem Licht in der Natur. Sie kennt nur weißes, gelbes und rotes Licht von Sonne, Mond und Sternen.

  4. Hallo,
    soufre mouillable…ist das auch für Nachbars Katzen in unserem Garten einsetzbar?

    Beste Grüße von der Nahe
    Siegrid Frick

  5. Ach ja, souffre mouillable, das kenn ich auch, diese gelben Streifen an den Häusern entlang. Und die bouteilles kenn ich auch – nur: WARUM wirken die??? Grüße aus dem leeren München!

    1. Hallo, angeblich prallt der Strahl an – behauptet meine Nachbarin. Zudem, sagt sie, erkennen die Hunde nicht das Objekt, können die Wasserflasche nicht einordnen – und machen einen Bogen darum. Ich selber habe keinen Hund und habe es noch nie gesehen, dass es tatsächlich funktioniert…

  6. Liebe Frau Maunders,
    dieses leidliche Problem gehört zu Frankreich wie Baguette. Die Strafe von € 68 ist viel zu gering und nicht abschreckend. In englischen Küstenorten liegen die Strafen im dreistelligen GBP Bereich.
    Altes Hausmittel im Midi: soufre mouillable. Man streut eine dünne Spur am Haus entlang. Die Wärme läßt den Schwefel sublimieren. Die empfindlichen Hundenasen machen einen großen Bogen um diese für uns nicht wahrnehmbaren Dämpfe.
    In Sigean stehen auch Plastikflaschen und Kotbeutel sind kostenlos verfügbar: mit begrenztem Erfolg. Etliche Hundehalter lassen ihren Hund streunen.
    C’est la vie en France
    Beste Grüße z.Z. aus Monheim am Rhein
    Hans Haidt

    1. Hallo Herr Haidt, danke für den Tipp. Soufre mouillable – ist das wasserlösliches Schwefelpulver? Ich hatte mal so etwas beim Gartenbedarf gesehen… Beste Grüße! Hilke Maunder

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