Die Gassen von Cucuron im Luberon. Foto: Hilke Maunder
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Cucuron: Luberon ganz dörflich

Schmal und hoch sind die Häuser von Cucuron. Von hellem Orange bis tiefrot changiert der Ton der Dachziegel. Katzen streunen über das Pflaster. Agaven klammern sich an den Hang. Rosmarin und Lavendel erfüllen die Luft mit ihrem Duft. Silbrig sind die Blätter am Olivenbaum. 300 Tage lang scheint hier durchschnittlich die Sonne!

Idylle in der <em>Rue de l'Église</em> von Cucuron, Foto: Hilke Maunder
Idylle in der Rue de l’Église von Cucuron. Foto: Hilke Maunder

Der kleine Ort gehört für mich zu den schönsten Dörfer im Vaucluse. Er ist ein Schmuckstück, für dessen Entdeckung man sich Zeit nehmen sollte, und gehört bei einem Besuch im Süd-Luberon immer dazu.

Errichtet auf zwei Hügeln

Cucugnan nannte es Alphonse Daudet in seinen „Briefen aus meiner Mühle“, und verewigt es darin literarisch. Der Ursprung seines Namens liegt in der geografischen Lage des Ortes. Cucuron wurde auf zwei Hügeln errichtet. Das keltische Wort cuc verrät, wie die Gründer sie einst sahen: als Brustwarzen!

Auf dem höchsten Hügel erhebt sich der mittelalterliche Donjon und wacht über Cucuron, das die Familie Reillanne-Valence rund um ihren befestigten Hügel herum aufbaute.

Der Donjon Saint-Michel

Der Vierecksturm mit seinen hohen, schlanken Schießscharten gehört heute der Gemeinde. Eine Wendeltreppe führt hinauf zum ersten Stock. Dieser Saal, der in Längsrichtung gewölbt ist, befindet sich noch auf dem Felsen. Dort sind immer wieder wechselnde Ausstellungen. Im zweiten Stock erreicht ihr eine Terrasse, die aber ursprünglich ein identischer Raum wie der im ersten Stock war.

Von der Spitze des Bergfrieds eröffnen sich wunderschöne Ausblick auf das Dorf und seine Umgebung: die Luberon-Kette im Norden, im Westen Vaugines, im Südwesten die Hügel von Cadenet, im Süden Ansouis und sein Schloss, im Osten die Dächer von Cucuron mit dem Turm der Zitadelle und die Kirche Notre-Dame de Beaulieu.

Der Belfried (Porte de l’Horloge)

Der Belfried wurde 1541 auf einem Tor der zweiten Stadtmauer errichtet, das nach dem Bau der dritten Stadtmauer seine Verteidigungsfunktion verloren hatte. Er wird von einem Glockenturm gekrönt, dessen Glockentürmchen als Träger eines Kreuzes dient.

Unter diesem Kreuz konnte man früher ein Ornament erkennen, das an die Form eines Insekts erinnerte. Das Volk amüsierte sich darüber, dass es sich dabei um eine barbarota handelte, und damit um einen Rüsselkäfer, der sich in den Dachböden niederließ.

Seine symbolische Präsenz auf der Spitze des Glockenturms sollte die Getreideernte schützen. Denn, davon war das Volk einst überzeugt: Wenn die barbarota auf dem Glockenturm ist, ist sie nicht auf dem Dachboden!

Ein Kreuz bekrönt den Glockenturm, der im Jahr 1540 auf einem Torturm der mittelalterlichen Stadtmauer errichtet wurde.

Notre-Dame-de-Beaulieu

Auf der Höhe war auch der Klerus. Über den Gassen leuchtet die Fassade der Église Notre-Dame-de-Beaulieu im Sonnenlicht. Am Samstag nach dem 21. Mai wird bei der Fête du Mai de la Sainte Tulle die höchste Pappel des Dorfes gefällt, geschmückt und als Maibaum vor die Kirche gesetzt. 1587 beschloss der Gemeinderat, einen offenen Glockenturm an der Fassade zu errichten. 1624 wurde er fertiggestellt.

Die <em>Église Notre-Dame de Beaulieu</em>. Foto: Hilke Maunder
Die Église Notre-Dame de Beaulieu. Foto: Hilke Maunder

Der „Teich“ von Cucuron

Ein Sommermorgen in Cucuron. Noch still ist die Welt. Einzig eine Quelle plätschert gluckernd in ein riesiges rechteckiges Wasserbecken. L’Etang, der Teich, heißt es, und ist Herz des kleinen Städtchens an den Südflanken des Luberon. Platanen spiegeln sich in seinen Fluten.

Der <em>Étang</em> von Cucuron. Foto: Stefan Keiner
Der Étang von Cucuron. Foto: Stefan Keiner

Früher diente das steingefasste Becken als Wasserspeicher für die Brunnen und Mühlen des Dorfs. Heute stellen jeden Dienstag ein Dutzend Händler dort ihre Stände auf und verkaufen alles, was das Umland liefert oder braucht: Obst und Gemüse, Fleisch, Fisch und Meeresfrüchte, aber auch Kleidung und Küchengeräte, Möbel, Spielzeug oder Schmuck.

Edgar kleidet in Cucuron Männer und Damen ein. Foto: Hilke Maunder
Edgar kleidet in Cucuron Männer und Damen ein. Foto: Hilke Maunder

Die Départementsstraße 56 trennt den Markt vom Angebot der Geschäfte im Herzen von Cucuron. Mit Albert dem Metzger, Manon der Blumenfrau, dem Friseurgeschäft von Sunny und der Bäckerei von Provence Biscuit. Edgar versorgt Madame und Monsieur in Cucuron mit Mode von den Fußspitzen bis zum Chapeau.

Das einstige Waschhaus von Cucuron. Foto: Hilke Maunder
Das einstige Waschhaus von Cucuron. Foto: Hilke Maunder

Das Erbe der Römer

Schon die Römer fühlten sich in Cucuron wohl, verrät das  Musée Marc Deydier – Cucuron, das im einstigen Stadtpalais der Familie de Bouliers aus dem 17. Jahrhundert mit drei großen Themenkreisen die Ortsgeschichte Revue passieren lässt: Archäologie, Ethnografie und Fotografie.

Typisch provenzalisches Flair verströmt diese Fassade. Foto: Hilke Maunder
Typisch provenzalisches Flair verströmt diese Fassade. Foto: Hilke Maunder

Im ersten vorchristlichen Jahrhundert war Cucuron eine wichtige gallo-römische Handelsniederlassung gewesen. Davon zeugt eine gallo-römische Villa in Le Vièly.

Dort gefunden wurde auch ein Graffito auf bemaltem Putz, das im ersten Raum ausgestellt ist. Es zeigt ein römisches Handelsschiff. Ein zweiter Raum zeigt die Ausgrabungen des gallo-römischen Mausoleums von Pourrières, das um 1970 bei Cucuron entdeckt wurde.

Auch der Ortsname soll der Legende nach auf die Römer zurückgehen. Cäsar höchstpersönlich soll den fliehenden Einwohner hinterhergerufen haben: Cucurrunt?  – Warum rennen sie?“

Treppenwege winden sich am Fels des alten Dorfes auf und ab. Foto: Hilke Maunder
Treppenwege winden sich am Fels des alten Dorfes auf und ab. Foto: Hilke Maunder

Alltagserbe der Einheimischen

Die ethnografische Sammlung entstand in den 1970er-Jahren als lokale Initiative. Mit kollektiver Begeisterung hatten die damaligen Bewohner dem Museum Alltagsgegenstände aus dem 19. und 20. Jahrhundert überlassen.

Sie machten es möglich, kleine lokale Fenster der Zeitgeschichte zu inszenieren – mit einem Saal zur Feldarbeit, zum Handwerk, zur Republik und mehrere Vitrinen zum öffentlichen und privaten Leben im Laufe des 19. Jahrhunderts.

Stillleben in Cucuron. Foto: Hilke Maunder
Stillleben in Cucuron. Foto: Hilke Maunder

Die Fotoplatten des Notars

Der größte Schatz des Museums sind jedoch die mehr als 2800 Fotoplatten, die Marc Deydier, Notar mit Leidenschaft für Paläontologie, Geologie, Archäologie, Prähistorie und Tierpräparationen, in den Jahren 1890 bis 1920 aufgenommen hatte.

Auf 2800 Fotoplatten hielt Marc Deydier um 1900 das Dorfleben fest. Foto: Hilke Maunder
Auf 2800 Fotoplatten hielt Marc Deydier um 1900 das Dorfleben fest. Foto: Hilke Maunder

Als Liebhaber der provenzalischen Sprache unterhielt er einen Briefwechsel mit Frédéric Mistral und hielt akribisch das damalige Leben im Lichtbild fest: Taufen, Hochzeiten und Todesfälle, Feste, Bankette, aber auch Landarbeit und Landschaften des Luberon und des Vaucluse. Zu seinen Motiven führt heute ein 30-minütiger, markierter Stadtrundgang.

Einige der schönsten Motive von Marc Deydier sind an den Fassade von Cucuron ausgestellt und entführen in die Zeit um 1900. Foto: Hilke Maunder
Einige der schönsten Motive von Marc Deydier sind an den Fassaden von Cucuron ausgestellt und entführen in die Zeit um 1900. Foto: Hilke Maunder

Drehort für Welterfolge

Ein Provenzale mit Leib und Seele war auch Jean Giono (1895 – 1970). Mit Le Hussard sur le toit* (Der Husar auf dem Dach*) verfasste er 1951 den dritten Band eines Abenteuerromans, der 1955 ins Deutsche übersetzt wurde.

40 Jahre später – 1995 – inspirierte er Jean-Paul Rappenau zum damals teuersten französischen Film. In den Hauptrollen: Gerard Dépardieu, François Cluzet, Olivier Martinez und Juliette Binoche, die sich als Pauline de Théus in Cucuron nach dem Husaren verzehrte…

2005 zog es den britischen Filmregisseur Ridley Scott nach Cucuron. Er verfilmte dort und in Nachbardörfern den Roman Ein guter Jahrgang* von Peter Mayle und brachte ihn als A Good Year* in die Kinos.

Im alten Kern von Cucuron. Foto: Hikle Maunder
Im alten Kern von Cucuron. Foto: Hikle Maunder

Cucuron: meine Reisetipps

La Cavale

Alles begann 1973, als Paul Dubrule, Mitbegründer der Accor-Gruppe, sich in die Bastide La Cavale und die Schönheit des Luberon verliebte und eine kleine Parzelle mit einigen Rebstöcken erwarb. 1986 kaufte er ein Weingut in Cucuron und nannte es La Cavale.

Zwischen 2005 und 2009 engagierte sich Paul Dubrule im Rahmen seines Mandats als Senator für den Ausbau des Weintourismus im Luberon und öffnete auch sein Weingut für Besucher.

Für den Neubau engagierte er den bekannten Architekten Jean-Michel Wilmotte. 2018 hat Thierry Mueth, der Schwiegersohn von Paul Dubrule, die Leitung des Weinguts La Cavale übernommen.
• 3017, Route de Lourmarin, 84160 Cucuron, Tel. 04 90 08 31 92, www.domaine-lacavale.com

Schlemmen (und schlafen)

Hôtel Dame Jeanne

Das <em>Hôtel DameJeanne</em>. Foto: Hilke Maunder
Das Hôtel Dame Jeanne. Foto: Hilke Maunder

2019 haben der aus Aix-en-Provence stammende Thomas Richard und seine Partnerin Marjorie Charvet das Hôtel-Restaurant im Herzen des alten Cucuron übernommen und überraschend wie liebevoll renoviert. Im Herbst 2022 verkauften sie es wieder. Und zogen einige Dörfer nach Vaugines weiter, um dort das Café de la Fontaine aufzumachen.

Ihr Hotel fand einen neuen Besitzer. Und ist so charmant wie eh und je. Mein Lieblingszimmer? Nummer vier mit dem Balkon unter dem Dach!
• Rue de l’église, 84160 Cucuron, Tel. 04 86 78 68 99

Offenlegung

Ich logierte im Hôtel Dame-Jeanne auf eigene Kosten. Das garantiert journalistische Unabhängigkeit.

Thomas Richard und Marjorie Carvet. Foto: Hilke Maunder
Thomas Richard und Marjorie Carvet. Foto: Hilke Maunder
Der Speisesaal des Hôtel Dame-Jeanne. Foto: Hilke Maunder
Der Speisesaal des Hôtel Dame-Jeanne. Foto: Hilke Maunder
Zimmer Nr. 4 im Hôtel Dame-Jeanne. Foto: Hilke Maunder
Zimmer Nr. 4 im Hôtel Dame-Jeanne. Foto: Hilke Maunder

Les Chambres de Charlotte*

Im alten Herzen von Cucuron richtete Thibaut in einem alten Herrenhaus aus dem 18. Jahrhundert drei Gästezimmer und ein Suite ein. Juliette, Lou-Jane, Jeanne und Linette – welche Geschichten waren wohl mit diesen weiblichen Vornamen verbunden? Das ausgiebige französische Frühstück serviert vielleicht Charlotte, die Tochter von Thibaut.
• 39, Rue de la Place, 84160 Cucuron, https://les-chambres-de-charlotte.com

Le Pavillon de Galon*

Guy Hervais und seine Frau Bibi haben am Ortsrand von Cucuron ein Jagdschlösschen aus dem 18. Jahrhundert in ein luxuriöses Verwöhnhotel verwandelt – mit edlen Suiten, Infinity-Pool und einem Garten, der die Küche des Hauses bereichert.

Aus den Früchten der 150 Arten in den Obstgärten stellt Hausherrin Bibi feinste hausgemachte Konfitüren für die Gäste her: Feigen mit frischen Pistazien, Kirschen mit Wildblumen, Melone mit Zitronen, Erdbeeren mit Mandeln. Für die Bienen stellt Guy Stöcke aus Terracotta in den Garten.

Mit Le Miel du Jardin Bleu erzeugen sie den hauseigenen Bio-Honig. Die Oliven der hauseigenen Ölbäume presst der Nachbar kalt zu köstlichem Olivenöl. Auch den eigenen Rot- und Roséwein Hocus Pocus produziert das Paar in sehr begrenzten Mengen – weniger als tausend Flaschen pro Jahr – von ihren rund 40 Jahre alten Grenache-Stöcken der Côte du Luberon.
• Chemin de Galon, 84160 Cucuron, Tel. 06 13 39 17 31, https://pavillondegalon.com

Frühstück en terrasse: Herrlich, wenn ein Morgen in Cucuron so beginnt! Foto: Hilke Maunder
Frühstück en terrasse: Herrlich, wenn ein Morgen in Cucuron so beginnt! Foto: Hilke Maunder

Noch mehr Betten*

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Ermitage de Cucuron

Eine hübsche Wanderung führt zu dieser Einsiedelei, die bereits 1292 in alten Pilgerpapieren erwähnt wird. Die Aussicht von dort ist wunderschön!

Ein paar Tische auf dem Pflaster genügen für Geselligkeit. Minuten später waren die Nachbarn des Hauses dort beim Klönschnack vereint. Foto: Hilke Maunder
Ein paar Tische auf dem Pflaster genügen für Geselligkeit. Minuten später waren die Nachbarn des Hauses dort beim Klönschnack vereint. Foto: Hilke Maunder

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Für den Einstieg in den Luberon empfehle ich euch diesen Beitrag.

Luberon: Hideaway der Promis

Im Buch

Das Südfrankreich-Reise-Kochbuch: Le Midi*

Die tarte aux tomates anciennes ist eine der 80 echten, authentischen Speisen, die ich bei meiner kulinarischen Landpartie durch den Süden von Frankreich entdeckt habe. Zwischen Arcachon, Hendaye und Menton schaute ich den Köchen dort in die Töpfe, besuchte Bauern, kleine Manufakturen, Winzer und andere lokale Erzeuger.

Gemeinsam mit dem Fotografen Thomas Müller reiste ich wochenlang durch meine Wahlheimat und machte mich auf die Suche nach den besten Rezepten und typischsten Spezialitäten der südfranzösischen Küche. Vereint sind sie auf den 224 Seiten meines Reise-Kochbuchs Le Midi.

Ihr findet darin 80 Rezepte von der Vorspeise bis zum Dessert, Produzentenportaits, Hintergrund zu Wein und Craftbeer, Themenspecials zu Transhumanz und Meer – und viele Tipps, Genuss à la Midi vor Ort zu erleben. Wer mag, kann meine 80 Sehnsuchtsrezepte aus Südfrankreich hier* online bestellen.

DuMont Bildatlas Provence 2021DuMont-Bildatlas „Provence“*

In sechs Kapiteln stelleich ich euch zwischen Arles und Sisteron die vielen Facetten der Provence vor. Ihr erfahrt etwas vom jungen Flair zu Füßen des Malerberges, vom Weltstadttrubel an der Malerküste, dem weißen Gold aus der Pfanne oder einer Bergwelt voller Falten.

Neben Aktivtipps, Hintergrund und Themenseiten gibt es in der Edition 2021 zwei neue Rubriken. „Ja, natürlich“ präsentiert zahlreiche Tipps für nachhaltige Erlebnisse und Momente.

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