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Guy Bourdin: der surreale Mode-Fotograf

Guy Bourdin fegte sämtliche Schönheitsnormen, sittliche Gepflogenheiten und ordentliche Produktdarstellungen mit einem Strich respektlos weg. Rund um den weiblichen Körper baute er visuelle Verstörungen ein, das Empörende, das Haarsträubende, das Indiskrete, das Hässliche, das Scheitern, das Fragment, die Abwesenheit, den Torso und den Tod – die gesamte Spannung und Spannweite des Außerästhetischen und Außermoralischen.

Diese sagte 2013 der Fotograf Ingo Taubhorn anlässlich einer Ausstellung, die der gebürtige Dortmunder in Hamburg am Haus der Photographie der Deichtorhallen kuratiert hatte. Sie war damals erste umfassende Retrospektive zum Werk des legendären französischen Fotografen Guy Bourdin (1928–1991)

Hinweis: Alle Fotos von Guy Bourdin sind urheberrechtlich geschützt. Daher sind sie hier nicht zu sehen.

Malerei, Film & Foto

Guy Bourdin wurde am 2. Dezember 1928 in Paris geboren. Seine Mutter verließ ihren Mann, als Guy noch ein kleines Kind war. Der Vater heiratete einige Jahre später erneut. Der  Junge wurde daraufhin in ein Internat „entsorgt“, wo er fünf Jahre lang blieb, ehe seine Großmutter väterlicherseits aufnimmt. Seine Kindheit verbrachte Bourdin zwischen Paris und der Normandie.

Als Guy 15 Jahre alt war, erblickt sein Halbbruder Michel das Licht der Welt. Zunächst hat er jahrelang eine herzliche Beziehung zu ihm. Doch dann durchlebte Guy eine Reihe persönlicher Dramen. Die Folge: Er brach er alte Beziehungen ab,  die ihn an Abschnitte seines Lebens banden, die zu schweren Erinnerungen geworden waren, die er aber in seiner Arbeit inszeniert.

 

Geschichten in Farbe und Schwarz-Weiß

In seiner mehr als 50-jährigen Schaffenszeit hat Guy Bourdin für fast alle führenden Modehäuser und -magazine gearbeitet. Mit dem Blick eines Malers schuf er komplexe Bilder, die in unglaublichen Kompositionen faszinierende Geschichten in Schwarz-Weiß und Farbe erzählen.

Er war einer der ersten Fotografen, der in Werbe- und Modefotografien anstelle eines Produkts eine Erzählung zum Bildinhalt erhob. Mit dem Medium der Modefotografie vermittelte er seine Botschaft und erforschte die zwischen dem Erhabenen und dem Absurden changierenden Bereiche.

 

 

Surreale Bild-Geschichten

Berühmt für seine narrativen Bildinhalte und seine surreale Bildsprache, die Verbindung einfacher Objekte mit mehrdeutigen, oft rätselhaften Subtexten, brach Bourdin radikal mit allen Konventionen der Mode- und Werbefotografie.

Seine Karriere begann in den 1950er-Jahren mit schwarz-weißen Modeaufnahmen für die Pariser Vogue. Fast die Hälfte seines Werks besteht aus Schwarz-Weiß-Fotografien, die ebenso kraftvoll sind, wie seine bekannten Farbaufnahmen.

Guy Bourdin: museumsreife Cover

Im Herzen ein Maler und Autodidakt auf dem Gebiet der Photographie, arbeitete der Franzose für Magazine wie Vogue sowie für Marken wie Chanel, Ungaro und Charles Jourdan. Seine ersten Photographien zeigte er 1952 in der Galerie 29.

Heutzutage sind seine Arbeiten in den renommiertesten Museen der Welt ausgestellt – im Londoner Victoria & Albert Museum, im Pariser Jeu de Paume, im National Art Museum von China in Peking, im Tokyo Metropolitan Museum of Photography und im Moscow House of Photography.

Das MoMA in New York, das Getty Museum in Los Angeles, das SFMOMA in San Francisco und das Victoria & Albert Museum haben zudem eine beachtliche Zahl seiner Arbeiten im Archiv.

 

Kreativschmiede im Marais

Der Franzose wusste genau, wie man die Aufmerksamkeit des Betrachters erlangte und überließ nichts dem Zufall. Er kreierte makellose Settings und fotografierte in seinem Studio in der Rue des Écouffes im Marais in gewöhnlichen Schlafzimmern, am Strand, in der Natur oder im urbanen Raum.

Die ausgefallene Dramatik, die sich in diesen scheinbar alltäglichen Szenen entfaltet, stachelt die Fantasie und das Unterbewusstsein an. Als Perfektionist entwickelte Guy Bourdin nicht nur kompositorische Elemente wie hyperreale Farben, angeschnittene Elemente und ein raffiniertes Zusammenspiel von Licht und Schatten, sondern sogar auch Details wie ein spezielles Make-up für seine Models.

Agnès Varda und Guy Bourdin

In den 1950er-Jahren traf die Filmemacherin Agnès Varda den damals jungen Fotografen in Saint-Aubin. Als 89-Jährige kehrte sie gemeinsam dem 33 Jahre alten Fotografen und Street-Art-Künstler JR im Jahr 2017 dorthin zurück und filmte am einzigen echten Sandstrand der Alabasterküste Szenen ihres Dokumentarfilms „Visages, Villages“.

Das Foto, was sie von Guy vor rund 70 Jahre gemachte hatte, platzierte sie das Foto für eine Szene auf ein deutsches Blockhaus. Der Bunker aus dem Krieg war von der Klippe gefallen und ragte nun aus der Mitte des Strandes empor. Das Anbringen des Fotos war sehr strapaziös, der Bunker ist riesig und die Flut kam schnell näher. Für kurze Zeit verwandelte sich der Kriegsbunker zur Wiege für einen jungen Guy Bourdin.

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Online

Ein faszinierendes Porträt des Fotografen, der es liebte, Bilder in Rätsel zu verwandeln.

www.franceculture.fr/emissions/une-vie-une-oeuvre/guy-bourdin-1928-1991-un-certain-sourire

Leben und Werk bewahrt The Guy Bourdin Estate und stellt es online wie auch bei Ausstellungen vor.

www.guybourdin.org/guy-bourdin

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