Radwandern am Seitenkanal der Garonne in Nouvelle-Aquitaine. Foto: Hilke Maunder
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Tourtipp: Radwandern im Entre-deux-Mers

Fast 1000 Quadratkilometer umfassen die Weinberge rund um Bordeaux. Das größte Anbaugebiet des Bordelais ist Entre-Deux-Mers. Es erstreckt sich zwischen Dordogne und Garonne und liefert 85 Prozent der Bordeaux-Weine. So steht es in meinem Reiseführer. Doch ich sehe nur: Mais bis an den Horizont. Und Hafer.

Eine halbe Stunde später knorrige Kastanien. Viehweiden. Obsthaine voller Aprikosen und Pfirsiche. Hohe hölzerne Scheunen zum Trocknen von Tabak. „Entre-deux-Mers ist geprägt von landwirtschaftlicher Vielfalt. Hier gibt es kaum Monokulturen.“

Die Station Vélo von Créon. Foto: Hilke Maunder
Die Station Vélo von Créon. Foto: Hilke Maunder

Daniel Martin, mein Guide für den heutigen Tag, nimmt wieder sein Rad und strampelt weiter durch die Toskana von Bordeaux.

Unsere Räder haben wir für wenige Euro an der Station Vélo de Créon ausgeliehen. Der 5000-Einwohner-Ort im Einzugsgebiet von Bordeaux nutzte den 100. Geburtstag der Tour de France 2003 für ein Pilotprojekt.

Pilotprojekt in Créon

Entre-deux-Mers: die Station Vélo von Créon. Foto: Hilke Maunder
Die Station Vélo von Créon. Foto: Hilke Maunder

Als erste Stadt in Frankreich eröffnete Créon im ehemaligem Bahnhof an der Strecke Bordeaux – Sauveterre de Guyenne eine Service-Station für Radfahrer. Im einstigen Wartesaal hängen und stehen heute Dutzende Leihräder: Mountainbikes, Trekking- und Tourenräder, Tandems – und sogar ein Tricycle für Erwachsene.

Kindersitze und Helme sind ebenfalls im Verleih, Werkzeug und fachliche Hilfe selbstverständlich. Seit Ende 2017 vervollständige Handräder die Fahrradflotte.

Man sieht es ihr an: Auch die Stuttgarterin Katharina Fadel ist wie Leiterin Aurélie Garrabos sichtlich stolz auf die Station. Zu den neuen Angeboten, die beide entwickelt haben, gehört auch Geocaching.

Und für alle, die ein wenig Ruhe suchen, lesen oder ein wenig pausieren möchten, schufen sie ein zone cocooning. Nachmittags gibt es zur „Happy Hour“ günstigere Tarife. Und wer Klettergarten und Rad kombiniert, spart nochmals 20 Prozent.

Auf Landwegen abseits vom Verkehr durch wunderschöne Landschaften radeln - herrlich! Wie hier in Entre-deux-Mers. Foto: Hilke Maunder
Auf Landwegen abseits vom Verkehr durch wunderschöne Landschaften radeln – herrlich! Wie hier im Entre-deux-Mers. Foto: Hilke Maunder

Radwandern im einstigen Gleisbett

Direkt vor dem Bahnhof wurde im Gleisbett ein 57 Kilometer langer Radweg angelegt. Mit seinem Namen erinnert er an die südwestfranzösischen Radsport-Brüder Guy und Roger Lapébie. Roger gewann 1937 die Tour de France. Anfang September heißt es Ouvre la Voix am Radweg. Dann fordert Frankreichs einziges  Rad-Musik-Festival zum Mitsingen auf!

Während ich immer wieder anhalte, über die Blütenpracht staune und den Blick über die sanft gewellte Landschaft gleiten lasse, hat Daniel Martin fast schon unser erstes Ziel erreicht, zu dem es im kurzen Sprint hinauf geht: die Abbaye de la Sauve-Majeure.

Weinkloster am Radweg: die Abbaye de la Sauve Majeure. Foto: Hilke Maunder
Weinkloster am Radweg: die Abbaye de la Sauve Majeure. Foto: Hilke Maunder

Das Wein-Kloster

1079  gründete ein Benediktinerabt, der später heilige Gerhard von Sauve-Majeure, im ausgedehnten Wald von Entre-deux-Mers in der Nähe des Jakobsweges ein Kloster, das die Herzöge von Aquitanien förderten und unterstützten.

Im 12. Jahrhundert stand die romanische Abtei an der Spitze von 70 Prioraten zwischen England und Aragon und barg innerhalb ihrer sauveté eine bedeutende Klosterstadt.

Die Abtei Sauve-Majeure. Foto: Hilke Maunder
Die Abtei Sauve-Majeure. Foto: Hilke Maunder

Nach der Französischen Revolution als Steinbruch verwendet, ist die Klosterkirche seitdem nur noch eine Ruine.  Aber was für eine – groß und grandios! Drei Hektar groß ist die Wiese voller Ruinen.

Abbaye de la Sauve-Majeure. Foto: Hilke Maunder
Auch als Ruine noch grandios: die Abbaye de la Sauve-Majeure. Foto: Hilke Maunder

Eine grandiose Ruine

Vom Kreuzgang ist nur noch der Grundriss erhalten, vom Kapitelsaal nur noch niedrige Säulen, vom Refektorium steht nur noch eine Mauer mit gotischen Fensteröffnungen.

Nahezu vollständig zerstört sind auch das Skriptorium und der Schlafsaal der Mönche. Doch die hohe Apsis im Schatten der Steineiche strahlt noch die klösterliche Atmosphäre von damals aus.

Entre-deux-Mers: Beeindruckend - die Kapitelle der Abtei Sauve-Majeure. Foto: Hilke Maunder
Beeindruckend – die Kapitelle der Abtei Sauve-Majeure. Foto: Hilke Maunder

Die reich verzierten Säulen mit ihren fein behauenen Kapitellen zeigen Akanthus, Farn, Wein und Kiefern. Auch  lustige Akrobaten, Streithähne und Vögel sind zu sehen. Sie allesamt zeugen vom einstigen Reichtum der Abtei.

Entre-deux-Mers: Der Glockenturm der Abbaye de la Sauve-Majeure eröffnet weite Ausblicke. Foto: Hilke Maunder
Der Glockenturm der Abbaye de la Sauve-Majeure eröffnet weite Ausblicke. Foto: Hilke Maunder

Glücklicherweise hat sie auch ihren Glockenturm bewahrt: Steigt hinauf und genießt den Ausblick! Und danach einige Tropfen aus Entre-deux-Mers in der einstigen Klosterscheune.

Weinprobe in der Klosterscheune

Als Maison des Vins de l’Entre-deux-Mers stellt sie heute die Reben vor, die auf den ton- und kieshaltigen Böden zwischen Dordogne und Gironde gedeihen und frische, fruchtige Weißweine liefern.

Entre-deux-Mers: Der Glockenturm der Abbaye de la Sauve-Majeure eröffnet weite Ausblicke. Foto: Hilke Maunder
Weit schweift der Blick über das Land von Entre-deux-Mers. Foto: Hilke Maunder

Die Rotweine der Region werden als Bordeaux oder Bordeaux Supérieur vermarktet. Denn die Appellation Entre-deux-Mers gilt nur für weiße Tropfen, die aus Sauvignon Blanc, Sémillon, Colombard, Muscadelle, Mauzac und Ugni Blanc gekeltert wurden.

Auf Treidelwegen am Garonne-Seitenkanal

Radwandern am Garonne-Seitenkanal. Foto: Hilke Maunder
Vor Ort wird noch einmal die Route überprüft. Mit meinen beiden Begleiterinnen bin ich dem Garonne-Seitenkanal bis nach Fontet gefolgt. Hilke Maunder

Am nächsten Tag: Szenenwechsel. Und neue Begleitung. Am kleinen Hafen von Fontet, in dessen großem, schattigen Park Picknicktische aufgestellt wurden, treffe ich Anne vom regionalen Tourismusamt und ihre Praktikantin. Gemeinsam folgen wir den Treidelwegen des Canal Latéral à  la Garonne.

Die Räder hat uns diesmal Alain Juzeau geliefert. Knallorange und leichtgängig, perfekt. Etwas zu sportlich radeln Anne und ich los. Ihre Studentin fährt sonst überall mit dem Wagen hin … Als sandiges Band in der Sonne, dann wieder im Schatten der Platanen, folgt der Radweg dem Kanal.

Entre-deux-Mers: Abseits vom Verkehr unterwegs am Canal Latéral à la Garonne. Die Treidelpfade sind herrlich zum Radfahren! Foto: Hilke Maunder
Abseits vom Verkehr unterwegs am Canal Latéral à la Garonne. Die Treidelpfade sind herrlich zum Radfahren! Foto: Hilke Maunder

Fast jeden Kilometer wird er von einer Straße überbrückt. Der Verkehr jedoch ist minimal. Kurz absteigen, schieben, dann wieder radeln. Vorbei an Maisfeldern, grasenden Kühen, Kirchen auf Anhöhen und Höfen, auf denen die Wäsche im Wind flattert.

Coole Kühe

Vom Atlantik bis zum Mittelmeer könnte ich so weiter radeln auf dem Canal des deux Mers, 800 Kilometer lang. Doch die Praktikantin ist abgestiegen, hat ihr Handy herausgeholt und fotografiert Kühe. Kunterbunte, gemalt auf Acryl, aufgehängt in der Écluse 50 von Bassanne.

Caroline  Benyahia und Christian Schueller vom Kanalcafé Écluse 50. Foto. Hilke Maunder
Caroline  Benyahia und Christian Schueller vom Kanalcafé Écluse 50. Foto. Hilke Maunder

Caroline  Benyahia und Christian Schueller haben dort das ehemalige Schleusenhäuschen in ein charmant verrücktes Lokal verwandelt – mit Retro- und Recyling-Objekten, französischen und US-Flair, viel Herzblut und noch mehr Fantasie.

Auf der Karte stehen kleine Gerichte und Getränke, für Unterhaltung und Abwechslung während der Pause sorgen Bücher und Brettspiele, Malstifte und Zeitschriften.

Entre-deux-Mers: Hausboot am Garonne-Seitenkanal. Foto: Hilke Maunder
Hausboot am Garonne-Seitenkanal. Foto: Hilke Maunder

Schlemmen am Kanal

Gediegener gibt sich die Écluse 52 von Castets-en-Dorthe, wo die Hausbootkapitäne vor den eingedeckten Tischen ihre schwimmenden Häuser festgemacht haben: hochmoderne Kabinenkreuzer und behäbig-nostalgische Péniches aus der Blütezeit der Binnenschifffahrt.

Rillettes de Poissons und fricassée de calamars als Entrée, Filet mignon de porc moutarde à l’ancienne im Hauptgang und Coupe de Fruits Frais zum Dessert, das Ganze für 15 Euro, verrät eine Schiefertafel am Radweg das Mittagsmenü.

Entre-deux-Mers: Kühe grasen am Canal Lateral de la Garonne. Foto: Hilke Maunder
Kühe grasen am Canal Lateral à la Garonne. Foto: Hilke Maunder

500 Meter weiter endet der Garonne-Seitenkanal. Sein Wasser fällt bei der Écluse de Castets tief hinab in die Garonne. Dass es auch ungewöhnlich hoch steigen kann, verraten blau die runden Flutmarken auf der Fassade eines Hauses an der 400 Meter langen Schleuse.

Entre-deux-Mers: Die Schleuse Écluse de Castets. Foto: Hilke Maunder
Verwaist: die Schleuse Écluse de Castets. Foto: Hilke Maunder

Radeln im Entre-deux-Mers: meine Reisetipps

Entre-deux-Mers liegt am Kreuzpunkt von drei großen Radwanderrouten – der 430 Kilometer langen Tour de Gironde und dem 750 Kilometer langen Canal des 2 Mers, der Royan am Atlantik mit Sète am Mittelmeer verbindet.

Auf der 1.680 Kilometer langen Scandibérique könnt ihr vom norwegischen Trondheim via Entre-deux-Mer sogar bis Santiago de Compostela in Spanien radeln!

Fahrradverleih

Station vélo de Créon

• 62, Boulevard Victor Hugo, 33670 Créon, Tel. 05 57 34 30 95www.lepointrelaisvelo-creon.fr

Les Cycles du Canal

Leuchtend orange sind die Räder, die Alain Juzeau verleiht – und perfekt gewartet!
• 4, Rue Grossolle, 33210 Castets-en-Dorthe, Tel. 06 95 63 20 80, https://lescyclesducanal.com

Schlafen & schlemmen

Le Relais de la Garonne

Entre-deux-Mers: der Relais de la Garonne. Foto: Hilke Maunder
Der Relais de la Garonne. Foto: Hilke Maunder

Eigentlich ist Michel Baillon Friseur, doch die gemütlich-komfortablen Gästezimmer im elterlichen Hof direkt an der Garonne sind sein Herzblutprojekt.

Entre-deux-Mers: der Relais de la Garonne. Foto: Hilke Maunder
Ein Gästezimmer im Relais de la Garonne. Foto: Hilke Maunder

Abends könnt ihr als table d’hôte einen üppigen Salat mit Köstlichkeiten von der Ente genießen, gefolgt von einer Käseplatte und einem Dessert. Morgens überrascht euch Michels Mutter mit frisch gebackenen kleinen Kuchen und hausgemachter Konfitüre.
• 10, Le Bourg, 33190 Bourdelles, Tel.  5 56 61 73 64, https://lerelaisdegaronne.fr

Château du Payre

Seit fünf Generationen leiten Frauen das Weingut. 15 Weine und Liköre aus zehn Appellationen führt es im Sortiment.

Entre-deux-Mers: Château du Peyre. Weinlehrpfad. Foto: Hilke Maunder
Valérie Labrousse hat den Weinlehrpfad ihres Gutes mit QR-Codes bereichert. Foto: Hilke Maunder

Entdecken könnt ihr die Tropfen auf fünf Tafeln, die Valérie Labrousse neben ihre Reben gestellt und mit QR-Code versehen hat. Scannt ihn mit dem Handy ein – dann erfahrt ihr mehr.

Zur Nacht laden drei Zimmer und eine Familiensuite, die allesamt Namen von Reben tragen: Merlot, Sémillon, Sauvignon und Muscadelle.
• 13, Le Vic, 33410 Cardan, Tel. 05 56 62 60 91, www.chateau-du-payre.fr

Entre-deux-Mers: Nostalgisch komfortabel: die Zimmer des Château du Peyre. Foto: Hilke Maunder
Nostalgisch komfortabel: die Zimmer des Château du Peyre. Foto: Hilke Maunder

Verkosten

Château les Maubats

Der unabhängige Bio-Winzer vinifiziert aus 50 Prozent Merlot, 35 Prozent Cabernet-Sauvignon und 15 Prozent Cabernet Franc ausdrucksstarke Rotweine, die ihr acht bis zwölf Jahre lagern könnt.
• 33580 Roquebrune, Tel. 05 56 61 68 36, www.chateau-les-maubats.fr 

Nicht verpassen

Castelmoron d’Albret ist nicht nur Mittelalter in Miniatur, sondern auch die kleinste Kommune Frankreichs – und nur 3,54 Hektar groß!

Offenlegung

Bei meinen Recherchen im Entre-deux-Mers unterstützte mich Gironde Tourisme mit Kost, Logis und unglaublich kenntnisreichen, hilfsbereiten und herzlichen Mitarbeitern von den Fremdenverkehrsämtern vor Ort.

Ihnen allen sage ich merci und herzlichen Dank. Einfluss auf meine Blogberichte hat dies nicht. Ich berichte subjektiv, wie ich es erlebt habe, mache kein Merchandising und werde erst recht nicht für meine Posts bezahlt.

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