Falaise: Château de Falaise. Foto: Hilke Maunder
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Falaise: bei Wilhelm dem Eroberer

1066. Mit der Eroberung Englands schaffte es ein Normanne in die Geschichtsbücher. Seine Wiege stand in einer wehrhaften Burg, die auf einem Felsen hoch über der Ante thront. Zwei Kilometer lang sind die Mauern, die sie schützen.

Hinter ihrem dicken Schutzwall lässt ein Histopad mit Virtual Reality das Mittelalter in der Burg lebendig werden. 1944 widerstand der Bau den Bomben der Alliierten. In den 1990er-Jahren verwandelte Bruno Decaris den Stammsitz von Guillaume le Conquéreur in ein faszinierendes Museum.

Falaise: Château de Falaise. Foto: Hilke Maunder
Foto: Hilke Maunder

Ein langer Mauerriegel, ein Rundturm, ein klotziger Kasten: Unübersehbar und wahrhaft imposant thront das Château Guillaume-le-Conquérant über Falaise, einer Kleinstadt im Hinterland der Landungsstrände, rund 36 Kilometer südlich von Caen im Département Calvados.

Falaise: Château de Falaise. Foto: Hilke Maunder
Die Burg von Falaise in der Normandie. Foto: Hilke Maunder

Die Geburt des Bastards

1027 brachte dort eine Gerberstochter namens Herleva (auch: Arlette) den Sohn von Robert dem Herrlichen, Herzog der Normandie zur Welt. Während die katholische Kirche solche Kinder als „Bastarde“ ablehnte, waren sie in der von den Wikingern gegründeten Normandie jedoch völlig legitim.

Falaise: Château de Falaise. Foto: Hilke Maunder
Foto: Hilke Maunder

Dort wurden Ehen als more danico, und damit nach dänischer Sitte vollzogen. Sie erlaubte auch nicht-standesgemäße und polygame Ehen. Da diese „Ehe“ jedoch ohne kirchlichen Segen zustande gekommen war, wurde Wilhelm anfangs auch als „Wilhelm der Bastard“ bezeichnet.  Nach dem frühen Tod seines Vaters stieg er bereits im jungen Alter von gerade mal acht Jahren zum Herzog auf.

Falaise: Château de Falaise. Foto: Hilke Maunder
Foto: Hilke Maunder

Bereit zur Eroberung Englands

Unter seiner Herrschaft stieg die Normandie zu einem machtvollen Staat auf, dessen Ziele Klerus und Aristokratie unterstützten. Der Hof stand hinter Wilhelm. Zudem hatte der Tod ihn schließlich von seinen beiden gefährlichsten Gegnern in Frankreich – Graf Gottfried und König Heinrich – befreit. Wilhelm war bereit, England zu erobern.

Genau jene Zeiten lässt beim Besuch seines imposanten Stammsitzes ein Histopad aufleben. Dieses tablet ist gefüttert mit Bildern und Personen aus Wilhelms Epoche – und lässt sie auf Knopfdruck aufleben.

Falaise: Château de Falaise. Foto: Hilke Maunder
Foto: Hilke Maunder

Zeitreise mit dem Histopad

Videomapping verwandelt die Fassaden der Innenräume, stellt virtuelle Möbel und Wandteppiche in die Räume, lässt Personen erzählen und die Geschichte so lebendig aufleben, als sei man mittendrin dabei. Bei den Fêtes Médiévales de Falaise feiert die gesamte Stadt im August jene Blütezeit im Mittelalter mit einem großen Markt, Ritterturnieren und kostümierten Schaustellern.

Falaise: Château de Falaise. Foto: Hilke Maunder
Das Histopad im Einsatz. Foto: Hilke Maunder

Umkämpft, zerstört, aufgebaut: Die Burg von Falaise erlebte Jahrhunderte lang eine sehr wechselvolle Geschichte.  1204 fiel sie im Zusammenhang mit der Eroberung der Normandie in die Hände der Franzosen. 1417 besetzten Engländer die Anlage. Nach der Schlacht von Formigny (1450) kam Falaise endgültig zu Frankreich.

Falaise: Château de Falaise. Foto: Hilke Maunder
Das Histopad im Einsatz. Foto: Hilke Maunder

Die Kesselschlacht um Falaise

Im Zweiten Weltkrieg lag die Burg im Zentrum der Kesselschlacht um Falaise. 1944 war es dabei den vorrückenden Alliierten gelungen, zwei deutsche SS-Panzerdivisionen einzukreisen und zu schlagen.

Falaise: Château de Falaise. Foto: Hilke Maunder
In der Burg von Falaise. Foto: Hilke Maunder

80 Prozent von Falaise wurden bei seiner Befreiung im August 1944 zerstört. Der Weg zur Rettung der Hauptstadt Paris war nun frei. Rückblickend sollte Eisenhower später in seinen Memoiren schreiben: „Man ging stellenweise buchstäblich Hunderte von Metern nur auf abgestorbenem und verwesendem Fleisch.“

Falaise: Château de Falaise. Foto: Hilke Maunder
Foto: Hilke Maunder

Auferstanden aus Ruinen

Die Stadt wurde wieder aufgebaut, die Burg in den 1990er-Jahren von Bruno Decaris mit viel Mut zur Moderne saniert. Zu den alten, bis zu vier Meter dicken Mauern gesellte sich ein kantig-moderner Klotz mit nacktem Beton und Panzerglas.

Falaise: Château de Falaise. Foto: Hilke Maunder
Der Blick zur Stadt von der Burg von Falaise. Foto: Hilke Maunder

Auf dem Donjon schuf Decaris die wohl schönste Aussichtsterrasse des Calvados: Ganz Falaise liegt einem dort zu Füßen. Gen Norden schweift der Blick ins Pays d’Auge, gen Westen zu den Höhen der Normannischen Schweiz.

Blick auf Falaise von der Burg. Hilke Maunder
Foto: Hilke Maunder

Der Krieg und das Volk

Nur wenige Schritte von Wilhelms Burg wirft ein Museum ungewöhnliche Schlaglichter auf den Zweiten Weltkrieg. Stellungskriege, Waffen und militärische Führer und Erfolge sind dort Nebensache.

Ganz bewusst stellen Sammlungen und Ausstellung das Volk in den Vordergrund. Und erzählen als Mémorial des Civils dans la Guerre, wie das Volk diesen mörderischen Krieg erlebte,

Falaise: Hôtel de Ville. Foto: Hilke Maunder
Das Rathaus von Falaise. Foto: Hilke Maunder

In der Normandie begann am 6. Juni 1944 eine Schlacht, in der fast drei Monate lang zwei Millionen Soldaten und eine Million Zivilisten gegeneinander kämpften. 150.000 Normannen mussten ihre Häuser verlassen und schätzungsweise 20.000 starben in dieser Schlacht, hauptsächlich aufgrund von Bombenangriffen.

Falaise schrieb mit der Poche de Falaise-Chambois Geschichte. Sie markierte das Ende der Schlacht um die Normandie und den Beginn der Niederlage der Nazi-Truppen.

Falaise: Wilhelm der Eroberer. Foto: Hilke Maunder
Wilhelm der Eroberer, hoch zu Ross in Falaise. Foto: Hilke Maunder

Auf 1000 Quadratmetern erzählt das Museum mit O-Tönen von Überlebenden, Alltagsgegenstände und unveröffentlichtem Archivmaterial aus den Beständen des Mémorial de Caen, wie die Einwohner von Falaise jene Zeit erlebten.

Die Zeit der Besatzung und der deutschen Repression, Marschall Pétain und das Vichy-Regime, der Widerstand, die alliierten Bombenangriffe bei der Befreiung und schließlich der Wiederaufbau. Weltgeschichte, hautnah.

Von der Kriegswaffe zum Friedens-Fahrzeug: der Panzer von Jeff Aérosol. Foto: Hilke Maunder
Von der Kriegswaffe zum Friedens-Fahrzeug: der Panzer von Jeff Aérosol. Foto: Hilke Maunder

Frieden! fordert vor dem Museum ein Panzer, den Jeff Aérosol zum 75. Jahrestag der Befreiung in ein Werk über das Leiden der Bevölkerung und den Frieden verwandelt hat. Stolz und mächtig reitet davor Wilhelm als Reiterstandbild auf der Place Guillaume le Conquérant.  Zu seinen Füßen stellen Skulpturen die ersten sechs Herzöge der Normandie dar.

Der Stadtrundgang

Falaise: Église de la Trinité. Foto: Hilke Maunder
Die Église de la Trinité. Foto: Hilke Maunder

18 Tafeln umfasst der markierte Stadtrundgang, der zu allen sehenswerten Stätten in Falaise führt. Denn es wäre schade, die Stadt nur auf ihre berühmte Burg und das Museum zu reduzieren! Nur wenige Schritte vom Stadtplatz erhebt sich die Dreifaltigkeitskirche in den normannischen Himmel.

Falaise: Église de la Trinité. Foto: Hilke Maunder
Foto: Hilke Maunder

Bereits 840 war in Falaise eine erste Kirche errichtet worden, die jedoch bei der Belagerung während der Eroberung der Normandie durch Philipp August im Jahr zerstört und 1204 wieder aufgebaut wurde. Im Jahr 1417 waren es dann die Engländer, die sie während des Hundertjährigen Krieges belagerten.

Falaise: Église de la Trinité. Foto: Hilke Maunder
Schön, das Lichterspiel der Fenster! Foto: Hilke Maunder

Dabei wurde die Kirche schwer beschädigt. Das Kirchenschiff wurde von 1438 bis 1450 wieder aufgebaut, doch erst 1510 begannen die Arbeiten am Chor, der 1540 fertiggestellt und 1545 durch den Bau von drei Nordkapellen und einer Vorhalle vervollständigt wurde.

Falaise: Église de la Trinité. Foto: Hilke Maunder
Foto: Hilke Maunder

Die Kirche zeigt offen all diese Brüche. Und ist ein herrlich untouristischer Ort des Glaubens, der zugleich viel über die Geschichte und die Geschichten erzählt, die Falaise im Laufe der Jahrhunderte erlebt hat.

Falaise: Église de la Trinité. Foto: Hilke Maunder
Blick aus der Krypta zur Madonna. Foto: Hilke Maunder

Und während der Blick umherschweift, modernes Glas von Le Chevalier in alten gotischen Rosetten entdeckt, bleibt das Auge plötzlich an der Kanzel hängen, im Dreieck der Dreieinigkeit und seiner hebräischen Inschrift.

Falaise: Église de la Trinité. Foto: Hilke Maunder
Die Kanzel. Foto: Hilke Maunder

Und wandert dann weiter, hinauf zum Gewölbe, kunstvoll gestaltet aus Holz,

Falaise: Église de la Trinité. Foto: Hilke Maunder
Das Gewölbe der Dreifaltigkeitskirche von Falaise. Foto: Hilke Maunder

Zeitreise mit vielen Facetten

Mit dem Bau der Église Notre-Dame de Guibray wurde bereits zu Lebzeiten Wilhelm des Eroberers begonnen. An der Porte Lecombe endete einst die alte Stadt, und genau dort wendet sich auch der markierte Stadtrundgang mit 18 Stationen wieder der Innenstadt zu.

Er führt an der Place Fontaine Borne an ein paar mittelalterlichen Häusern vorbei, die all die Scharmützel überlebt haben, und kehrt, vorbei an Nachkriegsbauten und versprenkeltem Erbe von einst, wieder zur Burg zurück.

Das Automaten-Museum

Doch ein Highlight ist nirgenwo im Circuit d’Interprétation dans Falaise verzeichnet: sein berühmtes Automatenmuseum. Zu sehen sind dort all jene automatische Schaufensterpuppen und -animationen, mit denen die Firma Deschamps von 1920 bis 1960 im Dezember die Schaufenster der Pariser Kaufhäuser dekorierte.

Die animierten Szenen von mehreren Dutzend Automaten faszinieren das Publikum, das sich damals die Nase an den Schaufenstern plattdrückte – voller Vorfreude auf Weihnachten.

Das Automatenmuseum in Falaise lässt den Zauber dieser Epoche wieder aufleben. In den nachgebildeten Straßen von Paris inszenieren 300 Automaten wieder das Flair von einst beim Einkaufsbummel in der Hauptstadt.

Falaise: meine Reise-Infos

Falaise liegt im Süden des Départements Calvados am Eingang zur Normannischen Schweiz. Seine befestigte Altstadt erhebt sich auf einer Felsklippe über der Ante.

Hinkommen

Die Kleinstadt liegt an der Autobahn A88 (Caen – Alençon) und an der N158. Der Bahnhof ist geschlossen; die nächstgelegene Bahnstation befindet sich in Caen. Von dort fährt die Buslinie 35 in 57 Minuten nach Caen.

Aktiv

Die Stätten und Spuren von Wilhelm dem Eroberer stellt der sieben Kilometer lange Rundwanderweg Sur les pas de Guillaume vor. Rechnet rund drei Stunden für die Runde.

Den Routenflyer gibt es hier online: https://cdt14.media.tourinsoft.eu/upload/Sur-les-pas-de-guillaume.pdf

Schlemmen und genießen

ÔSaveurs:

Die junge, kreative Küche von Arnaud und Linda Barrén zeichnet der Guide Michelin jedes Jahr seit 2015 mit einem Bib Gourmand aus.
• 38 Rue Georges Clemenceau, 14700 Falaise, Tel. 02 31 90 13 14, hotelrestaurantosaveurs.com

Schlafen

Hôtel de la Poste

Zum Schlemmerrestaurant ÔSaveurs gehört das stylish-gemütliche Hôtel de la Poste mit Einzel-, Doppel-, Dreibett- und Vierbettzimmern – die meisten mit Ausblick auf den Park des Château de la Fresnaye aus dem 17. Jahrhundert.
• 38 Rue Georges Clemenceau, 14700 Falaise, Tel. 02 31 90 13 14, www.hotelrestaurantosaveurs.com

Noch mehr Betten*
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Der Wildbach in der Brèche du Diable. Foto: Hilke Maunder
Der Wildbach Laison in der Brèche du Diable. Foto: Hilke Maunder

In der Nähe

Brèche au Diable

Bei Saumont-Saint-Quentin hat der Teufel eine Schlucht in die Normannische Schweiz geschlagen. Am nahen Mont-Joly verstarb 1789 die Schauspielerin Mary Joly. Ein Grabstein auf der Hügelspitze erinnert an sie.

r lassen, wenn das Bild nur als dekoratives Element dient.Titel Die Felsen der Schlucht La Brèche du Diable. Foto: Hilke Maunder Beschriftung Die Felsen der Schlucht La Brèche du Diable. Foto: Hilke Maunder Beschreibung Datei-URL: https://meinfrankreich.com/wp-content/uploads/2015/10/F_La-Breche-du-Diable_2_credits_Hilke-Maunder.jpg URL kopieren Erforderliche Felder sind mit * markiert. Vorscha
Die Felsen der Schlucht La Brèche du Diable. Foto: Hilke Maunder

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Im Blog

Die Normannische Schweiz gehört zu den unbekanntesten Ecken der Normandie – und ist ein echtes Juwel!

https://meinfrankreich.com/suisse-normande/

Im Buch

Hilke Maunder_Normandie_Abseits

Normandie: 50 Tipps abseits der ausgetretenen Pfade*

Die Netflix-Serie „Lupin“ hat die Normandie zu einem touristischen Hotspot gemacht. Garantiert keine Massen triffst Du bei meinen 50 Tipps. Sie sind allesamt insolite, wie die Franzosen sagen – ursprünglich, authentisch und wunderschön. So wie Falaise, das ebenfalls im Buch vorgestellt ist.

Die Landpartie durch die andere Normandie beginnt im steten Auf und Ab der Vélomaritime, führt zu den Leinenfeldern der Vallée du Dun, zu zottigen Bisons und tief hinein ins Bauernland des Pays de Bray, Heimat des ältesten Käses der Normandie.

Im Tal der Seine schmücken Irisblüten auf hellem Reet die Giebel alter chaumières, und Störche brüten im Marais Vernier. Von den Höhen vom Perche geht es hin zur Normannischen Schweiz und bis zur Mündung des Couesnan an der Grenze zur Bretagne. Hier* kannst Du den handlichen Führer bestellen.

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