Die Falaises d'Orque von der Départementsstraße D922 aus. Foto: Hilke Maunder

Les Falaises d’Orque: beim Steinadler

Mit einer Höhe von 200 Metern bilden die Orque-Felsen nördlich der Massive Caroux und Espinouse die höchste Kalksteinwand im Parc Naturel Régional du Haut Languedoc. Der regionale Naturpark schützt seit 1973 in den Départements Tarn und Herault eine Landschaft, die auf 307.183 Hektar im Haut-Languedoc nicht nur typisch mediterrane, sondern auch ozeanische Züge trägt.

Gepaart mit einer faszinierenden Geologie, die hier offen zutage liegt, und einem einzigartig reichen wie vielfältigen Natur- und Kulturerbe ist dieser Landstrich einer der spannendsten Naturziele im Hinterland der Mittelmeerküste.

Das Reich des Steinadlers

Von Saint-Gervais-sur-Mare windet sich die Départementstraße D 922 hinauf zum Pass des Croix de Mounis. Auf dem Weg dorthin berührt sie den Weiler Péras. Zwischen der Handvoll Häuser, die zur Gemeinde Castanet-le-Haut gehören, eröffnet sich von einem kleinen Parkplatz ein Paradeblick auf die Klippen von Orque. Sie sind das Reich des Steinadlers, der hier am hohen Himmel seine Kreise zieht – und ein herrliches Wanderziel.

Auf diesen Felsen nisten Adler. Foto: Hilke Maunder
Auf diesen Felsen nisten Adler. Foto: Hilke Maunder

Die Klippen – eine ZNIEFF

Die Falaises d’Orque gehören zu einer geschützten ZNIEFF, einer Zone Naturelle d’Intérêt Écologique, Faunistique et Floristique. Auf 293 Hektar umfasst sie ein schützenswertes Biotop mit abwechslungsreicher Flora und Fauna und einer hohen Bedeutung für eine gesunde Natur und Umwelt.

Bei den Falaises d’Orque im Norden des Hérault handelt es sich um einen nach Süden exponierten Kalksteinfelsen mit einem bis zu 800 Meter hohen Plateau im Norden und stark erodierten Hängen gen Osten und Westen, die mehrere Höhlen bergen.

Die Höhle der Fledermäuse

Eine von ihnen ist die Orquette-Höhle. In den  1990er-Jahren wurde ihr Eingang mit einem Gitter versehen. Diese Maßnahme zerstörte einer der wichtigsten Stätten der Brut und Fortpflanzung.

Nun soll im Rahmen eines Natura 2000-Vertrags die Sperre zumindest teilweise entfernt werden. Dann, so hoffen die Naturschützer, werden auch wieder Fledermausarten wie das Große Mausohr und der Miniopterus schreibersii, eine Landflügelfledermaus, die Höhle wieder für sich erobern.

Wo Steinadler brüten

Die Felsen sind das Brutgebiet des Steinadlers. Um die Aufzucht seines Nachwuchses nicht zu stören, führt nur ein einziger Wanderweg durch dieses Gebiet.

Wer in Péras ist, kann vom Parkplatz einer kleinen Straße folgen, die zur Mühle von Orque führt. Von dort könnt ihr zum Fuß der Klippen hinaufsteigen, begleitet vom Tosen des Wildbachs und dem einen oder anderen Steinadler, der seine Horste in Felsnischen, Spalten und Höhlen hat.

Größere Wanderungen und mehrstündige Rundwanderungen um die Felsen beginnen in Saint-Geniès-de-Varensal. Wichtigstes Utensil beim Wandern ist ein gutes Fernglas. Nur die Augen reichen zum Beobachten der Steinadler und anderer Vögel nicht aus.

Die Felsen beim Weiler Péras. Foto: Hilke Maunder
Die Felsen beim Weiler Péras. Foto: Hilke Maunder

Die beste Zeit fürs Spotting

Die beste Jahreszeit zum Beobachten von Steinadlern ist der Winter. Wenn auf den obersten Lagen des Haut-Languedoc der Schnee liegt, hocken die Steinadler auf ihrem Ansitz und putzen stundenlang ihr Gefieder. Jede Feder stellen sie dabei auf – denn der Winter ist ihre Balzzeit.

Sind sie geputzt, starten sie zum Balzflug, schweben mit rund zwei Meter Flügelspannweite um ihren Horst und setzen dabei ihre Balzrufe aus. Das geschieht zwar eher selten, aber dann doch sehr eindringlich. Miiiääää! Miiiääää!

Die Horste der Steinadler

Steinadler sind reviertreu. Und investieren daher auch Zeit und Energie in ihren Hausbau. Über Jahre hinweg bauen sie an ihrem Horst, erweitern und reparieren ihn. Mehr als zwei Meter groß können ihre Domizile in den Felswänden der Falaises. Ein Adlerpaar hat meist nicht nur ein, sondern mehrere Horste, die wechselweise genutzt werden.

Cleverer Jäger

Auch bei der Jagd könnt ihr dann den Aigle Royal beobachten. Zunächst beobachtet er mit ruhigen Schwingen das Terrain. Dicht gleitet er dabei an den Falaises d’Orques vorbei, schwebt über Kuppen und kleine Hügel und versucht, seine Beute möglichst schnell und unerkannt auf kurze Distanz zu packen und zu erlegen.

Hase oder Maus töten sie dabei mit ihren außerordentlich kräftigen Zehen und Krallen. Um Kitze vom Reh zu erlegen, schlägt er seine Klauen durch die Schädeldecke ins Hirn. Da solch eine Beute zu groß ist, um in Gänze im Flug zurück in den Horst gebracht zu werden, zerlegt der Steinadler seine Beute in kleine Portionen, die sein Körpergewicht nicht übertreffen. Und fliegt bei Bedarf dann viele Male den gleichen Kadaver an.

Kein Beobachten in der Brutzeit

Während der eigentlichen Brutzeit von Februar bis Mai solltet ihr auf Wanderungen entlang der Felsen verzichten, um die 44-tägige Brutzeit nicht zu stören.

Bis zu 20 Jahre alt werden die Steinadler, und erst mit sechs Jahren geschlechtsreif. Haben sie nach der Balz ihren Partner gefunden, leben sie monogam und bleiben ihm bis zum Tode treu.

Die Eiablage beginnt, je nach Wetter, im Februar oder Anfang März. Innerhalb von drei, vier Tagen legt das Weibchen mehrere Eier und beginnt das Brüten. Dieser Job ist Frauensache; nur selten darf auch das Männchen mal auf den Eiern hocken. Seine Aufgabe ist vielmehr die Futterbeschaffung und Versorgung des Weibchens.

Kainismus vom Junior

Nach 43-45 Tagen schlüpft der Nachwuchs. Ihr weißes Geburtskleid weicht nach rund anderthalb bis zwei Wochen einem zweiten, gröberen und dunkleren Federkleid. Im Nest geht es derweil mitunter recht brutal zu. Ist die Nahrung nicht reichlich bemessen, sondern eher knapp, tötet das älteste Jungtier Zug um Zug seine Geschwister.

Als Nesthocker bleibt der Nachwuchs zunächst im Horst. Dort lernt er, zunehmend eigenständig seine Nahrung zu zerlegen: Murmeltiere, Rabenvögel, Rehe sowie Ziegen, Schafe und selbst Steinböcke.

Gelehrige Nesthocker

Fast sieben Wochen lang dauert es, bis sich die Jungvögel selbst neue Nahrung besorgen können. Flügge sind sie da noch nicht. Das passiert erst um die elfte Woche herum, wenn sie im im Alter von 74 bis 80 Tagen ihre ersten kurzen Flüge wagen. Nach fünf, sechs Monaten ist Schluss mit Hotel Mama. Dann verlassen die jungen Steinadler das elterliche Revier und suchen sich ihre eigene Heimat an den Felsen von Orques.

Die Falaises d’Orque im Winter. Foto: Hilke Maunder
Die Falaises d’Orque im Winter. Foto: Hilke Maunder

Refugium vieler Raubvögel

Neben dem Steinadler und dem bedrohten Bonelli-Adler leben noch viele weitere Vogelarten in den Felsen von Orque und den Bergregionen des Naturparks. Dazu gehören neben Wanderfalken und dem Uhu die Alpenbraunelle, der Mauersegler und die Blaumerle.

So ursprünglich wie sonst kaum

Wicken und Bärenklau, Hundskamillen und Fettkräuter wachsen auf den Wiesen. Flora und Fauna sind so reich und ursprünglich wie sonst selten im Haut-Languedoc erhalten – auch, weil der Tourismus hier bislang kaum stattfindet.

Die Landwirtschaft ist bis heute von kleinen, meist familiengeführten Höfen dominiert, die im kleinen Rahmen Ackerbau betreiben oder extensiv Rinder oder Schafe züchten.

945 Arten insgesamt haben die Forscher hier erfasst. 139 davon sind geschützt, 17 davon vom Aussterben bedroht. Dazu gehören neben dem Rotmilan (Milvus Milvus) auch der Mauerläufer (Tichodroma muraria), das Braunkehlchen (Saxicola rubetra) und selbst die Provencegrasmücke (Sylvia undata).

Pech de Bugarach: wandern. Foto: Hilke Maunder
Foto: Hilke Maunder

Les Falaises d’Orque: meine Reise-Tipps

Die Felsen befinden sich im Norden des Hérault nahe der Grenze zu den Départments Tarn und Aveyron im regionalen Naturpark Haut-Languedoc bei der Kommune Castanet-le-Haut.
Maison du Parc naturel régional du Haut-Languedoc: 1, place du Foirail – BP 9, 34220 Saint-Pons-de-Thomières, Tel. 04 67 97 38 22, www.parc-haut-languedoc.fr

Welche Arten im Schutzgebiet vertreten sind, verraten das Stammblatt der ZNIEFF (inpn.mnhn.fr) und die vom Naturpark herausgegebene Übersicht für Vogelfreunde (fr.calameo.com).

Aktiv

Wandern

Ganz in der Nähe der Felsen verläuft der Weitwanderweg Grande Randonnée 653, der auf dem Jakobswegs der Via Tolosana vorbei an Castanet-le-Haut nach Santiago de Compostela führt.

Ein toller, aber sehr schlecht ausgeschilderter Wanderweg führt  von Saint-Geniès-de-Varensal aus vorbei an der Fischzucht von Font Caude und nach Regen wunderschönen Wasserfällen an den Falaises d’Orque  entlang  zu den Ruinen von Poulot zum Moulin d’Orques – und durch Gestrüpp nach Le Fau.

Nun auf dem Plateau, führt eine kleine Straße an der Grotte des Fades und der von Albes zu einem Kamm zwischen der Schlucht des Bois de la Chapelle und der Schlucht von Marcou. Es folgt ein steiler  Anstieg im Wald zum Croix de Marcou. Das hohe Kreuz auf dem 1.090 Meter hohen Gipfel, berühmt für seine Fernsicht bei gutem Wetter, ist Etappe der GRP. Steil und steinig bringt der Pfad euch zurück nach Saint-Genies-de-Varensal.

Schlemmen und genießen

Saint-Geniès-de-Varensol ist ein kleines Dorf mit rund 200 Einwohnern. Im Foyer Rural gibt es einen Kaufmannsladen. Jeden Montag- und Donnerstagmorgen hält der Bäckerwagen der mobilen boulangerie in Saint-Geniès.

Jeden Dienstagmorgen kommt der Fischmann mit seinem mobilen Verkaufsstand ins Dorf. Jeden Donnerstag verkauft Jean-Luc in seinem Lebensmittellieferwagen Gemüse, Fleisch, Aufschnitt und Käse.

Schlafen

Les Sagnes

Einzige Unterkunft im Dorf sind die kommunalen Gîtes Les Sagnes mit Einzelzimmern, einem kleinen Ferienhaus für vier bis sechs Personen, einem mittelgroßen Ferienhaus für acht bis zehn Betten sowie eine Gruppenunterkunft mit 14 Schlafplätzen.

Reservierung: 34610 Saint-Geniès-de-Varensal, Tel. 04 67 23 60 95, Mail: mairie.stgeniesdevarensal@orange.fr, www.stgeniesdevarensal.wixsite.com/mairie/gites

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Im Winter liegt auf den Höhen des Haut-Languedoc nicht selten Schnee. Foto: Hilke Maunder
Im Winter liegt auf den Höhen des Haut-Languedoc durchaus auch schon einmal Schnee. Foto: Hilke Maunder

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