
Von Ostern bis Oktober pulsiert das Leben in Südfrankreich im Rhythmus der Stiere: Vive la Feria! Die Passion für die Konfrontation zwischen Mensch und Stier reicht bereits mehr als 600 Jahre zurück.
1402 wurde das erste Stierspiel in Südfrankreich urkundlich erwähnt, 1852 die erste spanische Corrida in Nîmes veranstaltet. Doch erst 1952 wurden die offizielle Statuen für Nîmes Feria festgelegt.

Antike Wurzeln
Ausgetragen werden die Wettkämpfe seitdem im besterhaltenen Amphitheater der römischen Welt. 24.000 Zuschauer verfolgten dort zur Antike die Spiele, bei denen Gladiatoren gegeneinander oder gegen exotische Tiere kämpften. Der Siegeszug des Christentums beendete 404 n. Chr. Brot & Spiele in Nîmes.
Die Arena wurde zum Spielplatz der Bauherren. Die Westgoten machten sie zur Festung, die Landgrafen setzten ihr Schloss hinein. Später wurde Les Arènes ein eigener Stadtteil mit zeitweilig mehr als 2.000 Einwohnern. 1852 sind die Stiere zurückgekehrt, und mit ihnen archaische Spiele.

Volksfest mit Stars
Zu Pfingsten und im September verfolgen Tausende Menschen begeistert die Stierkämpfe in der Arena, genießen in den Bodegas zum Pastis oder Fino ein paar Tapas, bevor sie sich wieder ins Gewühle stürzen, im Takt der Zigeunermusik tanzen oder der Blasmusik der Bidochons lauschen, die überall aufspielen.
Längst ist die Feria ein Volksfest, längst auch ein Stelldichein der Stars. In den 1950er-Jahren besuchten Brigitte Bardot und Errol Flynn die Feria; heute gehören die Schauspielstars Jean Reno und Jacques Weber zu den Stammgästen des Stier-Spektakels.

Feria: Corrida oder course Camarguaise?
Den Auftakt zum Stierkampf im Süden Frankreichs markiert traditionell das Lied des Escamillo aus der Oper Carmen: „Auf in den Kampf, Torero…“ Die Show der schwarzen Stiere kennt jedoch nicht nur die blutige Corrida, bei der das Tier vom Torero getötet und sein Fleisch in den Restaurants der Stadt vom Feria-Publikum verzehrt wird, sondern auch die unblutige course Camarguaise. Brutal ist auch diese Variante des Stierkampfs.
Bei dieser Spielart der course de taureaux muss ein weiß gekleideter raseteur mit einem crochet, einer handähnlichen Eisenkralle, dem Stier seine Attribute abnehmen, die ihm zwischen die Hörner gesteckt wurden.
Als erste gilt es, die Kokarde zu nehmen, dann die Quasten und schließlich die erste und zweite Kordel. Sobald der aufgepeitschte Stier gegen die Planken stößt, ist der Stierkampf beendet. Die genauen Regelung der course Camarguais legt die Fédération Française de la Course Camarguaise aus Nîmes fest.
Tierische Helden
Die Geschicklichkeit und der Mut der jungen Männer, vor allem die Eleganz ihrer Bewegungen, machen das Schauspiel sehenswert. Ausgebildet werden die Männer – Frauen gibt es bislang nicht in diesem Métiers – an den Écoles des Raseteurs. Besonders berühmt ist die Stierkämpferschule von Arles.
Doch fast berühmter als wagemutigen Männer sind die Stier. Anders als beim spanischen Stierkampf, sind sie im Süden von Frankreich die wahren Helden. Und machen oft richtig Karriere.
Jeder Stier trägt einen Namen. Und es sind genau diese Namen, die in großen Lettern auf den Stierkampfplakaten der course Camarguaise zu lesen sind. Und nicht, wie bei der Corrida, die Namen der Matadore .
Einige Orte im Süden Frankreich ehren ihre berühmter Stiere sogar mit eigenen Denkmälern. So sorgten in Beaucaire die Stierkampfclubs „Le Trident“ und „Les Amis de Goya“ dafür, dass seit dem 6. Mai 1984 an das legendäre Rind erinnert. Rami, ein anderer legendärer Kampfstier, erhielt auf der Manade Fabre-Mailhan sogar ein eigenes Grabmal.
Doch das Leben sieht für die meisten Stiere anders aus. Sie werden nach dem Kampf beim bandido durch die Straßen der Stadt zurück zur Weide – oder Verladelaster – getrieben. Doch auch die Course de Camarguaise ist nicht ganz so tierfreundlich, wie sie sich gerne gibt.

Tradition vs. Tierquälerei
Um dem Stier zu entwischen, der die Attacken des raseteurs mit eigenen Angriffen pariert, flüchten sich die tollkühnen Läufer hinter die Holzbarriere, die die Arena begrenzt.
Während sich der Mann mit einem hohen Sprung über die Bretterwand rettet, prallt der Stier, mitgerissen vom eigenen Schwung, mit seinen Hörnern gegen die Holzwand. Auch kommt es immer wieder zu Verletzungen durch die Eisenkralle, durch die so manch ein Stier sein Augenlicht verloren hat.
Kastriert in den Kampf
Vor jedem Einsatz als Kampfstier steht zudem die Kastrierung – ohne Betäubung werden die Samenstränge mit einer Zange abgeklemmt. Rund zehn solcher courses bestreitet ein Kampfstier pro Saison. Schluss ist nach 15 Jahren.
Danach verbringt ein solcher cocardier seine letzten Lebensjahre bei der Herde. Doch jetzt scharrt der Stier unruhig seine Hufe. Das archaische Kräftemessen beginnt erneut.
Und nicht nur in Nîmes, Béziers und Arles, den berühmten Hochburgen des Stierkampfs. Sondern auch in den kleinsten Dörfern und Städtchen weitab.

Die Manades
Auf die Zucht der Kampfstiere haben sich in der Camargue die Manande spezialisiert, große Höfe in der Hand alteingesessener Familie, die heute Männer wie Frauen leiten. Viele dieser Manade haben heute den Tourismus entdeckt und zeigen Besuchern bei kostenpflichtigen Führungen, wie beim tri de taureaux einzelne Tiere ausgesucht und von der Herde getrennt werden. Dabei reiten die gardians genanntn Cowboys auf den berühmten weißen Pferden der Camargue.
Ob Reiter oder Reiterin, zimperlich geht es dabei nicht zu. Sporen und Zacken am Halfter kommen beim Pferde zum Einsatz, auch Tuchfühlung mit dem Stier ist möglich. Einhändig führen die Gardians das Ross – und die zweite Hand hält sich am Sattel fest, nutzt einen Stecken – der hält den schwarzen Hut.
Mehr zum wilden Westen Frankreichs und den Cowboys der Camargue erfahrt ihr in diesem Beitrag.

Die beliebtesten Feria von Frankreich
Trotz aller Proteste und lauter öffentlicher Kritik sind die Stierkämpfe im Süden von Frankreich bis heute riesige Volksfeste und Publikumsmagnete. Umzüge und Open-Air-Musik gehören ebenso dazu wie gemeinsames Schlemmen, Tafeln und Trinken oder freiem Himmel.
Und wird der Stier vorbei an den Zuschauern durch die Straßen der Städte und Dörfer getrieben, stellen sich gerne junge Menschen beim Abrivado dem Tier in den Weg und versuchen, seine Hörner zu greifen. Dabei kommt es meist zu Verletzungen. Doch reisst das Horn des Stieres die Haut auf, wird das T-Shirt ausgezogen und die bluten Wunde stolz gezeigt….

Feria d’Arles
Ostern, Anfang Juli, September, www.feriaarles.com
Feria de Bayonne
August, www.fetes.bayonne.fr
Feria de Beaucaire
Ende Juli, www.beaucaire.fr
Feria de Béziers
Mariä Himmelfahrt (15.8.), www.arenes-de-beziers.com
Feria de Céret
Juli, http://www.ceret-de-toros.com
Feria de Dax
August, www.daxlaferia.fr
Feria de Fréjus
Juni – August, https://frejus.fr

Feria de Millas
August, www.facebook.com
Feria de Mont-de-Marsan
Juli, http://regiefetes.montdemarsan.fr
Feria de Nîmes
Pfingsten, September, www.ot-nimes.fr, www.arenesdenimes.com
Feria de Parentis-en-Born
August, www.parentis.com
Stierkampf-Museen
Musée Taurin
• 7, Rue Massol, 34500 Béziers, https://uniontaurinebeziers.com/musee-taurin
Musée des Cultures Taurines
6, Rue Alexandre Ducros, 30000 Nîmes, Tel. 04 30 06 77 07, www.nimes.fr
Die Stierkampf-Gegner
CRAC Europe – Association française anticorrida
Peta France
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Im Blog
Die Heimat der schwarzen Stiere ist die Camargue. Hier habe ich sie euch vorgestellt.

Im Buch
MARCO POLO Languedoc-Roussillon/Cevennen*
Diesen Titel habe ich nach Axel Patitz und Peter Bausch inzwischen seit sechs Ausgaben umfangreich erweitert und aktualisiert.
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