Weizenfelder unterbrechen die Forêt d’Eawy. Foto: Hilke Maunder
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Forêt d’Eawy: Wald voller Wunder

Der Wald von Eawy ist einer der großen Wälder des Pays de Bray in der Normandie. 6550 Hektar groß erstreckt er sich auf einem alten Kreiderücken zwischen den Gemeinden Saint-Saëns und Dampierre-Saint-Nicolas, etwa 20 Kilometer südöstlich von Dieppe.

Kein einziger Wasserlauf durchquert das Grün. Und doch ist die Erde feucht und kühl. Der Feuersteinlehm, der die Kreide bedeckt, hält das Wasser im Boden. Der Wald steckt voller Wunder.

Einst wuchsen nur Eichen in der Forêt d’Eawy, und die normannischen Könige jagten dort Reh und Hirsch. Aus dem Holz der alten Eichen fertigten Tischler große, luxuriöse Truhen, die besonders beim Adel beliebt waren. Zusammengehalten wurden die sogenannten huches nur durch Zapfen. Keine Schraube, kein Nagel wurde bei ihrem Bau verwendet!

Im Wald von Eawy. Foto: Hilke Maunder
Im Wald von Eawy. Foto: Hilke Maunder

Das Reich der Buchen

Im 19. Jahrhundert verwandelten die Förster die Forêt d’Eawy in einen Buchenwald. Bis zu 30 Meter hoch ragen die Bäume in den normannischen Himmel. Auf ihren Stämmen wachsen Baumperlen und Hexeneier. Wird die Rinde der Buche verletzt, beispielsweise durch Verbiss, kapselt sie auf der Rinde die Bakterien ab und schließt sie ein. So entstehen Pickel, die zu Kugeln werden und anschließend abfallen.

Mitten durch den Wald zieht sich die Allée des Limousins. 14 Kilometer lang und 20 bis 30 Meter breit ist diese gewaltige Schneise, die Gabriel de Limoges im 16. Jahrhundert anlegen ließ.

Foto: Hilke Maunder
Foto: Hilke Maunder

Voller Geheimnisse steckt auch die Höhle Puits Merveilleux nordöstlich des Dorfes Saint-Saëns. Am Boden eines kleinen Kessels eröffnet ein Loch 28 Meter tief den Blick ins Innere der Erde.

Niemand weiß, ob die Natur dort einen Schlund in den Karst gegraben hat oder der Hohlraum von Menschenhand gefertigt wurde. Kein Verkehrslärm stört die Stille des Waldes.

Umso intensiver ist die Stimme der Natur. Spechte klopfen, Waldtauben gurren. Insekten tanzen im Gegenlicht. Beim Gehen raschelt das Laub. Im Unterholz knackt ein Ast. Jeder Schritt schärft die Sinne. Kreuz und quer durchziehen Wanderwege diesen Wald voller Wunder.

Die Wunderwaffe im Wald

Foto: Hilke Maunder
Der Eingang zur Gedenkstätte Val Ygot in der Forêt d’Eawy. Foto: Hilke Maunder

Und genau in diesem Idyll erinnert bei Ardouval die Gedenkstätte Val Ygot an eine Wunderwaffe, mit der Adolf Hitler den Weltkrieg gewinnen wollte. Um England in die Knie zu zwingen, setzte der Diktator auf Geheimwaffen. Eine von ihnen waren die fliegenden V1-Bomben. Von 117 Abschussrampen im Département Seine-Maritime wurden diese Feuermonster in Richtung England abgeschossen.

Foto: Hilke Maunder
Auch ein Transportzug gehörte zur Gedenkstätte Val Ygot in der Forêt d’Eawy . Foto: Hilke Maunder

830 Kilogramm Sprengstoff konnte jede V1-Bombe transportieren. 8,35 Meter lang, raste sie mit einer Reisegeschwindigkeit von 580 Kilometern pro Stunde auf ihr Ziel zu. 10.000 dieser im pommerschen Peenemünde gebauten Bomben wurden über Britannien, weitere 11.000 Bomben über Belgien abgeworfen. Per Bahn wurden sie aus Deutschland angeliefert – fertig zum Abfeuern von einer Startrampe.

Nachbau einer Bombe. Foto: Hilke Maunder
Der Nachbau einer Bombe, ausgestellt in der GedenkstätteVal Ygot in der Forêt d’Eawy . Foto: Hilke Maunder

Das Ziel: London

Die Rampe von Ardouval zeigte direkt nach London. Die britische Hauptstadt liegt 200 km entfernt im Nordwesten. Abschluss und Einschlag trennten weniger als eine halbe Stunde. Die Flügelbomben des Kasselers Gerhard Fieseler waren weltweit die ersten militärisch eingesetzten Marschflugkörper.

Foto: Hilke Maunder
Die Arbeits- und Mannschaftsräume von Val Ygot sind heute Ruinen. Foto: Hilke Maunder

Ihren Namen prägte Joseph Goebbels. Der Propagandachef der Nazis nannte sie V1 = Vergeltungswaffe 1. Ihr einziger Nachteil: Die Raketen, die durch ihren Impulsstrahlantrieb wie ein Moped brummten, wurden in der Nähe ihres Zieles so langsam, dass sie leicht abgeschossen werden konnten. Dennoch waren sie eine äußerst wirkungsvolle Waffe.

Eine Skulptur der Gedenkstätte Val Ygot zeigt die einstigen Säcke mit Zement. Foto: Hilke Maunder
Eine Skulptur der Gedenkstätte Val Ygot zeigt die einstigen Säcke mit Zement. Foto: Hilke Maunder

Spät entdeckt

Überraschend spät entdeckten die Alliierten die Abschussstellungen, von denen aus neben London auch Antwerpen, Lüttich und Brüssel bombardiert wurden. Riesige Löcher erzählen bis heute von den Bombenangriffen der Alliierten, die im Dezember 1943 begannen und im Juni nach dem Rückzug der Deutschen endeten.

Foto: Hilke Maunder
Manche Bereiche der Gedenkstätte Val Ygot sind nicht zugänglich. Foto: Hilke Maunder

250 Deutsche blieben nach Kriegsende in der Normandie. 120 deutsche Techniker und Ingenieure holte Frankreich 1946/1947 mit attraktiven Verträgen ins damals neu gegründete LRBA Laboratoire de Recherches ballistiques et aérodynamiques (Laboratorium für ballistische und aerodynamische Forschungen) nach Vernon.

Gemeinsam mit den Franzosen arbeiteten sie dort an den Weiterentwicklungen der V-2-Rakete. Am Val Ygot halten heute rund 70 Freiwillige der ASSVYA (Association de Sauvegarde du Site de V1 du Val YgotArdouval) die Erinnerung an diesen Ausschnitt der Geschichte fest.

Foto: Hilke Maunder
Ein Zug der V1-Stätte. Foto: Hilke Maunder

Forêt d’Eawy: meine Reise-Infos

Erleben & ansehen

Paddeltour auf der Varenne

In Muchedent beginnen begleitete Kanufahrten mit Führer auf der Varenne. Los geht es am Parc Canédien. Ziel ist das vier Kilometer entfernte Dorf Torcy-le-Grand.

Val Ygot

Die Gedenkstätte ist täglich von 8 bis 20 Uhr geöffnet. Wer mehr erfahren will, kann von April bis September an Sonn- und Feiertagen ab 14.30 Uhr an zweistündigen Führungen teilnehmen.
ASSVYA Association de Sauvegarde du Site de V1 du Val Ygot Ardouval, Basis 685, Le Val Ygot, 76680 Ardouval, Tel. 02 35 82 18 14, www.val-ygot.business.site

Schlafen

Rêve de Bisons

200 Bisons sind im Tal der Varenne auf einer Lichtung der Forêt d’Eawy daheim. Gleich neben der größten Zucht von kanadischen Bisons in Europa hat der Tierpark eine Handvoll Tipizelte ins Grün gestellt: bonne nuit, Trapper!
• 24, Route de Dieppe, 76590 Muchedent, Tel.02 35 04 15 04, www.revedebisons.com

Die Tipi-Zelt von <em>Rêve de Bisons</em>. Foto: Hilke Maunder
Die Tipi-Zelt von Rêve de Bisons. Foto: Hilke Maunder

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Im Blog

Alle Beiträge aus dem Département Seine-Maritime vereint diese Kategorie.

Im Buch

Glücksorte in der Normandie*

Steile Klippen und weite Sandstrände, bizarre Felslandschaften und verwunschene Wälder, romantische Fachwerkstädtchen und moderne Architektur – die Normandie hat unzählige Glücksorte zu bieten.

Gemeinsam mit meiner Freundin Barbara Kettl-Römer stelle ich sie euch in diesem Taschenbuch vor. Wir verraten, wo die schönste Strandbar an der Seine liegt, für welche Brioches es sich lohnt, ins Tal der Saire zu fahren, und wo noch echter Camembert aus Rohmilch hergestellt wird.

Unser Gemeinschaftswerk stellt euch insgesamt 80 einzigartige Orte vor, die oftmals abseits der eingetretenen Pfade liegen. Wer mag, kann es hier* bestellen.

Secret Citys Frankreich*

Gemeinsam mit meinem geschätzten Kollegen Klaus Simon stelle ich in diesem Band 60 Orte in Frankreich vor, die echte Perlen abseits des touristischen Mainstreams sind. Le Malzieu in der Lozère, Langogne im Massif Central, aber auch Dax, das den meisten wohl nur als Kurort bekannt ist.

Mit dabei sind auch Senlis, eine filmreife Stadt im Norden von Frankreich, und viele andere tolle Destinationen. Frankreich für Kenner  – und Neugierige!

Lasst euch zu neuen Entdeckungen inspirieren … oder träumt euch dorthin beim Blättern im Sessel oder am Kamin. Wer mag, kann das Lesebuch mit schönen Bildern hier* bestellen.

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