Symbolbild zur künstlichen Intelligenz (KI). Copyright: Hilke Maunder

Frankreichs Weg zur KI-Supermacht Europas

Frankreich hat sich vorgenommen, Europa aus der technologischen Abhängigkeit von amerikanischen Tech-Giganten zu befreien und zur KI-Supermacht aufzusteigen. Das Land investiert Milliarden in künstliche Intelligenz, baut Rechenzentren der Superlative und schmiedet Allianzen quer durch Europa.

Die Strategie ist ambitioniert: Frankreich will nicht nur mithalten, sondern eine völlig neue Art der digitalen Entwicklung etablieren – eine, die auf Kooperation statt Konkurrenz setzt.

Glasfaser für alle – auch auf dem Land

Frankreich hat in den vergangenen Jahren eine beeindruckende Infrastruktur-Offensive gestartet. Bis Ende 2025 sollen nahezu alle Haushalte landesweit Zugang zu schnellem Internet haben. Die Preise für Glasfaseranschlüsse gelten im europäischen Vergleich als überraschend günstig – ein Resultat massiver staatlicher Subventionen.

Der französische Staat, Regionen und Kommunen haben erhebliche Mittel bereitgestellt, um die Wirtschaftlichkeit für Anbieter zu sichern. Selbst abgelegene Dörfer in der Provence oder den Pyrenäen bekommen moderne Glasfaserleitungen. Diese Investition zahlt sich aus: Die solide digitale Grundversorgung schafft die Basis für Rechenzentren und branchenaffinen Unternehmen auch außerhalb der Metropolen.

5G-Ausbau über EU-Durchschnitt

Bei der Verbreitung von 5G-Netzen liegt Frankreich über dem EU-Durchschnitt, insbesondere in urbanen Regionen. Paris, Lyon und Marseille verfügen über eine dichte 5G-Abdeckung, die für intelligente Algorithmen in Echtzeit unerlässlich ist. Die Investitionen in moderne Funknetze schaffen die technische Grundlage für autonome Fahrzeuge, Smart-City-Projekte und industrielle KI-Anwendungen.

Die 109-Milliarden-Euro-Offensive

Präsident Macron verkündete auf dem Pariser AI Action Summit am 10. und 11. Februar 2025 im Grand Palais eine Investitionsoffensive von historischem Ausmaß: 109 Milliarden Euro sollen in den kommenden Jahren in Frankreichs KI-Infrastruktur mit Rechenzentren und Datencampi für die intelligence artificielle fließen. Das Geld stammt größtenteils aus dem Privatsektor – ein Zeichen dafür, dass internationale Investoren Frankreichs Ausbau-Strategie ernst nehmen.

Die kanadische Firma Brookfield steuert 20 Milliarden Euro bei, die Vereinigten Arabischen Emirate bis zu 50 Milliarden Euro. Auch internationale Infrastruktur- und Technologiefonds steigen in den Ausbau großer Datencampus in Frankreich ein. Diese Summen zeigen: Frankreich hat es geschafft, sich als attraktiver Standort für KI-Investitionen zu positionieren.

Staatliche Anschubfinanzierung

Parallel dazu stellt die französische Regierung im Rahmen des Innovationsplans France 2030 bis 2030 knapp 2,5 Milliarden Euro an staatlicher Anschubförderung bereit. Diese Mittel fließen gezielt in intelligente Systeme und KI-Start-ups mit Wachstumspotenzial.

Die Investitionen konzentrieren sich auf strategische Bereiche: Aufbau und Modernisierung von Rechenzentren, Entwicklung von Halbleitern und Chips sowie Super- und Quantencomputer. Frankreich setzt auf eine Vollversorgung entlang der gesamten Wertschöpfungskette der künstlichen Intelligenz.

Auf europäischer Ebene wurde am 11. Februar 2025 die Initiative InvestAI angekündigt. Sie soll rund 200 Milliarden Euro an privaten und öffentlichen Mitteln für KI-Infrastruktur, Rechenzentren und Hochleistungsrechner mobilisieren. Frankreichs nationale KI-Investitionspläne sind damit Teil eines größeren europäischen Rahmens, was die Dimension und Tragweite des Vorhabens deutlich erhöht.

Elitehochschulen als KI-Brutstätten

Frankreich nutzt sein traditionell starkes Hochschulsystem für die digitale Offensive. Neben Elitehochschulen wie der École Polytechnique und der ENS École normale supérieure entstehen zahlreiche spezialisierte Master- und Doktorandenprogramme, oft in enger Zusammenarbeit mit der Industrie.

Events wie die Trifels Spring School, die im März 2025 in Annweiler am Trifels als gemeinsames Projekt des Deutschen Forschungszentrumsf für künstliche Intelligenz (DFKI), der Rheinland-Pfälzische Technische Universität Kaiserslautern-Landau (RPTU) und der Deutsch-Französischen Hochschule (DFA-UFA) stattfand, sowie Austauschprogramme der Deutsch-Französischen Hochschule stärken den wissenschaftlichen Nachwuchs und die internationale Vernetzung. Junge Forscherinnen und Forscher arbeiten an Projekten, die ethische, gesellschaftliche und rechtliche Fragen der KI in den Mittelpunkt stellen.

Forschungszentren von Weltrang

Das Inria ( Institut national de recherche en informatique et en automatique ) fungiert als zentrales französisches Forschungsinstitut für Informatik und automatisierte Intelligenz. Mit mehreren Standorten im Land und zahlreichen internationalen Kooperationen – etwa mit dem Deutschen Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz (DFKI) – treibt Inria die Grundlagenforschung voran.

Das CNRS ( Centre national de la recherche scientifique ) arbeitet als weiterer zentraler Akteur eng mit internationalen Partnern zusammen. Diese Institute bilden das wissenschaftliche Rückgrat der französischen KI-Strategie beim Ausbau der künstlichen Intelligenz.

Paris-Saclay: Das französische Silicon Valley

Paris ist das Herzstück der französischen KI-Forschung. Das Forschungscluster Paris-Saclay gilt als „französisches Silicon Valley“ und beherbergt Spitzenuniversitäten wie die Université Paris-Saclay und das Institut Polytechnique de Paris, renommierte Forschungseinrichtungen und eine wachsende Zahl an Start-ups wie Mistral AI, Quandela und Pasqal.

Am 27. Februar 2025 hat das World Economic Forum (WEF) Paris-Saclay zum Sitz des neuen European Centre for AI Excellence (CAIE) ernannt. Das wird Teil des globalen Netzwerks der Centre for the Fourth Industrial Revolution (C4IR) des WEF und soll Europas Führungsrolle im Bereich Künstliche Intelligenz (KI) stärken – auch durch enge Kooperationen mit internationalen Branchengrößen wie Amazon und Microsoft.

Weltpolitik trifft Innovation

Mit dem AI Action Summit, der im Februar 2025 in Paris Staats- und Regierungschefs aus über 100 Ländern, CEOs internationaler Konzerne, Wissenschaftler, Künstler und Vertreter der Zivilgesellschaft versammelte, und dem Data Cloud Congress in Cannes von Anfang Juni 2025 hat sich Frankreich als Gastgeber der wichtigsten Veranstaltungen Europas rund um alle Aspekte der künstlichen Intelligenz etabliert. Das Programm für 2025 und 2026 liest sich wie ein Who’s Who der internationalen KI-Szene.

Die SIDO Lyon (17.-18. September 2025) positioniert sich als Europas Leitmesse für Internet der Dinge, KI und Robotik und schafft eine Brücke zwischen Industrie, Technologieanbietern und Start-ups. Zeitgleich findet das „Gipfeltreffen KI für die Industrie“ statt, das sich speziell auf industrielle KI-Anwendungen und die Vernetzung von Unternehmen konzentriert.

Die Big Data & AI Paris (1.-2. Oktober 2025) gilt als größte französische Messe für Big Data und KI. Hier präsentieren Unternehmen neueste Trends und Technologien, während Experten aus aller Welt Networking betreiben. Die Veranstaltung ist so erfolgreich, dass sie bereits für 2026 (24.-25. März) fest im Kalender steht.

Die 12th International Conference on Artificial Intelligence (27.-29. Oktober 2025) vereint Forscher und Wirtschaftsvertreter aus aller Welt in Paris. Für 2026 ist bereits die Konferenz Learning Technologies France (28.-29. Januar) geplant, die sich auf computergestützte Intelligenz in der Bildung und digitale Lerntechnologien fokussiert.

Diese Veranstaltungsdichte unterstreicht Frankreichs Strategie: Das Land will nicht nur passende Technologie entwickeln, sondern auch die internationale Diskussion über deren Einsatz und Regulierung prägen. Paris wird zum Treffpunkt für alle, die über die Zukunft der künstlichen Intelligenz mitentscheiden.

Grenoble: Europas Chip-Zentrum

Die Region Grenoble hat sich als Großcluster der Halbleiterproduktion, Mikroelektronik und Forschung etabliert. Das weltweit anerkannte Forschungszentrum CEA-Leti ist hier ansässig und spielt eine Schlüsselrolle bei Innovationen in den Bereichen Mikroelektronik, Nanotechnologie und Künstliche Intelligenz. Am CEA-Leti und in weiteren Instituten wird beispeilsweise intensiv an KI-Anwendungen geforscht, insbesondere an der Schnittstelle zwischen Hardware (Chips, Sensorik) und intelligenter Software.

Neben CEA-Leti sind zahlreiche Unternehmen und Start-ups in Grenoble angesiedelt, darunter große Player wie STMicroelectronics und GlobalFoundries sowie Unternehmen wie BTElectronics und Soitec.

In Crolles bei Grenoble entsteht derzeit eine der größten neuen Chipfabriken Europas, ein Gemeinschaftsprojekt von STMicroelectronics und GlobalFoundries mit Milliardeninvestitionen und Fokus auf modernste Chiptechnologie

Die enge Verbindung von Hardware-Entwicklung und KI-Forschung macht Grenoble zu einem Innovationsmotor für „intelligente“ Chips und Systeme, etwa für das Internet der Dinge (IoT), autonome Systeme und industrielle Anwendungen. So hat beispielsweise Continental das in Grenoble ansäsisge Unternehmen GlobalFoundries als strategischen Partner für die Fertigung von Halbleitern ausgewählt

Continental hatte im Juni 2025 die neue Organisation Advanced Electronics & Semiconductor Solutions (AESS) gegründet, um eigene anwendungsspezifische Halbleiter (Chips) für den Automotive-Bereich zu entwickeln und zu designen. Continental agiert dabei als sogenanntes „fabless“ Unternehmen – das heißt, das Design und die Verifizierung der Chips erfolgen intern, die eigentliche Fertigung übernimmt jedoch ein externer Partner, eben GlobalFoundries (GF).

Europas Antwort auf OpenAI

Das 2023 gegründete Unternehmen Mistral AI gilt als Europas Vorzeige-Start-up für generative KI. Das Unternehmen entwickelt große Sprachmodelle als Alternative zu US-Produkten wie OpenAI und verfolgt das Ziel, Europas technologische Souveränität zu stärken.

Mit dem Modell Medium 3 hat Mistral eine kostengünstige Alternative zu US-Produkten geschaffen. Mistrals Chatbot Le Chat wurde mit europäischen Daten und Werten trainiert, hält sich an die europäische Datenschutzgrundverordnung und ist inzwischen ein ernsthafter Konkurrent zu Chat-GPT und Claude. Seine Enterprise-Version ist speziell auf Unternehmensbedürfnisse zugeschnitten.

Mistral hat seit Mitte 2024 mehrere Finanzierungsrunden abgeschlossen und gehört inzwischen zu den am höchsten bewerteten europäischen KI-Start-ups.

Mistral AI wird beispielsweise von Investoren wie Nvidia, Salesforce und Andreessen Horowitz unterstützt und arbeitet an einem der größten KI-Rechenzentren Europas bei Paris.

Gemeinsam mit Nvidia, Bpifrance und dem Investmentfonds MGX aus Abu Dhabi baut Mistral AI derzeit das größte KI-Rechenzentrum im Ballungsraum Paris. Der sogenannte European AI Campus wird bis 2028 eine Rechenkapazität von 1,4 Gigawatt erreichen – das entspricht dem Strombedarf einer mittleren Großstadt und ist ein Vielfaches aktueler als bisherige europäische Rechenzentren. Die Investitionssumme liegt bei rund 8,5 Milliarden Euro für die erste Ausbaustufe, langfristig sind bis zu 50 Milliarden Euro im Gespräch. Im Kern der Anlage werden modernste Nvidia-Chips der neuesten Generation, darunter mindestens 18.000 GPUs für das Supercomputing, verbaut, um KI-Modelle im Exascale-Bereich zu trainieren und zu betreiben.

Das Rechenzentrum ist als offener Campus konzipiert, der die gesamte KI-Wertschöpfungskette abdeckt – von Forschung und Entwicklung über Training bis zur Anwendung in Schlüsselbranchen wie Gesundheit, Energie, Mobilität und Industrie. Besonderes Augenmerk liegt auf nachhaltiger, CO₂-armer Energieversorgung und der Integration in die französische Forschungslandschaft. Mit diesem Projekt steigt Mistral AI von einem reinen KI-Modelle-Entwickler zum Infrastrukturanbieter auf und verschafft Frankreich eine strategische Position im globalen KI-Wettbewerb.

OVHcloud: Europas Cloud-Alternative

Bereits 1999 gründete Octave Klaba in Roubaix mit OVHcloud eine Alternative zu US-amerikanischen Cloud-Anbietern,. Das börsennotierte Unternehmen setzt auf Datenschutz und digitale Souveränität und bietet europäischen Unternehmen eine lokale Cloud-Lösung. Im April 2025 hat OVHcloud die Data Platform eingeführt – eine integrierte PaaS-Lösung für die Verwaltung und Analyse großer Datenmengen.

Ebenfalls 2025 wurde AI Endpoints vorgestellt: eine serverlose, offene Plattform, die den einfachen Zugriff auf KI-Modelle – z. B. Sprachmodelle, Bildgenerierung, Code-Generierung – via API ermöglicht. Insgesamt stehen inzwischen 40 Open-Source-Modelle bereit, die Entwickler und Unternehmen in ihre KI-Anwendungen integrieren können, ohne eigene Infrastruktur betreiben zu müssen. Frankreich sieht OVHcloud als die Alternative zu den US-amerikanischen Hyperscalern.

Kreative Unicorns

Frankreich beherbergt eine Vielzahl innovativer Unternehmen und Start-ups, die als Unicorns mit einer Unternehmensbewertung von mindestens einer Milliarde US-Dollar die digitale Revolution vorantreiben. Back Market setzt mit wiederaufbereiteten Elektronikgeräten auf nachhaltigen Konsum. LightOn entwickelt Hardware für skalierbare Rechenzentren. Dataiku hat sich international als Plattform für KI-gestützte Datenanalyse etabliert – und ist auch in einer deutschsprachigen Fassung erhältlich.

Prophesee spezialisiert sich auf neuromorphe Bildverarbeitung, während Owkin innovative Lösungen für die medizinische Forschung entwickelt. Doctolib dominiert als größte europäische Plattform für Online-Arzttermine die Digitalisierung des Gesundheitswesens. Deezer, 2007 in Paris gegründet, ist heute neben Spotify der weltweit größte Musikstreaming-Dienst und präsent in 180 Ländern.

Deezer nutzt künstliche Intelligenz besonders für personalisierte Musikempfehlungen, die Analyse von Hörgewohnheiten und die Erstellung individueller Playlists. Intelligente Algorithmen helfen dabei, Nutzern passende Songs, Künstler und Podcasts vorzuschlagen und so das Hörerlebnis zu optimieren.

Die französische MitfahrplattformBlaBlaCar hat dank KI hat das Reisen in Europa revolutioniert und verbindet Millionen Menschen auf nachhaltige Weise. Hinzu kommen innovative Unternehmen wie Contentsquare (Nutzeranalyse), Qonto (Fintech), Sorare (digitale Sammelkarten), Alan (digitale Krankenversicherung) und viele weitere. Ob Gesundheitswesen, Mobilität, E-Commerce oder Gaming – die Vielfalt und Dynamik der französischen Unicorns, die intelligent KI nutzen, zeigt, wie stark Frankreichs Tech-Szene heute international aufgestellt ist und mit frischen Ideen neue Maßstäbe setzt.

Strategische KI-Investitionen

Französische Unternehmen nutzen KI gezielt in strategischen Branchen. In der Luft- und Raumfahrt investieren Airbus und Thales Alenia Space massiv in KI-Forschung. Das von Airbus Ventures unterstützte Unternehmen Bifrost spezialisiert sich auf industrielle Anwendungen mit künstlicher Intelligenz.

Das 1,4-Gigawatt-Projekt bei Paris

Die enorm gestiegene Nutzung und Nachfrage nach Anwendungen der künstlichen Intelligenz lässt den Bedarf an Rechner-Ressourcen geradezu explodieren. Frankreich hat mehr als 30 Standorte als „Ready-to-Go“-Zonen für Rechenzentren identifiziert. Diese verfügen über garantierte Energie-, Flächen- und Netzanschlüsse und sollen die Skalierung von KI-Infrastruktur beschleunigen.

Frankreich plant eines der größten Rechenzentren der Welt für künstliche Intelligenz. Nvidia, der Investmentfonds MGX aus Abu Dhabi und Mistral AI bauen gemeinsam ein gigantisches Rechenzentrum mit einer geplanten Rechenkapazität von 1,4 Gigawatt nahe Paris. Die Inbetriebnahme ist für Ende 2027 vorgesehen.

Dieses Zentrum wird als Herzstück eines neuen europäischen KI-Campus dienen und neue Maßstäbe für Hochleistungsrechner in Europa setzen. Die Größenordnung verdeutlicht Frankreichs Ambitionen: Das Land will nicht nur mithalten, sondern die Infrastruktur für die nächste Generation der Entwicklung bereitstellen.

Dekarbonisierte Supercomputer

Das britische Unternehmen Fluidstack errichtet zusammen mit der französischen Regierung einen der weltweit größten dekarbonisierten KI-Supercomputer. Die erste Phase mit 1 Gigawatt Leistung soll 2026 in Betrieb gehen. Frankreich setzt dabei auf Standorte mit direktem Zugang zu CO₂-armem Strom, vor allem aus Kernenergie.

Massive Expansion geplant

Der Energieversorger Électricité de France (EDF) hat vier große Industrieareale mit einer Gesamtleistung von 2 Gigawatt für neue Rechenzentren identifiziert. Landesweit wurden 35 mögliche Standorte ermittelt, die für Hochleistungsrechenzentren geeignet sind. Diese Flächen sind zwischen 18 und 150 Hektar groß und bereits ans Stromnetz angebunden.

Deutschland + Frankreich: Kooperation statt Konkurrenz

Die deutsch-französische Kooperation beim Ausbau der künstlichen Intelligenz bildet einen zentralen Baustein der europäischen Digitalstrategie. Das Deutsche Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz (DFKI) und das französische Inria arbeiten eng zusammen, etwa an Projekten zu Extended Reality und weiteren KI-Anwendungen.

Die Deutsch-Französische Hochschule (DFH) fördert zahlreiche KI-bezogene Projekte, darunter die Trifels Spring School und eine neue Professur „Künstliche Intelligenz und Cybersicherheit“ zwischen der Universität Passau und der INSA Lyon.

Strategische Roadmap für Europa

Am 24. Januar 2025 fand der erste deutsch-französische Dialog zur künstlichen Intelligenz in Berlin statt. Ziel ist die Entwicklung einer gemeinsamen KI-Roadmap, die konkrete Schritte für Industrie, Forschung und Innovation definiert. Die Roadmap umfasst strategische Bereiche wie Gesundheitswesen, Energie, Verteidigung, Cybersicherheit und Robotik.

Geplant ist die Schaffung einer „Koalition der Willigen“ für eine europäische KI-Industrie. Leitprojekte zu Edge Computing oder nachhaltiger KI sollen die Zusammenarbeit vertiefen.

La Suite Numérique: Digitale Souveränität für Europas Verwaltung

Ein herausragendes Beispiel für die deutsch-französische Zusammenarbeit ist das Projekt La Suite Numérique. Ziel ist eine vollständig souveräne und Open-Source-fähige Arbeitsumgebung für Behörden – unabhängig von den GAFAM Google, Apple, Facebook (Meta), Amazon und Microsoft.

Der Ansatz ist modular und interoperabel, verschiedene Tools lassen sich integrieren. Das Projekt steht allen EU-Ländern offen und kann auf andere Regionen ausgeweitet werden. Anstatt die USA zu imitieren und einen einzigen Champion zu suchen, erforscht Europa ein eigenes Modell, das auf Vielfalt und Kooperation beruht.

Frankreich vs. USA: The winner takes all?

Auf dem Weg zum erklärten Ziel, zur digitalen Supermacht Europas aufzusteigen, verfolgt Frankreich eine Strategie, die fundamentale Unterschiede zu den USA aufweist. Die Vereinigten Staaten setzen auf wenige dominante Technologie-Giganten, die globale Märkte beherrschen. Unternehmen wie Google, Microsoft, Meta und Amazon konzentrieren gewaltige Ressourcen und Marktmacht auf sich. Dieses Winner takes all-Prinzip schafft Monopole und fatale technologische Abhängigkeiten.

Frankreichs Gegenentwurf: Vielfalt und Kooperation

Frankreich verfolgt eine grundlegend andere Philosophie. Statt auf einzelne Superstars zu setzen, fördert das Land ein Ökosystem aus vielen Akteuren. Open-Source-Entwicklung, modulare Lösungen und europäische Kooperation stehen im Mittelpunkt.

Das Konzept der „vertrauenswürdigen KI“ betont ethische Standards und gesellschaftliche Akzeptanz. Frankreich will nicht nur technologisch konkurrenzfähig sein, sondern auch ein europäisches Gegenmodell zur amerikanischen Tech-Dominanz etablieren.

Technologische Souveränität als Ziel

Frankreichs Strategie zielt explizit auf technologische Souveränität ab. Das Land will sich von amerikanischen Tech-Giganten unabhängig machen und eine eigenständige europäische Industrie aufbauen. Projekte wie La Suite Numérique oder die Förderung von Mistral AI als europäische Alternative zu OpenAI verdeutlichen diesen Ansatz.

Nachteil: Langsame Marktdurchdringung

Trotz hoher Investitionen bleibt die Integration von KI in die Breite der Wirtschaft ausbaufähig. 2024 setzten nur knapp zehn Prozent der französischen Unternehmen mit mehr als zehn Beschäftigten KI im Geschäftsbetrieb ein – in Deutschland waren es fast 20 Prozent.

Nur zwei Prozent der französischen Industrieunternehmen sehen derzeit den besten ROI durch KI – ein erstaunlich niedriger Wert im europäischen Vergleich. Es gibt eine Diskrepanz zwischen ambitionierten Pilotprojekten und flächendeckender, wirtschaftlich erfolgreicher Umsetzung.

Trotz Fachkräftemangel gut aufgestellt

Wie andere europäische Länder kämpft auch Frankreich mit einem Mangel an KI-Fachkräften. Die Ausbildungskapazitäten werden zwar ausgebaut, können aber den steigenden Bedarf der Industrie noch nicht vollständig decken. Doch mit Investitionen von mehr als 109 Milliarden Euro, dem Aufbau gigantischer Rechenzentren und einer starken Forschungslandschaft positioniert sich das Land als ernsthafter Konkurrent zu den USA und China.

Frankreich will mehr sein als nur ein Mitspieler im globalen KI-Wettbewerb. Das Land strebt die Rolle des europäischen Motors an, der eine alternative Vision für die Entwicklung Künstlicher Intelligenz vorantreibt. Ob diese ambitionierte Strategie aufgeht, wird sich in den kommenden Jahren zeigen. Die Weichen sind gestellt.

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Im Blog

Weitere Beiträge zu aktuellen Themen aus Frankreich findet ihr in der Rubrik So tickt Frankreich.

Im Web

Landy Charrier hat Henri Verdier, seit 2018 Botschafter für digitale Angelegenheiten, zur Entwicklung der KI in Europa interviewt.
• https://dokdoc.eu/2025/04/28/im-wilden-westen-entsteht-keine-ernsthafte-innovation