Symbolbild zu Frankreichs Rüstungsindustrie.

Frankreichs Rüstungsindustrie

Frankreichs Rüstungsindustrie hat eine lange und traditionsreiche Geschichte, die bis ins Mittelalter zurückreicht. 2024 ist Frankreich der viertgrößte Rüstungsexporteur der Welt und spielt eine wichtige Rolle in der europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik.

Seine Rüstungsindustrie ist eine wichtige, aus Sicherheitserwägungen bewusst nicht sehr sichtbare Säule der Wirtschaft. Sie umfasst rund 400 Unternehmen und beschäftigt direkt etwa 200.000 Menschen. 41,6 Milliarden Euro betrug ihr Umsatz im Jahr 2022, Tendenz steigend. Kaum weniger verdiente die deutsche Rüstungsindustrie im selben Jahr. Ihr Umsatz 2022 belief sich auf 38,5 Milliarden Euro. Die Kriege in Israel, Ukraine, Sudan und anderen Gebieten der Welt sowie die Angst vor einem 3. Weltkrieg sorgen seitdem für rasant steigende Produktions- und Umsatzzahlen.

Ein Blick in die Geschichte

Die Geschichte der französischen Rüstungsindustrie ist eng mit der Entwicklung des Landes als Militärmacht verbunden. Bereits im Mittelalter spielten französische Waffen und Rüstungen eine wichtige Rolle in den Konflikten Europas. Im 100-jährigen Krieg (1337-1453) beispielsweise gelang es den Franzosen dank ihrer überlegenen Artillerie, die Engländer zu besiegen.

Französische Innovationen im Rüstungsbereich

Im 12. Jahrhundert erfuhr die Armbrust eine bedeutende Weiterentwicklung in Frankreich. Ursprünglich als Gastraphetes im 5. Jahrhundert v. Chr. in Griechenland erfunden, wurde die Armbrust im Mittelalter zu einer präzisen und schlagkräftigen Waffe perfektioniert, die den Bogenschützen ablöste.

Im 14. Jahrhundert revolutionierte Frankreich die Kriegsführung durch die Weiterentwicklung der Bliden zu Kanonen. Diese Innovation machte Frankreich zu einer führenden Militärmacht.

Berühmte Kanonen

Mons Meg: Eine riesige Belagerungskanone aus dem 14. Jahrhundert, die heute im belgischen Mons zu sehen ist.
Faule Grete: Eine weitere bekannte Belagerungskanone aus dem 15. Jahrhundert, die bei der Belagerung von Metz im Jahr 1473 eingesetzt wurde.

Im 17. Jahrhundert führte Frankreich das Bajonett ein, das die Feuerwaffe in eine effektive Nahkampfwaffe verwandelte.

Im 19. Jahrhundert wurde die Mitrailleuse entwickelt, ein Vorläufer des modernen Maschinengewehrs. 1851 konstruierten der belgische Hauptmann Joseph Montigny und der Hersteller Joseph Antoine Carlier mit der Montigny-Mitrailleuse die erste funktionsfähige Mitrailleuse. 1860 führte die französische Armee die Mitrailleuse Reffye ein, eine Weiterentwicklung des Montigny-Modells.

1915 entwickelte Frankreich während des Ersten Weltkriegs den ersten modernen Panzer. Der nach seinem Produktionsstandort benannte Panzer Saint-Chamond A kam ab 1917 an der Westfront das erste Mal in der Schlacht an der Aisne zum Einsatz – und war ein Totalausfall. Das viel zu kurze Kettenwerk im Vergleich zum langen Vorbau führte dazu, dass der Panzer regelmäßig stecken blieb.

1954 stellte Dassault Aviation den Mirage-Überschalljäger vor. Die Mirage-Familie gilt als eine der erfolgreichsten Kampfflugzeug-Familien der Geschichte.

Königliche Arsenale & Werften: Bollwerke der militärischen Macht

Während der Renaissance und der frühen Neuzeit weiteten sich die militärischen Ambitionen Frankreichs aus, was zur Gründung königlicher Arsenale und Werften an strategischen Standorten im ganzen Land führte. Diese Einrichtungen spielten eine entscheidende Rolle bei der Ausrüstung französischer Armeen und Flotten während Konflikten wie den Napoleonischen Kriegen.

Die Verteilung der Arsenale und Werften im Land spiegelte die maritimen und geopolitischen Ambitionen Frankreichs wider. Zu den wichtigsten Standorten gehörten:

Atlantikküste

  • Brest: Schwerpunkt: Große Kriegsschiffe, z.B. Linienschiffe
  • Rochefort: Schwerpunkt: Fregatten, Korvetten und U-Boote
  • Lorient: Schwerpunkt: Handelsschiffe und U-Boote

Mittelmeerküste

  • Toulon: Schwerpunkt: Große Kriegsschiffe, z.B. Linienschiffe
  • Marseille: Schwerpunkt: Galeeren und kleinere Kriegsschiffe

Flussläufe

  • Arsenal de Roanne: Schwerpunkt: Flussschiffe und logistische Unterstützung
  • Arsenal de Strasbourg: Schwerpunkt: Flussschiffe und logistische Unterstützung

Neuzeit: Mechanisierung der Produktion

Die industrielle Revolution markierte einen bedeutenden Wendepunkt für die französische Rüstungsindustrie. Mit der Mechanisierung der Produktionsprozesse entwickelte sich Frankreich zu einem führenden Produzenten von Schusswaffen, Artillerie und Militärfahrzeugen. Saint-Étienne ist seit dem 17. Jahrhundert bekannt für die Herstellung von Feuerwaffen, Tulle spezialisiert auf die Fertigung von Klingenwaffen und Munition. Das Elsass ist ein Zentrum für die Produktion von Kanonen und Artillerie. Im Großraum Paris sind zahlreiche Waffenhersteller und Forschungsinstitute ansässig.

20. /21. Jahrhundert

Im 20. Jahrhundert unterzog sich die Rüstungsindustrie Frankreichs weiterer Konsolidierung und Modernisierung, mit der Gründung von Unternehmen wie Nexter Systems, der Thales Group und Dassault Aviation. Diese Unternehmen wurden Pioniere auf Gebieten wie Raketenabwehr, elektronische Kriegsführung und Luft- und Raumfahrttechnologie und festigten Frankreichs Ruf als globaler Marktführer in der militärischen Innovation.

Frankreichs Atomindustrie

Die Kombination aus ziviler und militärischer Nutzung von Kernenergie ist ein zentraler Bestandteil der Verteidigungsstrategie Frankreichs. Frankreich verfügt über etwa 300 Atomwaffen und ist damit die viertgrößte Atommacht der Welt, nach den USA, Russland und China. Das französische Atomwaffenarsenal umfasst sowohl seegestützte ballistische Raketen (SLBM) als auch Luft-Boden-Raketen.

Die französische Marine betreibt derzeit vier mit Atomwaffen bestückte U-Boote vom Typ Triomphant: Le TriomphantLe TéméraireLe Vigilant und Le Terrible. Diese U-Boote sind im Île Longue-Stützpunkt in der Nähe von Brest in der Bretagne stationiert. Wenn sie nicht auf Patrouille sind, befinden sie sich dort zur Wartung und Vorbereitung.

Die französische Nuklearforschung leitet das Commissariat à l’énergie atomique (CEA), das für die Entwicklung und Produktion von Spaltmaterialien verantwortlich ist. Frankreich hat in der Vergangenheit Plutonium für Atomwaffen in der Nuklearanlage Marcoule produziert.

Frankreich will angesichts der weltweiten Kriege und Krisen die Tritiumproduktion wieder aufnehmen, die für die Herstellung von Atomwaffen unerlässlich ist. Tritium wird in den zivilen Atomkraftwerken des staatlichen Energieversorgers EDF, insbesondere im Kraftwerk Civaux, hergestellt. Diese Zusammenarbeit zwischen dem Verteidigungsministerium und EDF zielt darauf ab, die Verfügbarkeit von Tritium für zukünftige militärische Anwendungen sicherzustellen

Frankreichs Rüstungsindustrie

Eine Handvoll multinationaler Konzerne dominieren Frankreichs Rüstungsindustrie. Sie haben sich jeweils auf verschiedene Aspekte der Militärtechnologie spezialisiert.

Global Players

Airbus Helicopters

Ein weltweit führender Hersteller von Hubschraubern für zivile und militärische Anwendungen. Das Unternehmen entstand 2014 durch die Zusammenführung der Hubschraubersparten von Eurocopter und Cassidian. Neben Marignane, Paris, Aix-en-Provence gehören Produktions- und Wartungsstandorte in mehr als 20 Ländern.

Das Unternehmen bietet ein breites Spektrum an Militärhubschraubern für verschiedene Einsatzbereiche an, darunter Kampfhubschrauber wie Tiger, Tiger Had und Apache, Transporthubschrauber wie NH90, Caracal und Chinook sowie Mehrzweckhubschrauber (H145M, H160M, Super Puma).

Dassault Aviation

Dassault Aviation ist ein französischer Luft- und Raumfahrtkonzern, der für seine Kampfflugzeuge wie die Mirage, die Rafale und den Falcon weltberühmt ist und heute auch Unbemannte Luftfahrzeuge (UAVs) wie Neuron und Taranis herstellt. Das Unternehmen hat seinen Hauptsitz in Saint-Cloud bei Paris und lässt in Frankreich unter anderem in Bordeaux und Istres herstellen.

Dassault Aviation ist ebenfalls ein börsennotiertes Unternehmen und befindet sich im Mehrheitsbesitz privater Aktionäre. Der französische Staat hält jedoch einen Anteil von rund zehn Prozent an Dassault und ist einer der Hauptkunden.

MBDA

Als Joint Venture zwischen Airbus, BAE Systems und Leonardo ist MBDA auf Raketen- und Waffensysteme für Luft-, Land- und Seeanwendungen spezialisiert – von Kurzstrecken-Panzerabwehrraketen bis hin zu Langstrecken-Luftverteidigungssystemen.

Naval Group

Die Naval Group ist ein französischer Rüstungskonzern, der sich auf den Bau von Kriegsschiffen und Unterwasserbooten spezialisiert hat. Sie entstand 2017 durch die Fusion von DCNS und Thales Naval Activities und beschäftigt rund 15.000 Mitarbeiter an mehr als 20 Standorten in Frankreich, Italien und anderen Ländern.

Naval Group deckt das gesamte Spektrum des maritimen Schiffbaus ab und bietet ein breites Portfolio an Kriegsschiffen und Unterwasserbooten, darunter Fregatten, Zerstörer, Landungsschiffe, U-Boote und Patrouillenboote.

Nexter Systems

Nexter Systems hat sich auf die Entwicklung, Produktion und den Vertrieb von gepanzerten Fahrzeugen, Artilleriesystemen und Munition spezialisiert. Nexter Systems war ursprünglich ein staatseigenes Unternehmen, wurde aber 2006 im Zuge der Fusion von GIAT Industries und Thales Land & Systems privatisiert. Heute ist es im Besitz von mehreren Aktionären, darunter der französische Staat mit einem Anteil von rund 30 Prozent. Nexter Systems ist einer der weltweit führenden Anbieter von Landwaffensystemen. Nexter Systems beschäftigt rund 3.000 Mitarbeiter an seinen Produktions- und Wartungsstandorte in Frankreich (Versailles, Roanne, Le Mans, Saint-Ouen-l’Aumône, Tarbes), Deutschland (Krefeld, Pfullendorf) und Belgien (Hooglede).

Nexter Systems bietet ein breites Spektrum an Militärtechnik für verschiedene Einsatzbereiche an: gepanzerte Fahrzeuge wie der Kampfpanzer Leclerc, der Schützenpanzer VBCI und Radpanzer Aramis, Artilleriesysteme wie die Caesar-Haubitzen und den MLRS-Raketenwerfer sowie Munition: Panzergranaten, Artilleriegeschosse und Mörsergranaten.

Safran

Das Luft- und Raumfahrtsunternehmen Safran entstand 2016 durch die Fusion von Snecma (Triebwerke) und Safran (Elektronik und Sensoren). Das Unternehmen beschäftigt rund 90.000 Mitarbeiter an rund 100 Standorten in Europa, Nordamerika und Asien.

Safran entwickelt und produziert Triebwerke für Kampfflugzeuge (z.B. Rafale), Transportflugzeuge (z.B. Airbus A400M) und Hubschrauber (z.B. Tiger) – für Letztere entwickelt es auch Getriebe, Avionik und Hebevorrichtungen. In der Sparte Verteidigungselektronik entwickelt und produziert Safran unter anderem Radarwarnsysteme, Infrarotkameras und Trägheitsnavigationssysteme.

Thales Group

Die Thales Group ist ein globaler Technologiekonzern mit Sitz in Frankreich, der im Jahr 2000 durch die Fusion von Thomson-CSF und Dassault Electronique entstand und heute rund 81.000 Mitarbeiter an 68 Standorten in 56 Ländern beschäftigt.

Die Thales Group ist ein börsennotiertes Unternehmen, das sich im Mehrheitsbesitz privater Aktionäre befindet. Der französische Staat hält jedoch einen Anteil von rund 20 Prozent an Thales und ist ein wichtiger Kunde des Unternehmens.

Kleine Spezialbetriebe

Frankreich verfügt über eine Reihe kleinerer, hochgradig spezialisierter Waffenschmieden, die in Nischenbereichen der Militärtechnologie führend sind. Diese Unternehmen sind oft in der Herstellung von Komponenten oder Subsystemen für größere Rüstungskonzerne tätig.

Cales

Cales wurde 1947 in Roanne gegründet, wo es bis heute Panzerketten und anderen Komponenten für gepanzerte Fahrzeuge entwickelt und herstellt – wie auch in Saint-Étienne und Kaiserslautern.

Forges de Tarbes

Der 60-Personen-Betrieb fertigt als einziger in Frankreich große Hohlkörper für 155 mm-Granaten – einziger Abnehmer der in Tarbes produzierten Granatenhohlkörper ist der staatliche Rüstungskonzern Nexter.

SNPE

Die SNPE Société Nationale des Poudres et Explosifs aus Le Bourget hat sich auf die Entwicklung, Produktion und den Vertrieb von Treibstoffen, Sprengstoffen und Munition für die Militärtechnik spezialisiert. Zu seinen Produktions- und Forschungsstandorten gehören in Frankreich neben Le Bourget auch Saint-Médard-en-Jalles, Pontonx-sur-l’Adour, Sorgues, Vert-le-Petit, in Belgien Olen, in Italien Colleferro sowie in Deutschland Neuenburg.

Tarbes Aerospace Systems

Dieses Unternehmen ist spezialisiert auf die Herstellung und Wartung von Luftfahrzeugen für militärische Zwecke. Tarbes Aerospace Systems produziert eine Vielzahl von Flugzeugkomponenten, darunter Flügel, Triebwerke und Avioniksysteme, die in Kampfflugzeugen, Transportflugzeugen und Hubschraubern Verwendung finden.

Zudem bietet das Unternehmen umfassende Wartungs- und Instandhaltungsdienste für Luftfahrzeuge an, um die Einsatzbereitschaft der französischen Luftstreitkräfte sicherzustellen. Das Unternehmen gehört zum Airbus-Konzern und beschäftigt rund 2.500 Mitarbeiter.

Offenlegung

Die Rüstungsindustrie ist ein komplexer und sensibler Sektor. Die Glaubwürdigkeit von Zahlen und Informationen, die mir die Unternehmen zur Verfügung stellten, lässt sich jedoch nur schwer überprüfen. Danke für euer Verständnis.

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Im Blog

Mehr zu Land und Leute erfahrt ihr hier im Blog.

3 Kommentare

  1. Liebe Hilke,
    Super Idee, sehr spannend! Vielen Dank für diesen (wie immer) sehr informativen Beitrag zu einem mal ganz anderen Thema in diesem Blog. Gerne mehr davon!
    Liebe Grüße Renate

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