Gorges du Verdon: Europas größte Schlucht
Im Quartär bedeckten eiszeitliche Gletscher die Provence. Nach der Eisschmelze grub sich ein Fluss, einst gewaltig wie der Nil, tief in die Hochebene von Canjuers ein und schuf im Kalk eine spektakuläre Schlucht: der Verdon. Bis zu 700 Meter hoch ragen die weißen Felswände der Gorges du Verdon in den Départements Alpes-de-Haute-Provence und Var auf.
21 Kilometer lang und bis zu 700 Meter tief hat sich der Fluss zwischen Castellane und dem Lac de Sainte-Croix bei Moustiers-Sainte-Marie tief in den hellen Kalk gegraben und Europas Grand Canyon geschaffen – spektakulär!
Die Gorges du Verdon sind ein Lehrbuchbeispiel für Karstlandschaften, die durch die Wechselwirkung von Wasser und Kalkstein geformt wurden. Die Erosion durch den Fluss, der sich bis heute in die Gesteinsschichten frisst, hat faszinierende Formationen hinterlassen: Höhlen, Überhänge und schroffe Klippen.
Schon in der Steinzeit nutzten Menschen die Höhlen der Gorges du Verdon als Schutzräume. Später siedelten sich gallorömische Gemeinden entlang des Flusses an, um von seinem Wasser und den fruchtbaren Böden zu profitieren.
Outdoor mit Kick
Staustufen haben den Verdon seitdem gezähmt. Fluor hat seine Fluten smaragdgrün gefärbt. Öffnen die Staustufen bei einem lacher d’eau die Tore, freuen sich Raftingfans und Paddler über weiß schäumendes Wildwasser.
Am Pont de l’Artuby springen Bungee-Jumper in die Tiefe, Paraglider schweben über den Felsspitzen, direkt am Straßenrand wird für die Kletterpartie abgeseilt. Canyoning, Survival, Wasserwandern: Kaum ein Kick, den der Verdon als Abenteuerspielplatz für Outdoor-Fans heute nicht bereithält.
Und immer wieder eröffnen offizielle Haltebuchten und tolerierte schmale Streifen am Straßenrand den Blick in eine Tiefe, die staunen lässt – beispielsweise am Belvédère de Rancoumas. Besonders nah kommt ihr dem Verdon am Point Sublime.
Dort könnt ihr nicht nur vom Parkplatz am Besucherzentrum zu einem atemberaubenden Aussichtspunkt in wenigen Schritten hingehen, sondern auch mit dem eigenen Gefährt die Schlucht hinabfahren zu einem Kreisel, der so dicht am Fluss in der Tiefe der Gorges du Verdon ist, wie er sonst nur auf Wanderwegen oder beim Paddeln zu erleben ist.
Jede Jahreszeit hat ihren ganz eigenen Reiz in den Gorges du Verdon. Im Frühling blüht die Natur auf, und die höheren Wasserstände nach der Schneeschmelze laden zu Kajaktouren im smaragdgrünen Wasser. Der Sommer lockt Badegäste und Wanderer, während der Herbst die Hänge in warme Gold- und Rottöne taucht. Selbst im Winter, wenn die Region ruhiger wird, zeigt sich die Schlucht in ihrer ganzen Dramatik – oft unter einem strahlend blauen Himmel.
Wilde Wanderungen
Erst 1905 gelang es dem französischen Höhlenforscher Édouard Alfred Martel, die Schlucht zu bezwingen. Sein Auftrag: auszukundschaften, ob und wie die Schlucht für die Stromerzeugung zu nutzen sei. Drei Tage war er unterwegs – und meldete: Es lohnt sich.
Seiner Route folgt heute ein Wanderweg, der mit Seilen und Stegen gesichert ist, aber dennoch Trittsicherheit und Erfahrung fordert. Von der Berghütte Chalet La Maline geht es Schritt für Schritt hinein in die Erdgeschichte, schmale Gesimspfade entlang und durch den stockdunklen Tunnel du Baou, der an drei Stellen Ausblicke auf den Verdon freigibt. Kiefern und Wacholderbüsche klammern sich an den Stein.
Dann wieder säumen Steineichen und Kiefern den Hang. Im Frühling verwandeln Blüten, wie der Ginster und wilde Orchideen, die Hänge in ein buntes Farbenmeer.
Auf dem Pré d’Issane, dem tiefsten Punkt der Schlucht, wachsen seltene Blumen und wilde Orchideen. Hoch oben drehen Bonelli-Adler und Gänsegeier, 1999 erfolgreich ausgewildert, ihre Kreise. Auch Alpenkrähen, Schlangenadler und Uhus sind hier daheim.
Mitunter kommen den Wanderern Badelustige mit Handtuch und Latschen entgegen: Auch kleine, idyllische Badestrände und Badegumpen hat der Verdon geschaffen.
Baden in Türkis
Der Verdon schuf auch ein Badeparadies in XXL: den 22 Quadratkilometer großen Lac de Sainte-Croix. Für den Bau von Frankreichs zweitgrößtem Stausee wurde 1971 das alte Dorf Les Salles-sur-Verdon gesprengt und geflutet. Einzig die Kirchturmuhr, die Dorfglocke und der Dorfbrunnen wurden abgebaut für das neue Dorf, das 400 Meter vom alten Standort neu entstand.
Manchen Bewohnern missfiel das rigorose staatliche Durchgreifen. Sie leisteten Widerstand. Und blieben in ihren Häusern, bis das Wasser eindrang. Heute freuen sie sich, dass der Stausee Geld in die Kassen der Kommunen spült. Wie im Umland, so ist auch in Les Salles-sur-Verdon der Tourismus, und nicht mehr die Landwirtschaft, längst der wichtigste Wirtschaftsfaktor.
Filmreife Location
Die spektakulären Gorges du Verdon haben auch Filmemacher immer wieder als beeindruckende Kulisse inspiriert. Im Drama Pieds nus sur les limaces (2009) mit Ludivine Sagnier und Diane Kruger sowie im Thriller Un Balcon sur la mer (2010) mit Jean Dujardin dienten die Schluchten als stimmungsvolle Schauplätze.
Besonders eindrucksvoll fängt der Dokumentarfilm Verdon Secret 3D die wilde Schönheit der Schlucht ein und gibt dabei Einblicke in die faszinierende Geologie und Natur der Region – perfekt, um sich einmal wieder in die Gorges du Verdon hinzuträumen, wenn man gerade nicht vor Ort ist. Denn die Schluchten bergen echtes Sehnsuchts-Potenzial!
Gorges du Verdon: meine Reisetipps
Panorama-Routen
Zwei Panoramastraßen erschließen die Schlucht. Am Nordufer leitet die D 952 zum Point Sublime und Belvédère de Mayreste. Ab La Palud-sur-Verdon führt die Route des Crêtes (D 23) als große Runde zu weiteren schwindelerregenden Aussichtspunkten direkt an der Canyonkante.
Die Panoramastraße des Südufers ist die Corniche Sublime (D71) nach Aiguines. Haltet an den Balcons de la Mescla, am Pont de l’Artuby und am Cirque de Vaumale an, um einen Blick in die Tiefe zu riskieren.
Aktiv unterwegs
Klassiker der markierten Wanderwege ist der 18 Kilometer lange, anspruchsvolle Sentier Martel vom Chalet de la Maline zum Point Sublime am Nordufer, für die ihr mit Pausen rund sieben Stunden braucht. Unterwegs geht es durch einen 700 Meter langen Tunnel. Nehmt dafür eine Taschenlampe mit! Und natürlich ausreichend Wasser, Proviant und ggf. Sonnen- und Insektenschutz! Am Südufer folgt der GR 99 der gesamten Schlucht.
Mit der Suche nach dem besten Ort zum Abseilen beginnt meist jede Klettertour. Die wichtigsten Routen stellt der jährlich aktualisierte Führer der Klettervereinigung Lei Lagramusas vor. Sehr beliebt sind auch Canyoning-Touren.
Paddeln
Tretboote und Kanus für kurze Paddeltouren in die Schlucht könnt ihr am Lac Sainte-Croix ausleihen.
Nicht verpassen!
Musée de Préhistoire des Gorges du Verdon
Wie eine Höhle im Fels hat Stararchitekt Lord Norman Foster das Musée de Préhistoire des Gorges du Verdon gestaltet, das als Europas größte Sammlung zur Vorzeit die Siedlungsgeschichte der Schlucht lebendig dokumentiert.
• Route de Montmeyan, Quinson, Tel. 04 92 74 09 59, www.museeprehistoire.com/accueil
Hier könnt ihr schlafen
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Im Blog
Die Gorges du Verdon erstrecken sich zwischen den beiden Départements Alpes-de-Haute-Provence und Var – beim Klicken auf die hinterlegten Links kommt ihr zu den jeweiligen Départements und allen Beiträgen, die ich von dort bereits veröffentlicht haben. Noch mehr schöne Schluchten im Südosten Frankreichs stelle ich euch in diesem Beitrag vor. Die Gorges du Tarn, Gorges d’Aveyron und Gorges d’Ardèche gehören natürlich auch zu den Schluchten-Highlights im Land!
Eine ganz tolle Schlucht befindet sich auch nördlich meines Dorfes im tiefen Süden Okzitaniens am Pyrenäenrand, wo ihr nicht nur in den Gorges de Galamus, sondern auch den Gorges de la Carança herrlich wandern könnt!
Im Buch
14 tolle Touren mit dem Motorrad, Auto oder Womo kreuz und quer durch Frankreich vereint dieses Buch, das ich mit meinem sehr geschätzten Kollegen Klaus Simon verfasst habe.
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