Hell-Bourg: farbenfroh & kreolisch
Auf 930 bis 945 Metern thront Hell-Bourg im üppigen tropischen Grün, umarmt von den schroffen Felswänden des Cirque de Salazie, der als einer der regenreichsten Orte der Welt gilt. Seit 1999 gehört das Bergdorf zu den schönsten Dörfern Frankreichs.
Es war eine wilde Gegend, als in den 1930-er Jahren die ersten Bewohner sich im damals noch völlig unbewohnten Felskessel des Piton des Neiges niederließen: Sklaven, von den Plantagen an der Küste geflohen, und erste Siedler aus dem Mutterland, die die Gewalt der Wirbelstürme ins Innere der Insel getrieben hatte.

Zwei von ihnen entdeckten bei der Jagd an einem Bé-maho genannten Ort sprudelnde Quellen. Mit 32 °C besaßen sie nicht nur eine angenehme Wassertemperatur, sondern auch eine erstaunlich hohe Eisenkonzentration.
Besonders bei der Behandlung von Anämie waren Therapien mit dem örtlichen Thermalwasser sehr erfolgreich. Ein Kurort entstand. Zum Namensgeber wurde 1842 ein gewisser Monsieur de Hell, Gouverneur von „Madagaskar und Abhängigkeiten“.

Die ersten Kurgäste wurden in einfachen Strohhütten untergebracht. Mit dem Bau des Thermalbads im Jahr 1852 begann die Blütezeit von Hell-Bourg als Kurort. Aus Südafrika, Mauritius, Kenia und Moçambique kamen die Gäste, um in Hell-Bourg „ins Wasser zu gehen“. Jeden Sommer kamen die reichen Familien der Insel von der Küste hinauf ins Bergdorf, um die Kühle des Cirque de Salazie zu genießen.

Das mondäne Leben der Belle-Époque erhielt Einzug, und die Strohhütten machten Platz für Villen mit Ziergiebeln und prächtigen Gärten, wie ihr sie heute mit der Maison Folio bewundern könnt, die im Inneren Möbel im kreolischen Stil und Gebrauchsgegenstände zeigt. Wunderschön ist auch ihr tropischer Garten mit einem Pavillon und einem Brunnen aus Bronze, der im üppigen Grün plätschert.
Auch ein Kasino wurde eröffnet. Der Niedergang des Kurorts begann in den 1920er-Jahren, als die Wassertemperaturen der Thermalquellen sanken und die Quellen schließlich durch einen Zyklon im Jahr 1948 blockiert wurden.
Der Versuch, die Quellen mit Sprengstoff wieder freizulegen, scheiterte katastrophal und führte zu einem teilweisen Zusammenbruch des Kurbades sowie zur Zerstörung des Kasinos.

1999 wurde Hell-Bourg für seine kreolische Architektur und das Erbe der Bäderzeit als eines der Plus Beaux Villages de France (Schönste Dörfer Frankreichs) klassifiziert.
Der markierte Rundgang circuit des cases créoles führt euch durch das Dorf zu kreolischen Häusern in den verschiedensten Stilen und Größen. Hell-Bourg beherbergt einige der am besten erhaltenen Beispiele dieser Architektur, bescheidene cases als auch prächtige Villen.

Auf dem Rundgang könnt ihr die typischen Merkmale der kreolischen Architektur entdecken. So sind die rechteckigen, symmetrischen Fenster oft mit dekorativen Verkleidungen versehen und die Wände häufig horizontal mit Holz verkleidet. Viele Häuser sind zudem in sanften Farben gestrichen, was zur malerischen Atmosphäre des Dorfes beiträgt.


Die Dachkante schmücken oftmals lange Rauten. Sie symbolisieren das „schützende Auge“, das böse Geister abwehren soll. Nicht nur dekorativ, sondern mit doppeltem Nutzen versehen sind die lambrequins, die oft unter dem Dachvorsprung von kreolischen Häusern angebracht sind.
Sie sind oft kunstvoll geschnitzt und zeigen lokale Motive oder geometrische Muster. Bei Sonnenschein verlängern sie den Schatten unter dem Dachvorsprung, bei Regen leiten sie das Nass gezielt hinab in den Garten.

Am Ende der Rue Amiral Lacaze erreicht ihr den cimetière d’Hell-Bourg. Der Landschaftsfriedhof ist eine berührende Oase – und ein stiller und wie zauberhafter Aussichtspunkt von Hell-Bourg: Weit schweift der Blick über ein Meer von weißen Kreuzen auf liebevoll gepflegten Erdgräbern mit überreicher tropischer Flora hin zum Vulkankegel des Piton d’Anchaing.

Das 2015 eröffnete Musée des Musiques & Instruments de l’Océan Indien präsentiert mehr als 1.500 Musikinstrumente und lädt zur musikalischen Reise von Afrika über China bis nach Madagaskar und Indien. Seit 2023 ist das Museum wegen Bauarbeiten geschlossen.

In der Nähe des Rathauses steht die Bronzestatue L’Âme de la France, die der französische Bildhauer Charles Sarrabezolles 1930 als barbusige Kriegerin entworfen hatte. Als sie auf dem Platz vor dem Rathaus von Salazie so aufgestellt wurde, erregte die entblößte Amazone den Unmut eines Pfarrers so sehr, dass er alles daran setzte, sie zu entfernen. So wurde sie schließlich als Denkmal für die Gefallenen des Ersten Weltkriegs rehabilitiert und 2004 als historisches Denkmal klassifiziert.

Nicht nur das Architekturerbe, auch die Natur ringsum machen Hell-Bourg zu einem faszinierenden Ziel. Fabelhafte Orte mit bildhaften Namen könnt ihr hier entdecken. Die nahe Mare à Poule d’Eau ist ein mystischer Vulkansee, an dem Trompetenbäume in Gelb und Weiß blühen.

In der 3,2 Kilometer langen Schlucht Trou de Fer stürzen sich bis zu sechs schwindelerregende Wasserfälle über eine Felsklippe hinab ins Tal und erzeugen dabei ein ohrenbetäubendes Getöse. Der größte Wasserfall, der Bras de Caverne, fällt in mehreren Abschnitten etwa 300 Meter hinab.
Hin zum „Eisenloch“ kommt ihr nur zu Fuß. Wanderwege durch die dichte Forêt de Bélouve, einen tropischen Regenwald mit endemischen Pflanzenarten, leiten euch hin zu einer Aussichtsplattform, von der aus ihr einen beeindruckenden Blick in die Schlucht habt.

Auf dem Weg hinauf nach Hell-Bourg kommt ihr am Voile de la Mariée vorbei, einem Band aus rauschenden Kaskaden, die wie ein „Brautschleier“ wirken, wenn das Wasser über die Felsen stürzt. Dies verleiht ihm seinen romantischen Namen. Das beliebte Fotomotiv könnt ihr direkt von der Haltebucht an der D 48 hinauf nach Hell-Bourg fotografieren.

An keinem anderen Ort der Erde fällt innerhalb von 24 Stunden mehr Regen als auf der Île de la Réunion. Ein bemerkenswerter Rekord wurde am 15. und 16. März 1952 auf der Ostküste mit 1.870 mm Niederschlag in 24 Stunden gemessen.
Im Jahr 2007 wurden innerhalb von drei Tagen 3.929 mm Regen aufgezeichnet, was ebenfalls einen Weltrekord für diese Zeitspanne darstellt. Zu den regenreichsten Regionen der Insel gehört der Cirque de Salazie. Besonders während der Regenzeit von Dezember bis März sind die Niederschläge äußerst ergiebig.

Einem rankenden Gemüse gefiel das üppige tropische Nass besonders. Ringsum von Hell-Bourg wird der Chouchou nicht nur auf Eisengestängen angebaut, sondern hat auch wild und grün zahlreiche Berghänge erobert.
Auch die Vanille fühlt sich hier wohl. Bei einem Besuch der Vanille-Kooperative in Bras-Panon, 25 Kilometer von Hell-Bourg entfernt, könnt ihr erfahren, wie arbeitsintensiv ihr Anbau ist und die verschiedenen Qualitäten des Gewürzes kennenlernen und kaufen.

Hell-Bourg: meine Reisetipps
Hinkommen
ÖPNV
Buslinie 83 ab Gare de Saint-André, mehrmals täglich.
• https://ville-salazie.fr/images/Horaire_de_bus_salazie.pdf
Schlemmen und genießen
Die Gastronomie in Hell-Bourg ist so bodenständig und rustikal wie das Terroir ringsum. Zu den besten Adressen der einfachen, schlichten Lokale mit vorwiegend kreolischer Küche gehören für mich:
Chez Billy Ô Tipikemen Kreol
• 10, impasse des Aubépines, 97433 Salazie, Tel. +262 69 33 03 074
Ti Chouchou
• 42, rue du Général de Gaulle, 97433 Salazie, Tel. +262 02 62 478 09 33
Villa Marthe
71, rue du Général de Gaulle, 97433 Salazie, Tel. +262 06 92 10 00 01

Kreolische Kultur entdecken
Noch mehr kreolische Architektur gibt es in Entre-Deux im Süden von La Réunion, dessen geschützte Lage zwischen den Flüssen Bras de la Plaine und Bras de Cilaos dazu beigetragen hat, dass viele der traditionellen kreolischen Hütten gut erhalten geblieben sind.

Hier könnt ihr schlafen*
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Im Blog
Alle Beiträge zur französischen Tropeninsel Réunion vereint diese Kategorie.
Im Web
Mehr über die kreolische Architektur erfahrt ihr in diesem Beitrag der Académie de Réunion.
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Nach einem wunderschönen Tag im
traumhaften Hell- Bourg durfte ich mir auf in einem vom regen ausgespülten mit Gras bedeckten Loch beim Wandern in der Umgebung umknicken und wir eine sprunggelenkfraktur holen, aber eins steht fest, ich muss wieder hin. Es ist so schön….ich will es länger genießen
Oh, ich hoffe, der Bruch ist nicht mehr zu spüren! Und ja, Hell-Bourg ist traumhaft!