Lesetipps zur Rentrée Littéraire: Die schönsten Sommerbücher aus Frankreich
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Annie Ernaux & andere: Lesetipps für den Herbst

Der Herbst steht in Frankreich alljährlich im Zeichen der Literatur. Die rentrée littéraire präsentiert im September neue Werke und Autoren. Im Oktober und November folgen die Auszeichnungen von Titeln und Texten mit renommierten Literaturpreisen. Diesmal gab es sogar aus dem Ausland allerhöchste Ehren für Frankreichs Dichter.

Nobelpreis für Annie Ernaux

Annie Ernaux. Foto: Heike Steinweg / Suhrkamp-Verlag
Annie Ernaux. Foto: Heike Steinweg / Suhrkamp-Verlag

Félicitations, Annie Ernaux! Die gebürtige Normannin hat am 7. Oktober 2022 den Nobelpreis für Literatur erhalten. Die 82-Jährige, die heute in Cergy bei Paris lebt, gehört zu den bedeutendsten Schriftstellerinnen der Gegenwartsliteratur Frankreichs.

„Ihr Mut und die klinische Schärfe, mit der sie die Wurzeln, Entfremdungen und kollektiven Beschränkungen der persönlichen Erinnerung aufdeckt“, waren für die Schwedische Akademie der Wissenschaften Grund genug für die Auszeichnung.

Der Preis ist mit zehn Millionen Kronen (rund 920.000 Euro) dotiert. 233 Kandidatinnen und Kandidaten waren in die engere Wahl für den Preis gekommen.

 

Vom Arbeiterkind zur Autorin

Ernaux‘ Werk ist stark autobiografisch und erzählt in vielen Facetten den Weg vom Arbeiterkind aus Lillebonne zur Autorin.  Als „Ethnologin ihrer selbst“ reflektiert sie in ihren Romanen ihr Leben – und spiegelt darin die Zeit und die Gesellschaft. Viele ihrer Werke sind in deutscher Übersetzung erhältlich.

Am 10. Oktober 2022 ist im Suhrkamp-Verlag ihr jüngstes Werk erschienen: Das andere Mädchen*. Das schmale Taschenbuch, 80 Seiten dick, erzählt von einer folgenreichen Plauderei.

An einem Sommertag im Jahr 1950 erfährt so die kleine Annie beim Spielen, dass ihre Mutter vor ihrer Geburt bereits eine Tochter hatte, die im Alter von sechs Jahren an Diphtherie gestorben war. Dieses Wissen mündet viele Jahrzehnte später in diesen Brief an ihre unbekannte Schwester.

Noch mehr Lesetipps für den Herbst

Julia Deck: Nationaldenkmal* ( Monument national * )

Julia Deck hat 2012 ihren ersten Roman veröffentlicht – und gilt seitdem als eine der besten Analytikerinnen der urbanen Gesellschaft von heute. In ihrem fünften Roman verwebt sie meisterhaft Yellow-Press-„Wahrheiten“ mit Verschwörungstheorien, lässt sich von Klatsch, High Society und Star-Ruhm inspirieren und verbindet alles in einem satirischen Krimi, der messerscharf und voller esprit eine Nationalikone demaskiert.

Auf 168 Seiten seziert sie den Niedergang des Hauses Langlois. Serge Langlois, französischer Kino-Star und Nationalheld, plant seinen 70. Geburtstag. Obwohl er seit einiger Zeit keine Filme mehr gedreht hat, steht er noch immer im Blickpunkt der Öffentlichkeit und fehlt bei keinem Society-Event.

Sein Anwesen am Stadtrand von Paris ist prachtvoll. Die Hecken sind in Herz, Karo, Pik, Kreuz geschnitten, die Garagen mit Oldtimern gefüllt. Doch der Anblick täuscht: Die Familie Langlois hat Geldsorgen. Und anspruchsvolle Mitglieder: Ambre, die 30 Jahre jüngere Ehefrau von Serge, die Adoptivtochter Josephine und zahlreiche Hausangestellte.

Als Julia Decks Erzählung in Frankreich erschien, war den Franzosen klar: Der Roman Nationaldenkmal* ist ein freier wie fantasievoller Rückblick auf die letzten Jahre des im September 2021 verstorbenen französischen Filmstars Jean-Paul Belmondo.

Jean-Paul Belmondo besaß einst mehrere Ferraris und ein Panther Lima. In Langlois‘ Garage stehen ein Lamborghini und ein Jaguar. Belmondo verbrachte seine letzten Jahre mit Barbara Gandolfi, einem 42 Jahre jüngeren Ex-Playboy-Model. Langlois hatte eine frühere Miss Provence als Gattin. Und Prominente wie Alain Delon, Belmondos Rivale und Freund, tauchen beim Lesen vor dem geistigen Auge auf.

Schließlich führt Julia Deck, die tief in der Tradition des Nouveau Roman verwurzelt ist, noch das Präsidentenpaar ein. Première Dame Brigitte Macron organisiert höchstpersönlich Langlois‘ staatlich gesponserte Geburtstagsparty. Nationaldenkmal: eine Gesellschaftssatire, bitterböse und unglaublich unterhaltsam zugleich. Wer mag, kann den schrecklich-schönen Gesellschaftskrimi hier* online bestellen.

Brenda Strohmaier: Blick aufs Meer, Arsch auf GrundeisBrenda Strohmaier: Blick aufs Meer, Arsch auf Grundeis*

Mit 50 Jahren noch einmal den Neuanfang wagen, die Job kündigen und nach Südfrankreich ziehen? Brenda Strohmaier, eine Bayerin in Berlin, die als Stilredakteurin bei „Die Welt“ gearbeitet und mit 2016 Witwe wurde, hat es getan. Und ihre Erfahrungen aufgeschrieben. Herausgekommen ist eine rasant wie umgangssprachlich verfasster Bericht, der – mal herrlich pointiert, mal lakonisch, aber dann leider oft auch arg banal – Streiflichter ihres Lebens zwischen Marseille und Berlin erzählt.

Ihr Humor und das Tempo sorgen für Lesevergnügen, auch wenn die Figurenzeichnung recht flach ist. Mitunter stutzte ich beim Lesen. Und fragte mich, ob es bewusste Inszenierungen war. Oder Oberflächlichkeit. Blinky statt Linky. Den Klimawandel beklagen, aber bei Problemen heim nach Berlin fliegen. Die Nennung einer Orgasmusdatenbank in einem Frankreich-Roman fand ich zudem etwas befremdlich. Kurzum: Wer mich jemand fragte, wie mir Brenda Debüt gefiel, dem würde ich antworten: ganz nett. Ein flott getippter Roadmovie mit einigen Lachern, ein frankophiler Quickie, der gute Laune beschert und für ein paar Stunden Frankreich zu Dir holt. Wer mag, kann den Roman hier* online bestellen.

Barbara Homolka: Das Grab am Havre*

Barbara Homolka, Das Grab am HavreIm Herbst 2021 gewann die Barbara Homolka den gemeinsamen Schreibwettbewerb New Writing Talent von Piper-Verlag und Buchszene. Am 29. September ist nun der erste Krimi der Bad-Mergentheimer Journalistin erschienen, die 2016 mit Mann und Hund nach Saint-Germain-sur-Ay in die Normandie ausgewandert ist. Und genau dort spielt ihr Debütroman.

Ihre Heldin Brigitte, eine Frau Anfang Fünfzig, ist wie die Autorin eine Hundefreundin und sucht, mit Kater, Hund und VW-Bus, in der Normandie eine neue Perspektive. Beim Spaziergang gräbt ihr Border Collie Belmondo in den Dünen eine menschliche Hand aus den Dünen, einen Zettel mit einem Code in den Fingern. Die Gendarmerie findet weitere Dokumente auf Deutsch.

Handelt es sich bei der Leiche um einen Wehrmachtssoldaten? Zusammen mit dem Geologen Friedrich, einem charmanten Althippie, und der Schäferin Camille begibt sich Brigitte auf Spurensuche. Schon bald führen die Recherchen hin zu einem großen Kriegsgefangenenlager: Foucarville.

Das Dorf Foucarville liegt neun Kilometer von Utah Beach entfernt und wurde bereits am 6. Juni 1944 von der 101th Airborne befreit. In den folgenden Tagen wurden Kriegsgefangene zu Hunderten auf den Wiesen in unmittelbarer Nähe der Kirche zusammengetrieben. Die Einwohner von Foucarville konnten sich zu diesem Zeitpunkt nicht vorstellen, dass vor ihren Augen ein riesiges Gefangenenlager entstehen würde: das Continental Central Enclosure Nr. 19 – eine 100 Hektar großen Stadt aus Zelten, in der 60.000 Kriegsgefangenen hinter Stacheldraht lebten.

Die Historie der normannischen Landungsstrände, Krimigeschehen und Lokalkolorit verwebt Barbara Homolka zu einem spannenden Roman, der ein weniger bekanntes Kapitel der normannischen Geschichte lebendig werden lässt. Wer mag, kann den Normandie-Krimi hier* online bestellen.

Jean Malaquais: Planet ohne VisumJean Malaquais: Planet ohne Visum* ( Planète sans visa * )

75 Jahre hat es gedauert, bevor dieser zeitgeschichtliche Roman von Jean Malaquais in deutscher Übersetzung erschien. Er spielt in Marseille im Jahr 1942. Einige Monate vor dem Einmarsch der Deutschen in die freie Zone ahnt die Stadt die Bedrohung.

Ihr großer Mittelmeerhafen wird zur Falle für alle diejenigen, die aus ganz Europa vor dem Terror der Nazi, der Tyrannei, Unterdrückung und Krieg fliegen. Ihr Hoffnung: ein Ticket nach Amerika, die Flucht in die Neue Welt. Doch nicht nur sie bevölkern den Vieux-Port. Auch Spitzel und Denunzianten sind dort aktiv.

30 Schicksale verwebt Malaquais, der als polnischer Jude ebenfalls aus seiner Heimat fliehen musste, in diesem Roman. Schonungslos prangert er die Schädlichkeit jedweder Ideologien an und zeigt, welchen Wert Wahrheit und Authentizität für ein Leben in Frieden und Freiheit haben.

Meisterhaft verpackt Malaquais diese Botschaft in seine Milieustudie, die zugleich ein spannender Agententhriler ist.  Nadine Püschel hat den Roman meisterhaft ins Deutsche übertragen. Für die Übersetzung hat Nadine Püschel im Dezember 2021 intensive Recherchen in der Bibliothek des Collège International des Traducteurs Littéraires in Arles gemacht und die zentralen Spuren und Stätten des Romans vor Ort besucht.

Das Coronahilfe-Projekt Neustart Kultur des Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien förderte das Übersetzungsprojekt. Nadine Püschel hat über ihre Arbeit, den Autor und die Recherchen vor Ort ein Video online auf Youtube eingestellt. Hier* könnt ihr den Roman online bestellen.

Roadtrips FrankreichRoadtrips Frankreich*

Frisch erschienen ist auch mein zweites gemeinsames Werk mit Klaus Simon. Auf 192 Seiten stellt es euch die schönsten Traumstraßen zwischen Normandie und Côte d’Azur vor. 14 Strecken sind es – berühmte wie die Route Napoléon durch die Alpen oder die Route des Cols durch die Pyrenäen, aber auch echte Entdeckerreisen wie die Rundtour durch meine Wahlheimat, dem Fenouillèdes. 

Von der Normandie zur Auvergne, vom Baskenland hin zu den Stränden der Bretagne und dem wunderschönen Loiretalladen unsere Tourenpläne ein, Frankreich mobil zu entdecken – per Motorrad, im Auto, Caravan oder Wohnmobil. Hier* gibt es das Fahrtenbuch für Frankreich!

Neu als DVD & Blu-Ray

Meine schrecklich verwöhnte Familie

Mit Glück auf Umwegen landete Nicolas Cuche vor gut zehn Jahren einen Kassenknüller. Mit „Meine schrecklich verwöhnte Familie“ gelang ihm erneut eine typisch französische Sommerkomödie – leicht, voller Flair und einer charmant verpackten Portion Lebensweisheit. Mit dabei ist Gérard Jugnot, der als Clément Mathieau in „Die Kinder des Monsieur Mathieu“  2003 die Herzen der Franzosen erobert hatte.

In der Kinokomödie  „Meine schrecklich verwöhnte Familie“, die Anfang Oktober als DVD und Blu-Ray erschienen ist, mimt er den französischen Millionär Francis Bartek, der seinen verzogenen und mittlerweile erwachsenen Kindern eine Lektion fürs Leben erteilen möchte.

Damit sie endlich lernen, auf eigenen Beinen zu stehen und von seinem Geld leben, gibt er vor, pleite zu sein und ins Gefängnis gehen zu müssen. Seine drei Sprösslinge Philippe (Artus, „Büro der Legenden“), Stella (Camille Lou von „Der Basar des Schicksals“) und Alexandre (Louka Meliava, „Die Schöne und das Biest“) sind nun für das Wohl der Familie verantwortlich und müssen das erste Mal in ihrem Leben selbst Verantwortung übernehmen und für ihr Auskommen erstmals richtig arbeiten.

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