Die Leuchttürme der Bretagne sind wunderschön. Der Leuchtturm von Erquy. Copyright: CRT Bretagne, Foto: SEGALEN Yoann
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Leuchttürme: Kathedralen der Küste

Leuchttürme gibt es im Finistère schon seit Jahrhunderten. Die ersten Leuchttürme wurden im Mittelalter errichtet, um den Pilgern den Weg nach Santiago de Compostela zu weisen. Das „Ende der Welt“ lässt träumen. Dort, im äußersten Westen der Bretagne, ist die Küste mit 1.250 Kilometern so lang wie in kaum einem anderen Département, sind die Landschaften so ursprünglich, ist das Meer so wild wie nirgendwo sonst. Bis zu 16 Kilometer pro Stunde schnell sind die Meeresströmungen im Finistère.

So rasant zwängen sie sich an Inseln vorbei, branden gegen Felsen, nagen Höhlen und Grotten in den harten Granit und sprühen als feine Gischt meterhoch die Klippen hinauf. An Land schmücken Geranien die Häuser aus grauem Granit. Weiß verputzt ducken sich die Katen unter dem hohen Himmel. Ein steter Westwind weht über Land und Meer.

Hölle oder Paradies?

Trutzige Leuchttürme setzen Signale der Sicherheit. „Hölle“ werden die Leuchtfeuer im Meer genannt. Als „Paradiese“ gelten die Signalfeuer an Land. Für die Kelten war an der Pointe du Raz die Welt zu Ende. 72 Meter hoch ragt die Felsspitze im äußersten Westen Frankreichs in den stürmischen Atlantik hinein. Hartnäckig klammern sich Ginster, Heide und Gräser an den Granit.

Schwindelfrei und sturmerprobt, wagen sich einige Wanderer auf einem Felspfad bis zur äußersten Spitze des Kaps vor. Danach leiten einzig einige Felsen im Meer bis zur Île de Sein, der „Pforte zur Unterwelt“. Mit Barken schickten die alten Kelten einst ihre verstorbenen Druiden hinüber zu ihrer Toteninsel.

Die Insel Ouessant mit dem phare du Créac'h. Foto: Emmanuel Berthier / CRT Bretagne
Die Insel Ouessant mit dem Phare du Créac’h. Foto: Emmanuel Berthier / CRT Bretagne

Frankreichs berühmtester Leuchtturm

Fünf Seemeilen westlich warnt der berühmteste Leuchtturm Frankreichs vor den unter dem Meeresspiegel versteckten Felsen der Chaussée de Sein: der Phare d’Ar’men. Es dauerte 14 Jahre, bis 1867 das schwarz-weiße Leuchtfeuer vollendet war. Errichtet wurde er auf einer Plattform, die bei Ebbe nur anderthalb Meter aus den Fluten ragt. Wie viele Winter hält er noch durch, ist heute die bange Frage.

Welthöchstes Leuchtfeuer

Im Mittelalter entzündeten Mönche offene Feuer, um die einfachen Holzboote durch die schroffen Klippen, Riffs und Untiefen der bretonischen Küste zu führen. Im Laufe der Jahrhunderte entstand daraus ein Kranz aus 111 technischen Wunderwerken. Die Leuchttürme bergen so manche Überraschung. Und nicht nur von außen wie beim Phare de la Coubre, den ein kleiner, knallroter Balkon schmückt.

Der Leuchtturm der Île Vierge. Foto: Matthieu Le Gall / CRT Bretagne
Der Leuchtturm der Île Vierge. Foto: Matthieu Le Gall / CRT Bretagne

Erstaunlicher ist oft das Interieur der Leuchtfeuer. Besonders im Phare de Cordouan an der Gironde-Mündung von Nouvelle-Aquitaine. Er birgt eine kleine Kappelle – und hofft auf Anerkennung als Welterbe.

Doch zurück zur Bretagne. Dort ist im Grand Phare de la Île de Vierge das Treppenhaus mit 12.500 Opalglasplatten verkleidet. 400 Stufen lang windet sich eine Wendeltreppe den weltweit höchsten aus Stein erbauten Leuchtturm empor. Die tonnenschwere Kuppel des 82,5 Meter hohen Leuchtfeuers ruht auf einer Quecksilberschicht – und ist dadurch leichtgängig wie ein Kreisel.

Architekturträume

Cornouaille: Phare d'Eckmühl. Foto: Hubert Braunshausen
Der Phare d’Eckmühl von Penmarc’h. Foto: Hubert Braunshausen

Im Phare d’Eckmühl an der Pointe de Penmarc’h windet sich eine Wendeltreppe vorbei an Opalwänden 307 Stufen hinauf zur Panoramaplattform mit fantastischem Fernblick. Seinen ungewöhnlichen Namen erhielt der Leuchtturm von Louis Nicolas Davout.

Seine Büste steht im holzgetäfelten Turmzimmer. Der General Napoleons hatte 1809 im bayrischen Eckmühl in einer Schlacht gegen die Österreicher gesiegt – und als Dank die Titel „Fürst von Eckmühl“ und „Marschall des Kaiserreiches“ erhalten.

Besondere Leuchttürme

Die Bretagne liebt solche Superlative. Der Phare du Stiff ist der älteste Leuchtturm der Bretagne und wurde bereits 1685 unter Leitung von Vauban auf der Île d’Ouessant erbaut. Als letzter Leuchtturm im Meer wurde 1907 der Phare de Kéréon errichtet. Der Phare de St-Mathieu hingegen erhebt sich inmitten einer alten Abtei.

Als schönster Signalturm der gesamten Bretagne gilt der Leuchtturm von Kermovan. Der Phare de Créach gehört zu den stärksten Leuchtfeuern der Welt. 120 Kilometer weit reicht sein Licht! In seinem alten Generatorenhaus illustriert das Musée des Phares et des Balises die Geschichte und Gegenwart der bretonischen Seezeichen und Leuchttürme.

Die Pointe Saint-Mathieu in Plougonvelin mit dem Leuchtturm und dem Semaphor. Foto: Martin Viezzer / CRT Bretagne
Die Pointe Saint-Mathieu in Plougonvelin mit dem Leuchtturm und dem Semaphor. Foto: Martin Viezzer / CRT Bretagne

Leuchtende Signale

Im Mittelalter entzündeten Mönche entlang der bretonischen Atlantikküste viele Feuer, so beispielsweise auf einem der Türme der Abtei Saint-Mathieu an der Côtes des Abers. Aber nicht immer dienten diese Leuchtfeuer dem sicheren Geleit vorbeisegelnder Schiffe. Erst die Androhung der Todesstrafe machte der Tradition bewusster Irreführung durch Wrack- und Leichenplünderer ein Ende.

1823 revolutionierte der Ingenieur Augustin Fresnel (1788-1827) die Beleuchtungstechnik. Seine gestaffelte Linse aus zusammengesetzten gläsernen Ringen streute die Lichtstrahlen nicht mehr in den Himmel, sondern bündelte sie auf die Meeresoberfläche. Später konnte durch Elektrizität und den Einsatz von Öl und Gas die Leistungsfähigkeit des Leuchtfeuers enorm gesteigert werden.

Detail einer Fresnel-Linse. Foto: Hilke Maunder

Abschied vom Turm

Das war der härteste Winter in meiner 15-jährigen Tätigkeit im Leuchtturm von Kéréon. Die Doppelfenster meines Zimmers im zweiten Stock wurden durch das Gewicht einer Welle eingedrückt, die über den Turm hinwegbrauste. Der Tisch, die Stühle, alles wirbelte durcheinander und zerbarst schließlich an der Wand. Dann platzte das Glasgehäuse des Leuchtfeuers. Wasser drang in den Leuchtturm ein, der Kesselraum war vollkommen überflutet.

So erlebt Leuchtturmwärter Jean-Yves Bertheult die orkanartigen Stürme von 1989. Der letzte Leuchtturmwärter Frankreichs hat 2005 seinen Posten im Phare de Jument geräumt – kurz nach Abschluss der Dreharbeiten zu L’Équipier* (Die Frau des Leuchtturmwärters*) von Philippe Lioret.

Die berührende Dreiecksgeschichte mit Sandrine Bonnaire und Philippe Torreton in den Hauptrollen ist zugleich eine Hommage an das Einsiedlerdasein eines vergangenen Berufs – und eine poetische Liebeserklärung an die Bretagne und ihre wilde Küste im Finistère. Heute werden sämtliche Leuchtfeuer vollautomatisch betrieben.

Der Leuchtturm von Cap Fréhel. Foto: Hilke Maunder
Der Leuchtturm von Cap Fréhel. Foto: Hilke Maunder

Wegweiser auf dem Wasser

An den französischen Küsten gibt es mehr als 900 Navigationsmarkierungen, die den Schiffen den Weg weisen und vor Gefahren warnen. Ein Drittel davon säumt die bretonischen Küste. Starke Strömungen, unzählige kleine Inseln, Klippen und Unterwasserriffe machen das stark befahrene Schifffahrtsgebiet nicht nur im Finistère äußerst gefährlich.

So schützen vor der Insel Ouessant im äußersten Westen der Bretagne fünf große und einen kleinen Leuchtturm die Einfahrt zum Ärmelkanal. Tagsüber orientieren sich die Seeleute anhand der Farbe, der Markierung und der Form der Seezeichen. Die Fahrrinne markieren rote zylinderförmige Zeichen an der Backbordseite (= links) und grüne konische Zeichen an der Steuerbordseite (= rechts).

Gelb und schwarz gestreifte Markierungen weisen auf Gefahren hin und geben die Fahrtrichtung an. Nachts geben weiße, grüne und rote Leuchtsignale mit unterschiedlichen Blinkrhythmen sowie akustische Signale Orientierung.

Am kleinen Leuchtturm angebracht: die Sammelbox für die Seenotrettung. Foto: Hilke Maunder
Am kleinen Leuchtturm angebracht: die Sammelbox für die Seenotrettung. Foto: Hilke Maunder

Leuchttürme der Bretagne: meine Tipps

Ansehen

Die Frau des Leuchtturmwärters*

Sandrine Bonnaire: Die Frau des Leuchtturmwärters

Sandrine Bonnaire gehört zu meinen Lieblingsschauspielerinnen und Ouessant zu den schönsten bretonischen Inselchen, die ich kenne. Beide verbindet ein Film, der als L’Équipier 2004 in Frankreich ins Kino kam. Bis heute ist dort dieser Kinofilm von Philippe Lioret Kult.

Und urfranzösisch bei Handlung, Ambiente, Optik. Seit Sujet ist zeitlos  – eine klassische wie ungewöhnliche Geschichte über Männerfreundschaft, Liebe und Hass in einer Extremsituation.

Auslöser ist ein neuer Leuchtturmwärter vom Festland, der den Inselfrauen zu sehr gefällt. Und besonders Mabel. Wer mag, kann den Film hier* in der deutschen Fassung online bestellen.

Erleben

Route des Phares et Balises

An der sturmumtosten Westküste der Bretagne konzentrieren sich die meisten Schifffahrtssignale Frankreichs: Leuchttürme, Seefeuer, Radarstationen und Hunderte Bojen. Viele von ihnen könnt ihr entlang der markierten Themenstraße entdecken, die in Brest beginnt.
• http://phares.du.monde.free.fr/lum20/phare/page26.html

Schlafen im Leuchtturm

Phare de Kerbel

47 Jahre, und damit fast ihr ganzes Leben lang, war Honorine Le Guen als erste Leuchtturmwärterin Frankreich täglich um den Phare de Kerbel tätig und wies den Seeleuten den Weg in die Reede von Lorient. Ihr einstiger Arbeitsplatz birgt heute die erste und landesweit einzige Unterkunft hoch oben auf einem Leuchtturm Frankreich. Vom Studio in 25 Meter Höhe eröffnet sich euch ein 360-Grad-Panorama.

Die chambre à l’huile diente sie als Lagerraum und enthielt das Öl, das für die Linsen des Leuchtturms Kerbel benötigt wurde, bevor dieser 1932 elektrifiziert wurde. Heute könnt ihr dort eine ruhige Nacht am Fuße des Leuchtturms verbringen. Ebenfalls in eine komfortable Unterkunft verwandelte sich die maison du gardien.  Von 1913 bis 1989 wohnten dort  Leuchtturmwärter und seine einzige Wärterin. Der kleine Leuchtturmgarten birgt heute auch Freibad und Sauna.
• 71, Route de Port-Louis, 56670 Riantec, pharekerbel@gmail.com, Tel. mobil 06 62 64 11 14, www.pharedekerbel.com

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Der <em>phare de Pontusval</em>. Foto: Matthieu Le Gall / CRT Bretagne
Der phare de Pontusval. Foto: Matthieu Le Gall / CRT Bretagne

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8 Kommentare

  1. Bonjour Hilke Maunder,danke für den wunderschönen Artikel über die Leuchttürme in der Bretagne – bin demnächst dort und habe so einige weitere ‚highlights‘ auf die ich mich freue, ganz herzliche Grüße, Gudrun Maria Rose FREIER aus München

  2. Hallo Frau Maunder, toller Artikel, ich mag Leuchttürme auch sehr. Sie sind für mich die romanischen Kapellen der Küsten:) übrigens erhalte ich Ihre Blogbeiträge nicht mehr als email, sondern sehe sie nur noch auf facebook seit einigen Wochen. Schöne Grüsse Katharina Kehmer

    1. Hallo Frau Kehmer, danke! Melden Sie sich doch bitte noch einmal beim Newsletter an… irgendetwas ist da dann schiefgelaufen! Ich darf es leider nicht machen wegen der DSGVO. Herzliche Grüße! Hilke Maunder

  3. Hach, so schön über die Leuchttürme zu lesen.
    Ich liebe die bretonischen Leuchttürme. Habe letztens einmal nachgezählt, wieviele ich schon fotografiert habe. 75!
    Herzliche Grüße
    Gabi

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