Die Maison du Pilori gilt als schönstes der vielen Fachwerkhäuser von Joigny. Foto: Hilke Maunder
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Joigny: Fachwerkzauber an der Yonne

Weinberge, Wald und die Yonne, die sanft dahingleitet: Bereits die Lage von Joigny ist äußerst idyllisch. Diese alte Stadt, die mit Stolz ihre Patina zeigt und nicht wegsaniert, ist eine der authentischsten Kleinstädte in Burgund und ausgezeichnet als einer der plus beaux détours de France und damit als einer der schönsten Abstecher Frankreichs.

Doch damit nicht genug: Joigny ist auch als „Stadt der Kunst und Geschichte“ (Ville d’Art et d’Histoire) klassifiziert – und war bereits zur Römerzeit als Joviniacum ein Städtchen, in dem es sich gut leben lässt. Das beweist auch seit fast 500 Jahren jeden Mittwoch und Samstag der bunte Markt. Dann treffen sich die lokalen Produzenten direkt am Ufer der Yonne und füllen die große Markthalle von 1882 ( marché couvert ) mit Stimmengewirr, Farben und Düften. Besonders am Samstag, dem Hauptmarkttag, entfaltet sich das volle Spektakel.

In der 1.860 Quadratmeter großen Halle reihen sich 80 Verkaufsstände aneinander, beladen mit frischem Obst und Gemüse, Blumen und frisch gebackenem Brot. Metzger bieten bestes Charolais-Rind an, Käser locken mit würzigem Soumaintrain, Saint-Florentin und cremigem Chaource, während Fischhändler ihre fangfrische Ware auf Eis betten. Hier gibt es einen wirklichen Butterberg zu bestaunen. Mit etwas Glück werden zudem Kostproben von Honigbrot oder Hartwurst in den Strom der Marktbesucher gereicht.

Rund um die Halle erstreckt sich der Markt auf weitere 4.250 Quadratmeter und lädt dazu ein, zwischen Ständen mit Honig und Wein zu flanieren. Schon 1528 wurde der Markt erstmals urkundlich erwähnt. Er gehört damit zu den ältesten von Burgund – und hat sich seitdem kaum verändert.

Wochenmärkte in Burgund: n der Markthalle von Joigny. Foto: Hilke Maunder
Die Marktzeit ist vorbei, es wird aufgeräumt in Joigny. Foto: Hilke Maunder

Verzaubert von Fachwerk

Jenseits der Kais lassen sich beim Bummeln durch die Straßen und Gassen dieser mittelalterlichen Stadt wunderschöne Häuser bewundern. Errichtet wurden sie im 16. bis 18. Jahrhundert mit jenem Holz, das die Bäume der Forêt d’Othe lieferten.

Statuen von Schutzheiligen, Weintrauben, Fässer und fantasievolle Fratzen zieren ihre Balken. Doch keine der maisons à pans de bois ist so schön wie die Maison du Pilori, deren Fachwerk-Fassade farbenfroh emaillierte Kacheln in Grün, Rot, Braun und Gelb bedecken.

Ihre Fassade weist kunstvoll geschnitzte Säulen auf, die Heiligenfiguren darstellen: den Heiligen Franz von Assisi, den Heiligen Martin und Johannes den Täufer. Erhalten ist dieses Haus an der Place du Pilori.

Sein Name verrät, was auf dem Platz im Mittelalter geschah. Hier wurde Menschen an den Pranger (französisch: pilori) gestellt – der heute so idyllisch wirkende Platz war damals ein öffentlicher Ort der Schande und Bestrafung!

Die Liebe zum Detail in der Gestaltung der Fachwerkhäuser, die Verwendung lokaler Materialien und die Erhaltung der historischen Bausubstanz verleihen Joigny eine einzigartige Atmosphäre.

Das ist auch sehr schön zu sehen bei der Maison Ave-Maria zu Beginn der Rue Bourg-le-Vicomte und der Maison du Bailli, einem Fachwerktraum mit geschnitzten Pflanzenelementen an zwei Fassaden und leicht ausgekragtem Obergeschoss. Wie liebevoll wurden damals die Häuser gebaut und geschmückt!

Eindrucksvoll ist auch das Fachwerkhaus an der Ecke zur Rue Baffrand, das im Erdgeschoss einst die Bar Saint-Thibaut barg. Die Schneiderin, die heute hier ihr Atelier hat, beließ die Fassade wie einst – ein schönes Spannungsfeld zwischen Alt und Neu!

Gegenüber erhebt sich die Église Saint-Thibault, die mit ihrem Namen an den heiligen Thibault (lateinisch: Theobaldus) erinnert, der von 1039 bis 1066 lebte – rund 100 Jahre nach der Gründung von Joigny durch Rainald dem Alten. 1073 wurde Saint-Thibaut von Alexander II. heiliggesprochen.

Zwei Jahre später brachte der Benediktinermönch Arnould de Lagny als Bruder des Heiligen einen Teil der Reliquien des heiligen Thibault aus Vicenza, wo dieser gestorben war, in die Abtei Sainte-Colombe in Saint-Denis-lès-Sens zurück. Auf ihrem Weg machte die Prozession eine Nacht Station in Joigny.

Anschließend wurde eine kleine Kapelle zum Gedenken errichtet, die damals außerhalb der Stadtmauern lag. Die Kapelle wuchs, wurde aus- und umgebaut und schließlich komplett neu gebaut: von 1490 bis 1529 im gotischen Flamboyantstil. Über dem Eingangsportal erinnert seitdem eine Reiterstatue von Jean de Joigny an den heiligen Thibault. Und genau in dieser Kirche wurde 1779 eine Heilige getauft, deren Namen eine renommierte Hamburger Schule trägt: Sophie Barat.

Am 12. oder 13. Dezember hatte die französische Ordensgründerin in Joigny das Licht der Welt erblickt. Ihre Eltern waren Küfer und stellten Weinfässer her. Ihr älterer Bruder Louis, ein Priester, gab dem Mädchen eine in ihrer Zeit ungewöhnlich umfassende Bildung in Latein, Literatur, Naturwissenschaften und Mathematik.

Im Jahr 1800 gründete Sophie Barat die Congrégation des sœurs du Sacré-Cœur, deren Generaloberin sie von 1806 an bis zu ihrem Tod war. 122 Niederlassungen in 16 Ländern, darunter Schulen und Internate, gründete sie zu Lebzeiten, um Mädchen aus allen Schichten, ob wohlhabend oder arm, einen Zugang zur Bildung zu geben. Ihre Pädagogik zielte darauf ab, „Seelen zu entfalten und zu befreien, anstatt sie zu tyrannisieren“.

Wer die mittelalterlichen Befestigungsanlagen durch die Porte du Bois aus dem 13. Jahrhundert überquert und dem Weg durch die Weinberge folgt, kommt zu einem Aussichtspunkt mit Blick auf drei Kirchen, die Brücke Saint-Nicolas und bunte Ziegeldächer.

Auch vom Château des Gondi, einer Residenz der Renaissance, eröffnen sich Ausblicke auf die Stadt, die mit ihrem lebendigen Markt, ihren charmanten Gassen und dem fantasievollen Fachwerk ein glückliches Lächeln aufs Gesicht zaubert. Oder spätestens beim ersten Probeschluck der Weine, die im Umland von Joigny gedeihen.

Joigny ist die nördlichste Weinstadt Burgunds und Heimat einer echten Rarität: der Appellation Bourgogne Côte Saint-Jacques. Die Weinberge erstrecken sich über rund 40 Hektar, wovon etwa 13 Hektar für diese exklusive Appellation klassifiziert sind. Hier wachsen vor allem Pinot Gris, Pinot Noir und Chardonnay, die Weine von bemerkenswerter Finesse, Fruchtigkeit und eleganter Struktur hervorbringen. Einst wurden die Vins Gris von Joigny auf der Yonne sogar bis nach Paris verschifft.

Heute setzen Winzer wie der Domaine Alain Vignot und der Domaine Croix Saint-Jacques auf höchste Qualität und biologischen Anbau, um die Tradition dieses einzigartigen Terroirs zu bewahren. Trotz ihrer Seltenheit sind die Weine aus Joigny erstaunlich preiswert im Vergleich zu bekannteren Burgundern.

Joigny: meine Reise-Tipps

Schlemmen und genießen

La Côte Saint-Jacques

Beste Küche hat in der Familie Tradition: Großmutter Marie Lorain gründete La Côte Saint Jacques 1945 in Joigny. Ihr Enkel Jean-Michel Lorain, am 17. Januar 1959 in Migennes geboren, arbeitete während seiner Ausbildung bei bekannten Köchen wie Troisgros, Claude Deligne und Frédy Girardet.

1986 wurde er mit 27 Jahren der jüngste Drei-Sterne-Koch im Guide Michelin. Seit 2015 zieren seine Küche beständig zwei Michelin-Sterne. Heute unterstützt ihn sein Neffe Alexandre Bondoux in der Küche und führt die Familientradition der exzellenten Gastronomie fort. Wohlfühlen à la française garantiert auch das angeschlossene Fünfsternhotel, seit 1977 Mitglied der Relais & Châteaux-Vereinigung
• 14, faubourg de Paris, 89300 Joigny, Tel. 03 86 62 09 70, www.cotesaintjacques.com

Le Paris-Nice

Im Restaurant des Logis-Hotels kommt Bodenständiges aus Frankreich aus der Küche: pochierte Eier in Rotweinsoße, hausgemachter Foie Gras und Kalbsbries mit Morcheln.
• 8, rond-point de la Résistance, 89300 Joigny, Tel. 03 86 62 06 72, www.leparisnice.fr

La Bonne Franquette

Der Name verrät das, was euch hier erwartet: à la bonne franquette bedeutet im Französischen bedeutet „in aller Einfachheit, ohne Umstände, ungezwungen“ – und genau dies erfüllt das Restaurant von Jean-Louis Bonaldi. Hier treffen sich die Einheimischen und futtern Hausmannskost.
• 1, route d’Auxerre, 89300 Joigny, Tel. 03 86 62 45 13,

Le Bistrot du Chapeau

Herzhaft, herzlich, heimelig: Auch in dieses einfache, authentische Bistro kommen die Einheimischen gerne.
• 1, promenade du Chapeau, 89300 Joigny, Tel. 03 58 44 81 71, auf Facebook zu finden

vega’nath and jen

Die Adresse in Joigny für vegetarische und vegane Küche.
• 4, place Jean de Joigny, 89300 Joigny, Tel. 09 73 56 43 04, auf Facebook und Instagram zu finden

Erleben und ansehen

Anfang September leben bei den bouchons die legendären Staus auf, die sich früher samstags auf der Nationalstraße 6 ereigneten.

Hier könnt ihr schlafen

 

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