Jürgen Friedrich. Foto: privat

Mein Frankreich: Jürgen Friedrich

Mein Frankreich“ ist nicht nur Titel meines Blogs, sondern auch Programm: Ich möchte möglichst viele von euch animieren, euer Frankreich vorzustellen. Mein Frankreich – was bedeutet das für euch? Diesmal verrät es Jürgen Friedrich, der vor 40 Jahren das erste Mal Frankreich besuchte. Auf dieses kleine Jubiläum blickt er hier gerne zurück.

Ich bin 1958 in Wuppertal geboren. In der Realschule war Französisch Pflichtsprache, als Kaufmann im Werkzeug-Großhandel in den 70-er Jahren durfte ich als  „Stift“ dann mit franzözischen Kunden korrespondieren.

1984 war ich Studierender auf dem zweiten Bildungsweg in Wuppertal. Dank meiner Vorkenntnisse war Französisch als Fremdsprache vorgegeben. Im Juli 1984 war es dann meine Entscheidung: per Anhalter in die Normandie und Bretagne. 

Von Beginn dieser Tour an lernte ich freundliche Menschen kennen. In Les Andelys bekam ich den ersten Gratis-Wein, Château Gailllard war mein erster geschichtlicher Höhepunkt.

Auf meiner Tour in die Bretagne erlebte ich die fantastische Gastfreundschaft der Menschen. In Le Folgoët war Fest-Noz; eine bretonische Musik- und Tanzveranstaltung, die spätabends erst beginnt.

In einem Café gabs die Tickets. Ich hatte aber kein Quartier für die Nacht. Kurzerhand wurde mir ein Wohnwagen im Garten angeboten. Ich erlebte zum ersten Mal TRI YANN, eine bretonische Folk-Rock-Legende.

Es war ein intensiver, erster Besuch in Frankreich. Ich lernte freundliche, hilfsbereite Menschen kennen, und die landschaftlichen Eindrücke waren überwältigend.

Es folgten danach abwechselnd Fahrrad-Urlaube in der Franche-Comté und ein Tramper-Urlaub von den Schlössern der Loire bis in die südliche Bretagne. In diesem Urlaub – 1986 – erlebte ich wieder die überwältigende Gastfreundschaft der Menschen. Es war das Wochenende um den 14. Juli. Als Unterkunft gabs lediglich eine Jugendherberge abseits in dem winzigen Örtchen La Rouchouze bei Langeais.

Dort angekommen, stand ich erstmal vor verschlossenen Türen, und im einzigen Café wartete ich auf Weiteres. Die Café-Besitzerin nahm Anteil an meinem Problem, telefonierte sogar mit der Mairie, jedoch ohne Ergebnis. Gegen Abend wurde mir ein Zimmer angeboten, und vorher gab es ein Abendessen mit der ganzen Familie; vor Glück verdrückte ich die eine oder andere Träne.

Irgendwann erschien Monsieur Rapicault, der Herbergsvater, und ich war das ganze Wochenende Gast der Familie in der Jugendherberge. Am 14. Juli besuchten wir gemeinsam die Feste der umliegenden Dörfer, man kennt sich ja und in den diversen Cafés/Bars wurde mir Rotwein und Pastis als Gast gereicht. Erlebnisse, die man den Enkelkindern noch gerne erzählt. 

Mit dem Rad durch Frankreich. Foto: Jürgen Friedrich
Mit dem Rad durch Frankreich. Foto: Jürgen Friedrich

Sportlich war der Urlaub 1987. Ich hatte mir das Ziel gesetzt, mit dem Rad in den Süden zu fahren, die Cevennen waren das grobe Ziel. Nach genau drei Wochen im Sattel war ich in Saint-Jean-du-Gard. Die dortige Jugendherberge war mein Domizil. In Saint-Jean-du-Gard lernte ich auch dieses schöne Spiel mit den Stahlkugeln kennen: Boule.

In Alès, auf einem vide grenier, erstand ich meine ersten Kugeln, und diesem wunderbaren Sport bin ich bis heute treu geblieben.

Von Saint-Jean-du-Gard habe ich dann mein Rad die Gorges du Tarn hochgeschoben, Millau war mein endgültiges Ziel. Millau liegt am Fuß des Causse de Larzac. Dort fand Anfang der 1970-er Jahre ein kollektiver Aufstand der Menschen gegen ein militärisches Großgebiet statt. Mit breiter internationaler Unterstützung wurde das Vorhaben 1981 endgültig begraben, ein Sieg des zivilen Ungehorsams.

Widerstand forderte dieser Aufkleber damals auf dem Plateau von Larzac. Foto: Jürgen Friedrich
Widerstand forderte dieser Aufkleber damals auf dem Plateau von Larzac. Foto: Jürgen Friedrich

In den darauffolgenden Jahren wurden mit dem Auto „neue“ Regionen erkundet, Elsass-Lothringen mit dem einzigartigen Naturschutzgebiet La Petite Camargue Alsacienne, die Franche-Comté mit ihren ruhigen, beschaulichen Ortschaften. In Burgund hat mich Solutré bei Mâcon mit seinem berühmten Felsen fasziniert. Prähistorische Funde beweisen eine Jagdmethode der damaligen Bewohner: Sie trieben die Tiere über den Felsen zum Absturz.

Übernachtet wurde im Zelt, ab und zu auch einfach neben der Straße. Leider erinnere ich mich nicht mehr an den genauen Ort. Ich bekam Besuch von einem Mann, er war neugierig und stellte sich als Bürgermeister vor. Nach einer Stunde kam er mit einer Flasche Rotwein wieder und „begrüßte“ mich in seiner Ortschaft.

Die Auvergne war für mich mit ihrem etwas rauen, einsamen Charakter beeindruckend. Mit einem historischen Eisenbahnzug des Vereins AGRIVAP habe ich von Ambert aus diese Region erkundet. Natürlich war auch der Viaduc du Garabit dabei. Im Film Cassandra Crossing* ist die Konstruktion quasi der Hauptdarsteller.

Bei den Katharern. Foto; Jürgen Friedrich
Bei den Katharern. Foto; Jürgen Friedrich

In den Pyrenäen waren die Burgen der Katharer ein Höhepunkt. Es ging immer zu Fuß hoch hinaus. Peyrepertuse, Quéribus und Montségur liegen atemberaubend auf Felsspitzen; unvorstellbar, mit welchen Strapazen die Zufluchtsorte dieser tief religiösen Menschen errichtet wurden.

Ein besonderes Erlebnis ist die Fahrt mit dem train jaune von Latour-de-Carol nach Villefranche-de-Conflent.

In all den Jahren habe ich Frankreich mit seinen wunderbaren, unterschiedlichen Facetten erlebt; in der Provence war es die sprichwörtliche Leichtigkeit des Lebens; Sinnbild davon war der Besuch eines Festes 2003 in Plaisians, am Rande des Mont Ventoux.

Es gab neben gemeinsamen Essen auf dem Dorfplatz auch ein Pétanque-Turnier. Wir waren erkennbar die einzigen (deutschen) Touristen, haben alle Spiele verloren und wurden danach zu Pastis und Rotwein eingeladen. Das abendliche Konzert mit Feuerwerk erlebte ich mit einem ganz schönen Schwips.

Apropos Mont Ventoux: Für mich ist es eine Majestät von Frankreich. Den Sonnenuntergang dort oben erleben zu dürfen, ist ein wahres Geschenk. Und wenn die Tour de France dort Etappenziel ist, verstehe ich den Ausdruck „Tour der Leiden“.

Straßenschild auf Korsika. Foto: Jürgen Friedrich
Straßenschild auf Korsika. Foto: Jürgen Friedrich

Zu Frankreich gehört natürlich auch Korsika; einige Korsen mögen das anders sehen. Die Insel ist landschaftlich vielleicht das Schönste, diese Nähe der Berge zu traumhaften Badestränden gibt es so nicht noch einmal. Fünfmal habe ich die „Insel der Schönheit“ besucht.

Die Wanderung hoch zum Melo- und Capitello-See war einfach klasse, pure Erholung dann die Strand-Tage in Algajola, Saint-Florent. Gut, dass ich immer eine Schnorchel-Maske dabei hatte. 

Und auch die Fahrten mit der Schmalspur-Eisenbahn sind in schöner Erinnerung, Kühe auf den Gleisen, bzw. in den Tunnels kann ich bestätigen.

Mit den Jahren bin ich verständlicherweise „ruhiger“ geworden. Aus Zelt und Camping-Platz sind chambres d`hôtes und maisons de vacances geworden. Aber immer sind es die Begegnungen mit den Menschen in Frankreich, die für mich in wunderschöner Erinnerung bleiben: der 75-jährige Jahrestag des D-Days in Isigny-sur-Mer, wo wir gemeinsam gefeiert haben.

Und der Flohmarktbesuch in Vitrac im Périgord Noir. Eine Dame bot mir dort einen Teller mit dem Spruch an: „Faire l’amour avec une femme en chemise, c`est comme manger une orange sans l’éplucher.“ Ich bat sie um eine Erklärung, weil ich den Sinn nicht verstand (!). Alle Umstehenden lauschten gespannt dem Gespräch.

Den Périgord habe ich übrigens durch Martin Walker entdeckt. Seine Romane mit Bruno, Chef de Police, waren der Auslöser für zwei Jahre Urlaub an der Dordogne. Vielleicht ist diese Region das Herz von Frankreich. Die geschichtlichen Ereignisse im Périgord mit seinen Bastiden, Burgen und Orten tragen auf jeden Fall dazu bei. Château Les Milandes mit Josephine Baker mag ein Beispiel sein.

Zum 40-jährigen Jubiläum waren wir im Mai in Saint-Valery-sur-Somme, vielleicht ein Kleinod an der Kanalküste. Und wenn man sich auf „Kleinigkeiten“ einlässt, ist auch hier vieles Schönes zu entdecken. 

In verschiedenen Internet-Berichten lese ich von den „3 Must-Sees“ in Frankreich ; Eiffelturm, Mont-Saint-Michel und Carcassonne. Ich mag dieses must sees nicht, diese Giganten sind beeindruckend allemal. Aber …. Frankreich ist so viel mehr. Ulrich Wickert hat wohl mal gesagt, Frankreich sei ein charmanter Koloss aus Geschichte, Kultur und gutem Essen. Er hat recht. Und deshalb liebe ich unseren westlichen Nachbarn.

Ganz zum Schluss muss ich einen wichtigen Punkt unbedingt anführen: durch diese Liebe zu Frankreich habe ich meine Frau kennengelernt. Ihr Bekenntnis zu Frankreich auf einer damaligen Plattform hat mich neugierig gemacht, und seit 2015 fahren wir gemeinsam überall hin, wo es schön ist …Vive la France !


Der Beitrag von Jürgen Friedrich ist ein Gastartikel in einer kleinen Reihe, in der alle, die dazu Lust haben, ihre Verbundenheit zu Frankreich ausdrücken können. Ihre ganz persönlichen Erfahrungen mit Frankreich, Erlebnisse, Gedanken. Ihr wollt mitmachen? Dann denkt bitte daran: 


  • Keine PDFs.
  • Text: per Mail in Word, Open Office oder per Mail. Denkt daran, euch mit ein, zwei Sätzen persönlich vorzustellen.
  • Fotos: Bitte schickt nur eigene Bilder und jene möglichst im Querformat und immer in Originalgröße. Sendet sie gebündelt mit www.WeTransfer.com (kostenlos & top!)  – oder EINZELN ! – per Mail. Bitte denkt an ein Foto von euch – als Beitragsbild muss dies ein Querformat sein.
  • Ganz wichtig: Euer Beitrag darf noch nicht woanders im Netz stehen. Double content straft Google rigoros ab. Danke für euer Verständnis.

Vor der Veröffentlichung erhaltet ihr euren Beitrag zur Voransicht für etwaige Korrekturen oder Ergänzungen. Erst, wenn ihr zufrieden seid, plane ich ihn für eine Veröffentlichung ein. Merci !

Ich freue mich auf eure Beiträge! Alle bisherigen Artikel dieser Reihe findet ihr hier.

6 Kommentare

  1. Mon dieu, da sind sie aber wirklich rumgekommen in Frankreich, lieber Jürgen! Respekt! Und ich dachte, ICH kenne Frankreich! Aber ich habe noch nicht die Hälfte von dem gesehen, was Sie erlebt haben.
    Ihr Hinweis auf die angeblichen Must See‘s ist übrigens völlig richtig. Klar kann (und muss vielleicht) Paris sehen. Aber wie New York nicht die USA ist, so ist Paris alleine nicht Frankreich. Das Frankreich, das so unglaublich schön und attraktiv ist, findet sich dort, wo sie es gesucht haben: Beim Boule-Spiel auf dem Dorfplatz, beim Pastis in der Bar du Sport oder beim Rotwein zum Warten auf die Jugendherberge. Dabei lernt man die Franzosen und Französinnen und damit Frankreich kennen. Und das ist Ihnen ja offensichtlich hervorragend gelungen. Glückwunsch!

  2. Hallo Jürgen, seit 1980 bereisen wir regelmäßig Frankreich …wir können von ähnlichen Erfahrungen mit den Menschen dort berichten, hatten viele spontane Kontakte und erlebten sehr oft eine überschwängliche Gastfreundschaft….Unsere Lieblingsregionen sind ganz klar die Auvergne, Burgund, Limousin ….Gelandet sind wir im Morvan SW-Burgund in einer Natursteinfermette….Zentral gelegen um weiter ( nun mit festem Hauptquartier ) das restl. Frankreich zu erkunden…oder einfach nur das ländliche Leben im Morvan zu geniessen…

  3. Hallo Herr Friedrich, Sie haben sich Frankreich ja wirklich von der Pike auf erobert – da kann man nur klassisch den Hut ziehen!
    Insbesondere Ihre Anmerkung zu den „3 Must Sees“ spricht mir aus vollem Herzen. Eigentlich entdeckt man das wahre Leben und die tolle Freundlichkeit der Franzosen in jedem kleinen Dorf oder kleinen Stadt. Hängt man länger als eine Stunde bei Noisette, Bier oder Wein in einer Schänke ab, kann man mit Sicherheit einen ersten Kontakt knüpfen. Viele Ihrer angeführten Orte kommen mir dabei sehr bekannt vor und wie bei Ihnen können auch meine Frau und ich das wunderbar gemeinsam genießen…

    @Marion Krieger: Und Hallo Frau Krieger – machen Sie das mit Ihrer Geschichte! Meines Erachtens sind es ja gerade auch diese persönliche Berichte, die diesen Blog von Hilke Maunders eine besondere Note verleihen.

    Liebe Grüße an alle in dieser Runde, wir starten in 10 Tagen wieder in die Rouergue,
    Holm Dietz

  4. Wenn es einen erstmal gepackt hat, kann man Frankreich nicht mehr lassen. Ihr wunderbarer Bericht hat in mir den Wunsch reifen lassen, hier auch einmal meine Erinnerungen zu posten – angefangen von der Betreuung junger Franzosen, die von der CGT in den 60er in die DDR geschickt wurden bis hin zu meiner Reise mit meinem kleinen VWup! im Mai diesen Jahres auf den Spuren der Künstler des Südens. Dazwischen fast jedes Jahr Frankreich. Seit Corona leider ohne meinen Mann.

    1. Liebe Frau Krieger,
      Das klingt nach einer Geschichte, die Sie unbedingt erzählen sollten!

  5. Vielen herzlichen Dank, Herr Friedrich für Ihren wunderbaren Bericht. So schön, dass Sie noch die Tickets dazugelegt haben. An viele Orten , die Sie beschreiben, war ich auch und so habe ich beim Lesen in eigenen Erinnerungen geschwelgt. Vielen Dank!
    Viele Grüße von Susanne Groth

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