Das Rathaus von Kempten im Allgäu
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So viel Frankreich steckt in … Kempten

Im Allgäu waren es ehemalige Kriegsgefangene aus Quiberon und Sankt Mang bei Kempten, die 1968 erste Kontakte knüpften. Annemarie Marschall verfestigte die ersten Bande.

Sie gehört zu den Begründerinnen der Städtepartnerschaft zwischen Kempten und Quiberon, die 1971 offiziell beschlossen wurde. Nach der Gebietsreform 1972 übernahm die Stadt Kempten der Partnerschaft.

Quiberon ist damit die älteste der fünf Patenstädte von Kempten. An der Allgäuhalle verschweigt Kempten auch nicht die Gräueltaten der Nazizeit mit deutsch-französischen Gedenktafeln.

Quiberon, die Partnerstadt von Kempten im Allgäu
Quiberon, die Partnerstadt von Kempten im Allgäu

„Hier das lieblich-hügelige Allgäu, dort eine wildromantische, oft sturmumtoste Halbinsel im Atlantik. Dazwischen ein Weg von fast 1.410 Kilometern Länge und eine ganze Menge Fäden kultureller und freundschaftlicher Beziehung“, so beschrieb die Kunsthalle Kempten zum 40-jährigen Bestehen der Patenschaft die Bande zwischen den beiden Region.

Auch, wenn sie auf den ersten Blick so unterschiedlich wirken, gibt es doch viele verbindende Gemeinsamkeiten.

Panorama von Kempten im Allgäu
Panorama von Kempten im Allgäu. Foto: Stadt Kempten

Schulen bauen Brücken

Das erleben vor allem die jungen  Allgäuer. Denn in Kempten sind es besonders die Schulen, die sich für die deutsch-französische Freundschaft engagieren. Das Hildegardis-Gymnasium unterhält seit 1994 einen intensiven Schüleraustausch mit Schulen der Partnerstadt Quiberon, seit 2012 auch mit dem katholischen Collège St-Michel in der Nachbargemeinde Carnac.

Meist zu Schuljahresbeginn reisen die Jugendlichen der 9. Jahrgangsstufe nach Frankreich, wo sie in Familien wohnen, die Schule besuchen und auf Ausflügen Land und Leute näher kennenlernen. Der Gegenbesuch der jungen Franzosen findet traditionell im Frühjahr statt.

Neuer sind die Kontakte, die die Fachschaft zum Lycée Lucie Aubrac in Bollène nördlich von Avignon geknüpft hat. Fester Bestandteil des Schullebens ist ein deutsch-französischer Tag, bei dem Schülerinnen und Schüler französischer Spezialitäten für einen guten Zweck verkaufen.

Die St. Mang-Kirche von Kempten mit dem Jugendstilbrunnen
Die St. Mang-Kirche von Kempten mit dem Jugendstilbrunnen. Foto: Stadt Kempten

Austausche und „bunte Pausen“

Bereits in der sechsten Jahrgangsstufe wird Französisch als zweite Fremdsprache am Allgäu-Gymnasium unterrichten; in der achten Klasse kann es als dritte Fremdsprache hinzugewählt werden. Seit 2008 vertieft ein Schüleraustausch vor Ort das Gelernte. 30 Schüler der Klassen 7-9 reisen jedes Jahr für neun Tage nach Aubenas (Ardèche), wohnen bei Gastfamilien und nehmen am Unterricht im Collège Jastres teil.

Wer länger bleiben will, kann sich in den  Jahrgangsstufen 8 -11 für zwei bis drei Monate Einzelaustausch mit dem Brigitte-Sauzay-Programm des Bayerischen Jugendrings bewerben. Oder auf privater Basis in den Jahrgangsstufen 8 und 9 für vier Wochen den Unterricht am Collège Sainte-Anne in Quibéron besuchen.

Deutsch-französische Veranstaltungen prägen auch das Schuljahr. Das Spektrum reicht vom Vorlesewettbewerb in in französischer Sprache für die Jahrgangsstufe 7 bis zum Deutsch-Französischen Tag. Alljährlich am 22. Januar veranstalten die Französischklassen eine verlängerte „bunte Pause“ mit kulinarischen französischen Spezialitäten, Rätselspielen und Ausstellungen zu französischen Regionen.

Auch das Carl-von-Linde-Gymnasium veranstaltet regelmäßig Schüleraustausche. Sein Partner ist das Lycée Alfred Kastler im elsässischen Guebwiller. Die engen deutsch-französischen Verbindungen setzen sich auch in den Hochschule fort. So koordiniert der Fachbereich Wirtschaftswissenschaft  der Hochschule Kempten mit der École Supérieure de Commerce in Troyes und der Université d’Angers gegenseitige zweisemestrige Studienaufenthalte im Tourismusmanagement. Das Institut für Fremdsprachenberufe Kempten (IFB) vermittelt Praktika in Frankreich.

Französischer Käse aus Kempten

Auch wirtschaftlich ist Kempten noch enger mit Frankreich verbunden, seitdem Unilever im Jahr 2003 seinen Standort im Allgäu an Bongrain verkaufte. Der Produzent erzielt mit seinen bekannten Käsemarken Le Tartare, Chaumes, Saint Albray, Geramont und Fol Epi jährlich rund 3,9 Milliarden Euro Umsatz.

Produziert wird seitdem doppelgleisig: Brunch, Du Darfst und Becel für Unilever, Käse für Bongrain. Im März 2015 nannte sich das Unternehmen um und wählte einen international leichter auszusprechenden Namen: Savencia Fromage & Dairy.

Coq au Vin & köstliche Crêpes

Kulinarisch hat Frankreich in Kempten nur wenig Spuren hinterlassen. Bei Christian Henze schleicht sie sich bei der kleinen Gänselebervariation mit Apfel, Tonkabohne und Briochecrumble und dem Steinbutt, Süßkartoffel, Rote Beete und Beurre blanc mit ins Menü.

Ansonsten jongliert der Fernsehkoch eher mit Einflüssen aus aller Welt in seiner Küche. Viel mehr Frankreichflair, und viel authentischer, ist ein Lokal, das ohne Webseite auskommt und nur auf Facebook zu finden ist: die Crêperie Rendez-vous à Quiberon. 

Von ihr schwärmt Barbara Kettl-Römer in ihrem Blog Tief im Allgäu: „Die Inhaberin Anaick Reihs ist Französin, und ihre Crêpes und Galettes schmecken wirklich original so gut wie die, die ich in Frankreich auf der Halbinsel Quibéron gegessen habe.

Der bretonische Klassiker (la traditionelle) unter den hauchdünnen salzigen Pfannkuchen ist übrigens die Kombination Käse-Schinken-Ei – hmmmm! Wer mag, kann hier auch je nach Saison Muscheln, Coq au Vin und andere französische Spezialitäten essen und mit Cidre oder feinen Bio-Weinen abrunden.

Barbara Kettl-Römer lebt mit ihrer Familie seit langem in Kempten. Was die Allgäuerin ganz persönlich mit Frankreich verbindet, hat sie hier verraten.

„Vive la France“ in der Kultur

„Vive la France!“ heißt es auch in der Kultur. 2008 stellte der Orchesterverein Kempten seine dritte Ausgabe des Kammermusik-Festival „Fürstensaal Classix“ unter dieses Motto und präsentierte in fünf Konzerten die immensen Farbpalette französischer Musik. Mit dabei waren die Werke von Olivier Messian, der vor mehr als 100 Jahren in Avignon geboren wurde und zu den  bedeutendsten Komponisten des 20. Jahrhunderts gehört.

Nicolas Bacri bereichterte als Composer-in-Residence das Festival. Bacri zählt zu den renommiertesten und meistgespielten Komponisten Frankreichs. In Kempten erlebten mehrere seiner Kompositionen ihre deutsche Uraufführung.

Bereits 2001 reiste der  Musikverein Sankt Mang zum 30-jährigen Bestehen der Städtepartnerstadt mit Quiberon für eine Woche in die Bretagne. 2011 musizierte die Hilde-Bigband zum 40. Geburtstag in der französischen Partnerstadt. Mit mehr als 300 Mitgliedern ist die Big Band des Hildegardis-Gymnasiums das größte Blasorchester Deutschlands. Hört mal rein!

https://www.youtube.com/channel/UC1BcHCfFIZRzZKJ9OvTf44w


Wie viel Frankreich steckt in Deutschland? Das verrät euch meine Blogparade. Alle bisherigen Beiträge findet ihr hier.

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Frankreich in DeutschlandHamburg war einst Hauptstadt eines Départements von Napoleons Kaiserreich. Duisburg bot dem königlichen Musketier d’Artagnan ein Dach über dem Kopf. Dortmund war für ein paar Wochen der Wohnort, an dem der französische Austauschschüler Emmanuel Macron die Deutschen in natura erlebte. Göttingen ist die Stadt, aus der der Soundtrack der deutsch-französischen Versöhnung stammt.

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2 Kommentare

  1. Wie schön, in diesem Beitrag habe ich Dinge über Frankreich in Kempten erfahren, die ich noch gar nicht wusste, etwa über die Studienaufenthalte an französischen Partnerunis. Und die Crêperie Quiberon habe ich erst am Samstag wieder besucht, um meine Lieblingsgalette La Traditionelle zu genießen :-).
    Auch einige Allgäuer Städte haben Partnerstädte in Frankreich, aber wie aktiv die sind, weiß ich nicht.
    Zum Beispiel ist Isny mit Notre-Dame-de-Gravenchon verpartnert (https://www.stadt.isny.de/stadt-kultur/stadt-ortschaften/staedtepartnerschaften/notre-dame-de-gravenchon.html). Und bei einer Bloggerin aus Seeg habe ich das hier gefunden: http://www.suedliches-allgaeu.de/blog/natur/honigdorf-seeg-in-frankreich.html
    In Oberstdorf findet jährlich ein französischer Markt statt (https://www.oberstdorf.de/kalender/2018-07-142251.html), aber ich weiß nicht, ob es damit mehr auf sich hat.

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