Wer wohnt wo? Ein Klingel-Brett in Paris. Foto: Hilke Maunder

Klingel ohne Namen

Die Klingel drücken, die Treppen hochsteigen und dann bonjour sagen? Wenn dies so einfach wäre in Frankreich!

Es war ein typischer Montagmorgen in Paris. Die Sonne kämpfte sich durch die Wolken, als ich vor einem schmucklosen Mehrfamilienhaus im 13. Arrondissement stand. Der Termin war ausgemacht, die Uhrzeit festgelegt – doch nun starrte ich ratlos auf die Klingel-Schilder.

Keine Namen, nur leere Schilder mit kleinen, weißen Plastikknöpfen. Wo musste ich nur läuten für meine Verabredung? Ich war mir sicher, die Adresse stimmte. Ich überlegte. Waren die Klingelknopfreihen vielleicht nach Etagen sortiert? Und, falls ja, dann wie? Vertikal? Horizontal?

Namenssuche auf den Fluren

Als eine junge Frau mit ihrer kleinen Tochter das Haus verließ, ergriff ich die Tür, bevor sie wieder einschnappte, und stand im Hausflur. Vorsichtig lief ich den Flur entlang und hoffte, den richtigen Namen zu erspähen. Im ersten Stock. Im zweiten Stock. Im dritten Stock. Überall bot sich das gleiche Bild. Auch hier waren die Türen anonymisiert, ohne jeglichen Hinweis darauf, wer dahinter wohnt. Welche Wohnung war nur die richtige?

Die Zeit verstrich. Schließlich rief ich an. Und erntete ein lautes Lachen. „Das ist normal in Paris! Komm hoch in den dritten Stock!“

Codetasten statt Klingel

Dieses Erlebnis ist typisch für das moderne Frankreich, insbesondere in städtischen Gebieten wie Paris. Hier ist es seit Jahren üblich, dass Klingelschilder in Mehrfamilienhäusern keine Namen mehr tragen. Der Grund für diese Praxis liegt in einem tief verwurzelten Bedürfnis nach Privatsphäre und Sicherheit. Ohne Klarnamen auf Klingelschildern bleibt die eigene Wohnung für Außenstehende anonym.

Zusätzlich zu den anonymisierten Klingelschildern findet man an vielen Eingängen ein Code-Feld mit den Ziffern eins bis neun, Asterisk und Raute. Besucher oder Postboten müssen hier eine Wohnungsnummer oder einen speziellen Zugangscode eingeben. Kein Code, kein direkter Zugang.

Klingel-Brett ohne Namen: auch hier, in einem Hauseingang in Le Havre. Foto: Hilke Maunder
Klingel-Brett ohne Namen: auch hier, in einem Hauseingang der Avenue Foch von Le Havre. Foto: Hilke Maunder

Schützt: Klingel ohne Klarname

Auf mich wirkte diese Anonymität zunächst befremdlich. „In einem Land, das großen Wert auf den Schutz der Privatsphäre legt, ist es eine logische Entwicklung“, erklärte mir meine Bekannte. „In einer Großstadt wie Paris, wo man dicht an dicht lebt und das Sicherheitsbedürfnis hoch ist, schafft das Fehlen von Namen auf Klingelschildern eine zusätzliche Barriere gegen ungebetene Gäste und schützt vor potenziellen Eindringlingen.“

In Frankreich ist niemand verpflichtet, seinen Namen unter der Türklingel anzubringen, und auch die Türklingel ist nicht vorgeschrieben. In dem Land der liberté, wo es keine Meldepflicht gibt und die Strom- oder Handyrechnung als Wohnungsnachweis ausreicht, ist einzig ein Briefkasten Pflicht.

Er muss sich mindestens 70 Zentimeter und maximal 1,70 Meter über dem Boden befinden und eine mindestens 23 cm x 3 cm große Öffnung besitzen, legt ein Ministerialerlass vom April 2007 fest. Wer sich nicht daran hält, muss seine Post höchstpersönlich vom Postamt abholen.

Wie ist es euch ergangen? Habt ihr auch schon einmal völlig irritiert an der Haustür gestanden – oder verzweifelt die Wohnung eines Bekannten oder Freundes in einer der großen Wohnanlage in Frankreich gesucht? Berichtet mir von euren Erfahrungen in den Kommentaren. Merci !

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