La Mayade. Foto: Hilke Maunder
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La Mayade: der Mai-Brauch im Südwesten

Ein blau und silbern glitzerndes Band umschlang den Stamm einer mannshohen Kiefer, deren Äste mit bunten Girlanden und Blüten aus Krepppapier geschmückt waren. Ein rundes Schild mit einer riesigen roten 80 hing am Stamm: So präsentierte sich mir der erste mai an einer Gartenpforte eines Einfamilienhauses in dem kleinen, ländlichen Dorf Bostens.

Und viele weitere solcher farbenprächtig geschmückter Bäume sollten meine Fahrt durch das Département des Landes im Südwesten Frankreichs an jenem letzten Tag im April begleiten.

Denn hier im Südwesten Frankreichs haben die Maibäume eine jahrhundertealte Tradition. La Mayade  (auch Maïade oder Maillade ) heißt sie, und oberste Geheimhaltung ist bei der Überraschungsaktion Pflicht.

Die Vorbereitungen beginnen im April mit dem Aushecken der Aktion und dem liebevollen Dekorieren einer Kiefer aus der Forêt des Landes, die in der Nacht vom 30. April auf den 1. Mai heimlich gepflanzt wird. Neben Schildern mit Honneur à … finden sich mitunter ironische Verse oder Glückwünsche an den Maibäumen.

Die Hauptakteure der Mayade sind die Mayés – Jugendliche im Alter von 17 bis 19 Jahren, die die Feier organisieren. Unterstützt werden sie bei der Logistik und Finanzierung von Jüngeren ( sous-mayés ) und Älteren ( sur-mayés ) aus dem Dorf. In einigen Orten helfen auch Vereine oder ein comité des fêtes bei der Durchführung.

Die Ursprünge der Mayade wurzeln in keltischen Frühlingsriten und dem Widerstreit zwischen Winter und Frühling. In Südfrankreich wurden sie erstmals im 13. Jahrhundert dokumentiert, damals noch als eine Form der Huldigung für Grundherren. Das Konzil von Mailand (1579) versuchte vergeblich, diesen „heidnischen“ Brauch zu untersagen.

Heute wird der mai für Neubürger und frisch Vermählte, für junge Eltern, volljährig gewordene Kinder oder betagte Jubilare, für Geburtstagskinder und für gewählte Vertreter des Volkes wie Bürgermeister aufgestellt.

Der mai verpflichtet den Geehrten. Er darf sich nicht lumpen lassen und muss mindestens einen Apéro für alle ausrichten – oder noch besser ein gemeinsames Essen, ein repas convivial, spendieren. Um das Fest zu finanzieren, organisieren die Mayés häufig einen Ball de Mayade, erheben für den Tanz in den Mai einen Eintritt – oder hoffen auf großzügige Spenden.

In Mimizan wird die Mayade alljährlich mit der Fête de la Mer am 1. Mai kombiniert. Mit Blick auf den Tourismus verwandelten die dortigen Stadtväter aus dem privaten Spaß ein öffentliches Ereignis.

Als große, opulent geschmückte Seekiefer ragt dort le mai auf der zentralen Place de la Plage von Mimizan-plage auf. Der mai gilt in Mimizan symbolisch für die gesamte Gemeinschaft und ist das Aushängeschild der öffentlichen Feierlichkeiten. Diese Kommerzialisierung von diesem einzigartigen, tief im Landstrich verwurzeltem Brauchtum hat nicht nur Anhänger dort.

Die Mayade des Département des Landes ist seit dem Jahr 2020 im nationalen Inventar des immateriellen Kulturerbes Frankreichs verzeichnet. Doch die Tradition des Maibaums ist nicht auf das Département des Landes beschränkt.

In der Provence beispielsweise steht bis heute in manchen Dörfern ein Maibaum als Symbol des Frühlings und der Gemeinschaft auf dem zentralen Platz. Im Elsass wiederum kennt man den Brauch des Tannemai, bei dem ein Baum als Zeichen der Zuneigung vor das Haus einer jungen Frau gestellt wird.

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