
Lagrasse, die alte Hauptstadt der Corbières: Wunderschön liegt sie am Ufer des Orbieu, den seit Römertagen eine Bogenbrücke überspannt. Mehr als 1000 Jahre lang prägten die Benediktinermönche der Abtei Sainte-Marie d’Orbieu am gegenüberliegenden Ufer das Dorfleben. 778 soll dort dem Mönch Nimphridius (auch Nébridius genannt) ein wahres Wunder vollbracht haben.
Er vermehrte das Brot für die Soldaten Karls des Großen auf so erstaunliche Weise, dass der Kaiser ihm zum Dank 779 ein Kloster gründete und es unter seinen Schutz stellte. Bei der Französischen Revolution wurde das Kloster 1791 säkularisiert, sein Besitz in zwei Teile aufgeteilt und versteigert.

Die zweigeteilte Abtei
Die Zweiteilung besteht bis heute. In den größeren Bereich sind die Mönche der Regularkanoniker (Chanoines réguliers de la Mère du Dieu eingezogen. Der kleinere Bereich ist im Besitz des Départements Aude. Gemeinsam wurden einige Bereiche für Besucher geöffnet.
So könnt ihr dort in einem faszinierenden Ensemble aus der Zeit des Mittelalters bis zum 18. Jahrhundert einen der rätselhaftesten wie begabtesten Bildhauern des Mittelalters entdecken: den Meister von Cabestany. In seinem Geburtsort Cabestany südlich von Perpignan ist ihm ein Museum zur romanischen Skulpturkunst gewidmet.
Der rätselhafte Meister

Nur wenig weiß man über den Mann, der Ende des 12. Jahrhunderts mit einem ganz eigenen Stil seine Figuren darstellte. Typisch für seine Menschen sind die fast dreieckigen Gesichter mit niedriger Stirn, flachem Kinn, großen Ohren und hohen Wangenknochen. Die Augen sind mandelförmig und schräggestellt, sondern oft auch durch Bohrlöcher besonders betont.
Auffallend sind auch die großen Füße und Hände der Figuren. 121 Skulpturen hat man mittlerweile in Katalonien, Navarro und im Süden Frankreich von unbekannten Meister identifiziert. In der Abteikirche von Lagrasse findet ihr einige Fragmente von Skulpturen, die einst zum Portal gehörten, weitere auf dem benachbarten Friedhof.

Die Abtei von Lagrasse
Die Abteikirche von Lagrasse ist ein auffallend schlichter gotischer Saalbau aus dem 13. Jahrhundert. Im Obergeschoss kommt ihr zum Vorraum der Abtskapelle. Bunt bemalte Quader in Schwarz, Rot und Gelb schmücken ihn. Hingucker der eigentlichen Abtskapelle ist der offene Dachstuhl. Vorbei an der Speisekammer kommt ihr zum Schlafsaal der Mönche. Ihr Dormitorium ist ein riesiger Saal. Ihn überspannen gemauerten Spitzbögen, auf denen die Pfetten des Daches aufliegen.
Auch der große Glockenturm, die ehemalige Sakristei und der Bischofspalast eingebunden in eine Besichtigung. Den barocken Kreuzgang, der seit 1760 einen romanischen Vorgängerbau ersetzt, könnt ihr euch ebenfalls ansehen.
Der Charme alter Gassen und Plätze

Bogenbrücke, Stadttor und Stadtmauer, Bürgerhäuser, alte Gassen und eine steinerne Markthalle, in der Sonnabend vormittags der Markt abgehalten wird: Lagrasse hat die Auszeichnung als eines der schönsten Dörfer Frankreichs verdient.

Lasst euch durch die Gassen treiben. Seht euch dabei einmal die mittelalterlichen Häuser etwas genauer an. Und verpasst nicht die Maison du Patrimoine mit ihrer Holzdecke aus dem 14. Jahrhundert.
Ihre closoirs, schmale Füllbretter zwischen den kleinen Deckenbalken („Kinderbalken“) zeigen neben Wappen auch figürliche und szenische Darstellungen. So ziehen dort unter anderem zwei Bauern einen Pflug, der von einem Esel gezogen wird!

Neben solchen humoristische Szenen tummeln sich auch Ritter auf dem Holz. Und sogar erotischen Darstellungen fehlen nicht. Auch das spätgotische Wohnhaus im Haus Nr. 6 in der Rue du Foy birgt im Obergeschoss eine bemalte Holzdecke mit figürlichen Motiven. Leider lässt sich diese Decke nur besichtigen, wenn man mit dem Hauseigentümer bekannt ist.

Besonders schöne mittelalterliche Kaufmannshäuser säumen mit hölzernen Arkaden den Marktplatz. Die halb offene Markthalle wurde um 1315 erbaut. Auf ihren wuchtigen Steinsäulen ruht ein „römisches“ Pfettendach.
Tipp
Im Sommer wird der Orbieu aufgestaut. Dann könnt ihr mitten im Ort im Fluss baden!

Lagrasse: meine Reise-Infos
Schlemmen
Les Trois Graces
Ob unter der Jahrhunderte alten Balkendecke am Kamin oder im begrünten Innenhof. Bei Nicolas Bouthinon schmeckt es stets … orientalisch. Lasst euch überraschen!
• 5, Rue du Quai, 11220 Lagrasse, Tel. 04 68 43 18 17, http://lestroisgraces.pagesperso-orange.fr
Le temps des Courges
Originelle, gut zubereitete und schön angerichtete Gerichte, ein sehr freundlicher Service – und Sonderwünsche werden mit einem Lächeln umgesetzt. Dazu eine kleine, spannende Weinkarte – perfekt!
• 3, Rue des Mazels, 11220 Lagrasse, Tel. 04 68 43 10 18, kein www.
In der Umgebung
Sentier Sculpturel
Lauft bei Mayronnes (10 km) durch die Weinberge und die Garrigue und entdeckt auf dem 2018 angelegten, sechs Kilometer langen Skulpturenpfad die Plastiken von zeitgenössischen Künstlern der Region!
• www.audetourisme.com/fr/fiche/mayronnes/le-sentier-sculpturel-de-mayronnes
Schlafen
Hostellerie des Corbières
2007 haben Alexandra und Julien das alteingesessene Haus – das einzige Hotel des Ortes! – am Rand der Altstadt übernommen und behutsam wie liebevoll modernisiert. Der nostalgische Charme mit altem Holz blieb erhalten, frische Farben, modernes Design und heutiger Komfort zogen ein.
Im Hausrestaurant 2 Cocottes verwöhnt euch Julien mit frischer Jahreszeitenküche und schlank verjüngten Klassikern wie Filet Mignon oder Entenschenkeln.
• 9, Boulevard de la Promenade, 11220 Lagrasse, Tel. 04 68 43 15 22, www.hostellerie-des-corbieres.com
Noch mehr Betten*
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