Le Malzieu. Foto: Hilke Maunder
|

Le Malzieu-Ville: das verkannte Idyll

Im Norden der Lozère, im Süden des Massif Central, erhebt sich über der plätschernden Truyère ein Ort, der in kaum einem Reiseführer erwähnt wird – und höchstens als station verte, als Standort für Outdoor-Aktivitäten und Wanderungen, einen kleinen Satz erhält.

Le Malzieu ist ein verkanntes Juwel! Hinter seiner fast vollständig erhaltenen Stadtmauer hat der kleine Ort Ambiente und Architektur von Mittelalter und Renaissance bewahrt.

Stadt der sieben Türme

Le Malzieu. Foto: Hilke Maunder
Foto: Hilke Maunder

Sieben Türme in der Stadtmauer sicherten einst den Zugang zur Stadt. Am besten erhalten ist die Tour de Bodon, in der ihr das Office de Tourisme findet.

Das Fremdenverkehrsamt ( Office de Tourisme ) zeigt einstigen Saal der Wachen heute Wechselausstellungen. Die Spitze hat es  als Aussichtsplattform geöffnet. Toll, der 360°-Rundblick über die Tondächer der alten Stadt hin zu den bewaldeten Kuppen ringsum!

Ins benachbarte Natursteinhaus ist die mairie (Stadtverwaltung) eingezogen. Die anderen Türme wurden durch Feuer, Krieg oder Naturgewalten nahezu zerstört.

Le Malzieu. Foto: Hilke Maunder
Foto: Hilke Maunder

Die Tour Jonas riss am 27. August 1656 ein Hochwasser des Galastre mit. Auch vom einstigen Château des Barons d’Apcher ist nur noch ein Turm erhalten – die Tour de Baude. Der beffroi, einst Gefängnis, dient heute als Uhrturm.

Höchste Spitze der Altstadt ist der Kirchturm der Église Saint-Hippolyte, einst Klosterkirche von Benediktinermönchen. Für die Frauen betrieben die Ursulinen zwei Jahrhunderte lang (1618 – 1792) ein Nonnenkloster.

Le Malzieu. Foto: Hilke Maunder
Foto: Hilke Maunder

Der harte Klosteralltag

Einblicke in den Alltag der gläubigen Frauen, deren Arbeitstag um vier Uhr morgens begann und erst abends um 21 Uhr endete, gewährt heute in den Klosterräumen ein Museum.

Die Ehrenamtlichen, die es mit viel Herzblut betreiben, freuen sich, euch mehr über das Kloster zu erzählen, das nach der Revolution auch als Gefängnis und Rathaus gedient hat.

Le Malzieu. Foto: Hilke Maunder
Foto: Hilke Maunder

Hohe Natursteinhäuser mit dunklen Fensterläden und schlichte Renaissancepalais wie die Maison Lestang säumen das Labyrinth der Gassen, die immer wieder auf stille Plätze münden.

Bei den sommerlichen vide-greniers indes drängen sich unter der Statue der Jungfrau auf der Place Eugène-de-Rozière die Flohmarktstände.

Le Malzieu. Foto: Hilke Maunder
Foto: Hilke Maunder

Stiller Charme in alten Gassen

Was schade ist: Cafés und andere Lokale fehlen völlig im centre historique. Einzig ein Bäcker, ein Schlachter, eine Friseurin und eine Töpferin haben hier noch Geschäfte. Sie sind zugleich Treff- und Tratschbörsen von Le Malzieu, in dem 1941 Hunderte Juden vor den Nazis Zuflucht fanden.

Le Malzieu. Foto: Hilke Maunder
Foto: Hilke Maunder

Auch davon erzählen die Tafeln des Stadtrundweges mit 28 Stationen. Das Begleitfaltblatt gibt es kostenlos im Office de Tourisme.

Wie aktiv die Résistance hier war, verrät auch eine Wanderung zum Mont-Mouchet. Dort erinnert ein Museum nicht nur an den Widerstand gegen den Faschismus, sondern auch an eine brutale Bestie: die Bête du Gévaudan.

Le Malzieu. Foto: Hilke Maunder
Die Bürger von Le Malzieu kämpfen gegen das Ungeheuer von Gévaudan. Foto: Hilke Maunder

Die Bestie von Gévaudan

Das haarige, wolfsähnliche Ungeheuer hat zwischen 1764 bis 1767 in der historischen Provinz Gévaudan (heute: Lozère) mehr als 100 Kinder, Jugendliche und Frauen ermordet.

Mehr als 9.000 Livres setzen König und Bischof als Kopfgeld aus. Am Vormittag des 19. Juni 1767 erlegte Jean Chastel im Wald von Teynazére in den Bergen der Margeride ein männliches Raubtier, dessen Beschreibung bis heute Rätsel aufgibt.

War es ein aus der Gefangenschaft entkommener afrikanischer Löwe, wie National Geographic es glaubte, eine afrikanische Hyäne – oder ein Wolf-Hybrid?

Le Malzieu. Foto: Hilke Maunder
Foto: Hilke Maunder

Was für ein Stoff für Stories!

Die Bestie von Gévaudan hat Christophe Gans zu seinem Thriller Pakt der Wölfe* (2001) inspiriert. Gans interpretiert in seinem Film sehr frei die alte Legende. In La Bête du Gévaudan* (2003) mischt Regisseur Patrick Volson Tatsachen mit Aberglauben, Wirklichkeit und Wolfsmythos.

Hintergrund ist der Glaubenskrieg in Frankreich unter Ludwig XV. Die überwiegend katholische Bevölkerung findet in einem vermeintlich hugenottischen Schmied einen willkommenen Sündenbock. Ein junger Arzt glaubt als Einziger an dessen Unschuld.

Bis heute inspiriert der Mythos Film, Malerei und Literatur. 2017 feierte Le Malzieu-Ville den 250-jährigen Todestag der Bête du Gévaudan mit Wanderungen und Ausstellungen, Theater und reichlich Schießpulver.

Le Malzieu. Foto: Hilke Maunder
Foto: Hilke Maunder

Le Malzieu-Ville: meine Reisetipps

Schlafen & schlemmen

Hôtel des Voyageurs*

Die 15 geräumigen Zimmer haben teilweise Balkon, könnten aber mal renoviert werden. Doch der freundliche Empfang, die tolle Lage, die kostenlosen Parkplätze und die deftige, ehrliche Küche mit Klassikern aus Frankreich, die sonst eher selten auf den Tisch kommen, machen das kleine Manko mehr als wett.

Le Malzieu. Foto: Hilke MaunderLe Malzieu. Foto: Hilke MaunderLe Malzieu. Foto: Hilke Maunder

Ich habe hier im Rahmen eines sehr günstigen Abendmenüs mit charcuterie zum Entrée und lokalem Käse zum Abschluss im Hauptgang Kalbskopf probiert. Einst war es das Leibgericht vom französischen Staatspräsident Jacques Chirac.
• Route de Saugues, 48140 Le Malzieu-Ville, Tel. 04 66 31 70 08, www.logishotels.com

Aktiv erleben

Pech de Bugarach: wandern. Foto: Hilke Maunder
Rund um Le Malzieu streckt sich ein wundervolles Wanderland! Foto: Hilke Maunder

Mountainbiken & Wandern

380 Kilometer umfasst das markierte Wegenetz für Wanderer und Mountainbiker. Zwölf kürzere Wanderungen von zwei bis vier Stunden Länge hin zum Tor der Feen oder zum Gipfel des Mont-Mouchet enthält ein Topoguide, den es gegen Gebühr beim Office de Tourisme gibt.

Mitten durch den Ort führt auch der älteste Pilgerweg Frankreichs nach Santiago de Compostela. Die Via Podensis beginnt als GR 65 in Le Puy-en-Velay und führt von Le Malzieu weiter nach Aumont und Aubrac.

Die zweite Weitwanderstrecke, die Le Malzieu berührt, ist die Grande Randonnée (GR) 4 von Royan (Charente-Maritime) nach Grasse (Alpes-Maritimes). Folgt der rot-weißen Markierung!

Les Tours de Margeride nennt sich ein Quartett von Rundwanderungen, von Malzieu, Aumont, Grandrieu und Langogne durch die Margeride führen. Auf der 46 km langen Schleife, die in Malzieu beginnt, könnt ihr Malzieu-Forain, Paulhac-en-Margeride, Julianges und Saint-Léger-du-Malzieu entdecken. Rechnet mit rund 14 Stunden Gehzeit!

Klettern & kraxeln

Nördlich des Dorfes liegen die Gorges de la  Truyère (Verdezun). Dort  könnt ihr nicht nur im Granit auf 80 Routen mit Seil klettern und einer Via Ferrata folgen, sondern auch im Juli und August mit der einzigen Zip-Line der Lozère 200 Meter weit durch die Schlucht mit ihren zerfurchten Felsen sausen.

Le Malzieu. Foto: Hilke Maunder
Foto: Hilke Maunder

Shopping

Ifoolki

Aus Schaf- und Kaninchenfell fertigt Ginger Gallois Kappen, Hüte und Puschen – von Ostern bis Weihnachten ist ihre Werkstattboutique geöffnet!
• Boulevard de Flers, 48140 Le Malzieu-Ville, Tel. 07 88 58 02 92, www.ifoolki.com

Boucherie Daudet

Mouraïlhade, Fricandeau, Kutteln in Weißwein, „Knochensäcke“ und andere typisches Spezialitäten der Lozère findet ihr bei der alteingesessenen Schlachterei  von Laurent Daudet.
• Route de St Léger, Faubourg du Pont, 48140 Le Malzieu-Ville, Tel.04 66 31 70 22, http://daudet48.chez.com

Diagonale du Vide. Die Rinder der Margeride (Lozère). Foto: Hilke Maunder
Die Rinder der Margeride. Foto: Hilke Maunder

Gefällt Dir der Beitrag? Dann sag merci mit einem virtuellen Trinkgeld.
Denn nervige Banner oder sonstige Werbung sind für mich tabu.
Ich setze auf Follower Power. So, wie Wikipedia das freie Wissen finanziert.

Unterstütze den Blog mit Deiner Spende. Per Banküberweisung. Oder via PayPal.

Weiterreisen

Okzitanien abseits GeheimtippsOkzitanien: 50 Tipps abseits der ausgetretenen Pfade*

Okzitanien ist die Quintessenz des Südens Frankreichs. Es in den Höhen der Cevennen, endet im Süden am Mittelmeer – und präsentiert sich zwischen Rhône und Adour als eine Region, die selbstbewusst ihre  Kultur, Sprache und Küche pflegt.

Katharerburgen erzählen vom Kampf gegen Kirche und Krone, eine gelbe Pflanze vom blauen Wunder, das Okzitanien im Mittelalter reich machte. Acht Welterbestätten birgt die zweitgrößte Region Frankreichs, 40 grands sites – und unzählige Highlights, die abseits liegen. 50 dieser Juwelen enthält dieser Band. Abseits in Okzitanien: Bienvenue im Paradies für Entdecker!  Hier* gibt es euren Begleiter.

 * Durch den Kauf über den Partner-Link kannst Du diesen Blog unterstützen und werbefrei halten. Für Dich entstehen keine Mehrkosten. Ganz herzlichen Dank – merci !

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert