Die Nationalversammlung von Paris. Foto: Hilke Maunder
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Législatives: die Wahl zur Assemblée Nationale

Bei des Législatives wählen die Franzosen die Mitglieder ihrer Nationalversammlung. Die Assemblée Nationale ist, sehr vereinfacht gesagt, das Gegenstück zum Deutschen Bundestag in Frankreich. Das Parlament besteht in Frankreich – wie in Deutschland –  aus zwei Kammern: der Nationalversammlung und dem Senat.

Nur die Nationalversammlung wird direkt vom Volk gewählt.  Die Wahl zum Sénat ist eine inhouse-Wahl. Bei ihr werden in den einzelnen départements (Verwaltungsbezirken) Abgeordnete gewählt, die dann die Mitglieder des Senats wählen.

Mehrheits- statt Verhältniswahl

In Frankreich werden bei den législatives alle Abgeordneten nach dem Mehrheitswahlrecht bestimmt. Das bedeutet: Entscheidend ist allein die Zahl der Sitze, die eine Partei erhält. Anders als bei der Verhältniswahl ist es völlig unbedeutend, wie viel Prozent der Wählerstimme eine Partei erhalten konnte.

Macron 2022: ohne absolute Mehrheit

Rund zwei Monate nach der Wahl des Staatspräsidenten mit la Présidentielle wurden die Franzosen 2022 wieder zu den Urnen gerufen. Die erste Runde der Législatives fand am 12. Juni statt. Da es kein klares Ergebnis gab, kam es am 19. Juni 2022 zur Stichwahl. Die Wahlbeteiligung betrug 47,5 Prozent. Sie lag damit zwar auf niedrigem Niveau, stieg aber im Vergleich zu 2017 deutlich an.

Die Wahlen der Assemblée nationale (Nationalversammlung) entscheidet, wie viel Macht der frisch gewählte Präsident tatsächlich hat. Macron erlitt 2022 diesmal eine Schlappe und verlor bei den Législatives 2022 die absolute Mehrheit. Das Lager von Emmanuel Macron erhielt nach den Parlamentswahlen am Sonntag 245 Sitze. Dies liegt damit deutlich unter der absoluten Mehrheit (289). Im Einzelnen kommen in der Koalition Ensemble! 170 Abgeordnete von Renaissance (ehemals LREM), 46 von MoDem, 26 von Horizons und drei vom Parti radical.

Zweitstärkste Kraft: NUPES

Als zweitstärkste politische Kraft in der Nationalversammlung erhielt die Nouvelle union populaire écologique et sociale (Nupes) 137 Sitze. Die Partei La France insoumise (LFI), die diesen Zusammenschluss der Linken initiiert hat, stellt mit 72 Parlamentariern das größte Kontingent an Abgeordneten. 26 Sitze entfallen auf Mitglieder des Parti Socialiste (PS).23 Abgeordnete erhält  Europe Écologie-Les Verts. Die Kommunistische Partei ist mit 12 Sitzen im Parlament vertreten.

Wahlgewinne für Ultra-Rechte

Der Rassemblement National (RN), die drittgrößte Partei der Wahl, schaffte einen spektakulären Durchbruch im Unterhaus des Parlaments. Die rechtsextreme Partei ist mit 89 Abgeordneten dort vertreten. Dies sind dreimal so viel wie der bisherige Rekord, den der Front National 1986 bei der Verhältniswahl aufgestellt hatte.

Emmanuelle Ménard, die im 6. Wahlkreis des Departements Hérault unter dem Label „extreme Rechte“ wiedergewählt wurde, dürfte ebenfalls in der künftigen Parlamentsfraktion sitzen.

Republikaner verlieren Sitze

Die Rechte erhält ihrerseits 64 Sitze in der neuen Versammlung. Den Republikanern gelang es, 61 Abgeordnete und ihrem Verbündeten UDI drei Abgeordnete ins Parlament zu bringen. In der vorangegangenen Legislaturperiode hatte die Rechte rund 100 Sitze.

Die unter dem Label divers droite gewählten Abgeordneten erhielten neun Sitze und die divers gauche 15 Sitze. Zehn Sitze entfallen auf regionalistische Abgeordnete.

Weniger Frauen als 2017

In der Nationalversammlung sind seit den législatives 2022 215 Frauen (37,26 Prozent) und 362 Männer (62,74 Prozent) vertreten. Zweidrittel der Angeordneten sind damit männlich. Der Plenarsaal 2022 ist damit nicht nur deutlich älter, sondern auch weniger weiblich.

In der 2017 gewählten Nationalversammlung waren 39 Prozent der Abgeordneten weiblich, 12 Prozentpunkte mehr als 2012 und mehr als dreimal so viele wie 2002, als sie nur knapp 12 Prozent der gewählten Abgeordneten stellten. Frankreich, das lange Zeit hinterherhinkte, hatte sich damals auf Platz 33 der 185 von der Interparlamentarischen Union eingestuften Länder in Bezug auf die Geschlechterparität vorgearbeitet.

Macrons Minister: bestätigt & abgewählt

Mehrere MinisterInnen wurden gewählt oder wiedergewählt: Premierministerin Élisabeth Borne, Innenminister Gérald Darmanin, Gesundheitsminister Olivier Véran, Regierungssprecher Gabriel Attal, Arbeitsminister Olivier Dussopt, Damien Abad (Minister für Solidarität, Autonomie und Menschen mit Behinderungen) und Clément Beaune, Staatssekretär für europäische Angelegenheiten von Frankreich seit 2020.

Drei Ministerinnen wurden abgewählt und mussten die Regierung verlassen: die Gesundheitsministerin Brigitte Bourguignon, die Staatssekretärin für das Meer, Justine Benin, und die Ministerin für den ökologischen Übergang, Amélie de Montchalin.

Die Eröffnung der öffentlichen Sitzung dieser XVI. Legislaturperiode fand am Dienstag, 28. Juni 2022, unter dem Vorsitz des Alterspräsidenten statt. Dies war auch der letzte Termin für die Gründung von Fraktionen. Am Folgetag wurden die 22 Mitglieder des Büros der Nationalversammlung ernannt.

Die Präsidentin der Nationalversammlung

Als Präsidentin der Nationalversammlung wählten die Abgeordneten eine Frau, die die Sorgen und Nöte der Franzosen gut kennt.

Yaël Braun-Pivet wurde am 7. Dezember 1970 in Nancy im Departement Meurthe-et-Moselle geboren. Als Enkelin eines polnischen Juden, der vor dem Antisemitismus der 1930er Jahre nach Nancy ausgewandert war, ist der Kampf für Gerechtigkeit ein zentraler Wert, die ihr persönliches und berufliches Engagement prägt.

Sozial engagiert

Nach ihrem Studium der Rechtswissenschaften an der Universität Nanterre begann sie ihre Karriere als Strafverteidigerin. Sie arbeitete zunächst in der Kanzlei von Rechtsanwalt Hervé Temime. Später gründete sie ihre eigene Kanzlei. Yaël Braun-Pivet hat fünf Kinder. Mit ihrer Familie ging sie für mehrere Jahre nach Taiwan, Portugal und Japan ins Ausland.

Zurück in Frankreich, zog sie ins Département Yvelines niederzulassen und begann, sich beiden Restos du Cœur zu engagieren. Dort bot sie kostenlose Anwaltsberatungen an, um den Zugang aller zu sozialen Rechten und zur Justiz zu gewährleisten. Außerdem gründete sie in Sartrouville eine Anlaufstelle für die Ärmsten der Armen, die sie so oft wie möglich besuchte.

Im Juni 2017 wurde sie mit dem Versprechen, Politik anders zu machen, zur Abgeordneten des 5. Wahlkreises des Départements Yvelines gewählt. Noch selben Jahr wurde sie zur Vorsitzenden des renommierten Rechtsausschusses der Nationalversammlung gewählt und war damit die zweite Frau in diesem Amt. Seit 2022 sitzt sie der Nationalversammlung vor.

Regieren ohne Mehrheit – wie geht das?

Das politische System Frankreichs ist semipräsentielle und vereint präsidentielle und parlamentarische Elemente Der Präsident verfügt dort über mehr Macht als sein deutsches Gegenstück, der Bundeskanzler. So kann es zu einer Patt-Situation kommen: Der Präsident ist zwar zum Staatschef gewählt, hat aber keine Mehrheit im Parlament – und daher weniger Macht.

Politisch regieren geht so nur in der Cohabitation (Zusammenleben). Nur dreimal geschah dies bislang  vor Macron in der Geschichte der V. Republik. Zuletzt war das von 1997 bis 2002 der Fall, als Jacques Chirac als konservativer Staatspräsident mit dem sozialistischen Premierminster Lionel Jospin Wege der Zusammenarbeit finden musste.

Ein zweiter Ausweg ist der Paragraph 49.3. Mit diesem juristischen Joker kann die Regierung durchboxen und das vom Volk gewählte Parlament einfach ignorieren.

Palais Bourbon: der Parlamentssitz

Frankreichs „Bundestag“ residiert im Palais Bourgbon an der Rive Gauche von Paris. Bis 1946 hieß die Assemblée Nationale noch Chambre des Députés (Abgeordnetenkammer). Doch schon damals war dort der Parlamentssitz. Erbaut wurde der Palais für Louise-Françoise de Bourbon, der legitimierte Tochter von Ludwig XIV. und Madame de Montespan. Auf Anraten ihres „Freundes“ Armand de Madaillan de Lesparre, Marquis de Lassay, kaufte sie dazu Grundstücke in der Nähe des Tuilerienschlosses, wo der junge König Ludwig XV. und sein Hofstaat während der Regentschaft residierten.

Der Palais Bourbon und das Hôtel de Lassay wurden zwischen 1722 und 1728 nach den Plänen des Architekten Giardini gebaut, den Lassay in Italien kennengelernt hatte. Doch jener verstarb, kaum dass die Arbeiten begonnen hatten. Sein Nachfolger wurde Lassurance, der jedoch zwei Jahre später ebenfalls starb. Die Herzogin übertrug daraufhin die Verantwortung für alle Arbeiten dem Architekten der Condé, Jean Aubert.

Von Adelspalast zur Volksvertretung

Während der Französischen Revolution wurde das Stadtpalais beschlagnahmt und umgebaut. Seit 1827 ist es Sitz des Parlaments. Zur Flussseite erhielt der Bau 1806  seine berühmte Seinefront mit ihrem zehnsäuligen Portikus. Ihre Monumentalplastiken stellen berühmte Minister französischer Könige dar (von links): Sully unter Heinrich IV., Michel de l’Hôpital unter Franz I., Henri II. d’Agnesseau unter Ludwig XV. und Colbert, Minister unter Ludwig XIV.

Die Allegorien im Giebelfeld, die Frankreich, eingerahmt von Freiheit und Ordnung zeigen, schuf Cortot 1839 –1841. Links und rechts der Freitreppe symbolisieren Minerva die Weisheit und Themis die Gerechtigkeit. Außerhalb der Sitzungszeiten des Parlaments könnt ihr den Palais Bourbon und seinen halbrunden Sitzungssaal besichtigen. Sehenswert ist auch die Bibliothek. Ihre Deckengemälde zur Zivilisation schuf der berühmte französische Maler Eugène Delacroix iin den Jahren 1838 bis 1847. Zu den Schätzen der Bibliothek gehören die Originalprotokolle vom Prozess gegen die Jungfrau von Orléans. Westlich des Palais de Bourbon schließt das vom Prinzen Condé 1722 –1724 erbaute Hôtel de Lassy an, heute die Residenz der Präsidentin der Assemblée Nationale.

Les Législatives: Wo wurde wie gewählt?

Bereits wenige Stunden nach der Wahl legt Frankreich die Übersicht der Wahlergebnisse aus den einzelnen Kommunen vor. Hier könnt ihr die Ergebnisse recherchieren und sehen:

Wahlergebnisse je Kommune (Le Monde)

Wahlergebnisse je Kommune (FranceInfo)

Die Wahlen in Frankreich

Die Parlamentswahlen sind nicht die einzigen Wahlen iin Frankreich. Wann, wie und was Frankreich wählt, stelle ich in diesen Beiträgen im Blog vor.

Les Législatives: die Parlamentswahlen in Frankreich

Hintergrund zum Ablauf und zu den Regeln wie auch der Finanzierung der Wahlen zur Nationalversammlung gibt es hier.

La Présidentielle: Frankreich wählt seinen Präsidenten

Alle fünf Jahre wählt Frankreich seinen neuen Präsidenten. Wie die Direktwahl erfolgt, erfahrt ihr in diesem Beitrag.

Les Régionales: die Regionalwahlen in Frankreich

Alle sechs Jahre wählen die Franzosen ihr regionales Parlament. Was ihr dazu wissen müsst? Klickt hier!

Les Municipales: Frankreich wählt – macht mit!

Bei den Kommunalwahlen dürfen in Frankreich auch alle EU-Bürger mitbestimmen, wer künftig im Stadt- oder Gemeinderat sitzt. Voilà die Infos.

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