Livradois-Forez: mit Natur gegen Landflucht

In der Talsenke, am Ufer der Dore: ein kleines Bergdorf. Foto: Hilke Maunder
In der Talsenke, am Ufer der Dore: ein kleines Bergdorf. Foto: Hilke Maunder

Unterwegs auf der D 906 von Le Puy-en-Vélay via Ambert nach Thiers. Die Departementstraße durchquert den regionalen Naturpark Livradois-Forez auf seiner gesamten Länge. Von Süden nach Norden führt sie vom Puy-de-Dôme ins nördliche Département Haute-Loire.

Bei Jabrel. Foto: Hilke Maunder
Bei Jabrel. Foto: Hilke Maunder

Offene Hochplateaus mit weitem Blick prägen das weite, einsame Land. Nach Ambert vereinigt sich die Dore mit der Straße und der Eisenbahn. Gemeinsam durchqueren sie die enge Passage zwischen der alten Provinz Forez und dem Livradois-Gebirge. Immer schmaler wird die Dore, springt über Kaskaden, wird lauter, wilder.

Livradois-Forez. Foto: Hilke Maunder
Foto: Hilke Maunder

Nur wenige Orte säumen den Weg. Wie Olliergues, das auf seinem Burghügel in der Mulde eines trockenen Mäanders liegt. Papiermühlen und Webereien sorgten einst für Auskommen. Heute liegt Stille über dem Land, unterbrochen einzig vom Holzeinschlag und dem Rauschen der Dore.

Riesiger Naturpark

Der regionale Naturpark, der 1986 im Osten der Auvergne gegründet wurde, ist einer der größten Frankreichs. 322.000 Hektar umfasst er. In seinen 170 Gemeinden leben 110.000 Einwohnern in zwei Départements.

Größter Naturpark des Landes ist der PNR Vulkane der Auvergne. Mit fast 400.000 Hektar erstreckt er sich in den Départments Cantal und Puy-de-Dôme.

Livradois-Forez. Foto: Hilke Maunder
Foto: Hilke Maunder

Im 19. Jahrhundert war dieser ländliche Raum noch sehr dicht besiedelt. Neben Ackerbau und Viehzucht entwickelten sich ab dem 15. Jahrhundert  dank des Reichtums an Wasser erste Handwerksbetriebe.

Die Industrialisierung brachte Fabriken für Textilien, Leder, Papier, Kleinmetallurgie und Schneidwaren. Thiers gilt bis heute als Frankreichs Hauptstadt der coutellerie, der Messerkunst und Besteckfertigung.

Livradois-Forez. Foto: Hilke Maunder
Foto: Hilke Maunder

Lost places im Wald

Der Niedergang der Landwirtschaft und die Landflucht veränderten im 20. Jahrhundert die Region grundlegend. Heute besteht die Hälfte des Gebiets von Livradois-Forez aus ausgedehnten Waldgebieten. Traditionell gewachsene Wälder und neue Forste stehen dort nebeneinander.

Vom wirtschaftlichen und sozialen Niedergang erzählen die Zeugnisse entlang der Lebensader D 906. Geschlossene Cafés, verrammelte Hotels, Tankstellen mit Zapfstellen, die noch französische Francs  ausweisen, Autowracks und leere Fenster.

Livradois-Forez. Foto: Hilke Maunder
Foto: Hilke Maunder

Die Naturpark brachte den Aufbruch. Seine Motto hält seine erste Charta fest: Von der Hilfe zur Selbstentfaltung. 35 Jahre später hat sich der Blick der Bewohner auf ihre Region verändert.

Sehnsucht statt Landflucht

Die Resignation ersetzt immer stärker eine Sehnsucht. Die Sehnsucht, in Livradois-Forez zu leben und zu arbeiten. Es zu entdecken und zurückzukehren. Und sich dort niederzulassen und zu bleiben.

Livradois-Forez. Foto: Hilke Maunder
Foto: Hilke Maunder

Aus den Ballungsräumen Clermont-Ferrand und dem Allier-Tal ziehen wieder Menschen nach Livadrois-Forez. Doch noch immer leidet der Landstrich unter Überalterung. Zu langsam vollzieht sich der  Wandel der handwerklichen und industriellen Strukturen.

Livradois-Forez. Foto: Hilke Maunder
Foto: Hilke Maunder

Globale Krisen zerstören Leben

Auch in Livradois-Forez sind die großen globalen Probleme zu spüren. Auch hier vollzieht sich  die Erosion der Biodiversität. Pflanzen und Tierarten werden weniger. Die  genetische Vielfalt der Arten verringert sich.

Lebensräume werden zerstückelt und verschwinden. Der Apollon du Forez ist seit kurzem ausgestorben. Verschwunden für immer – eine Schmetterlingsart, die Jahrtausende lang in den Hautes-Chaumes endemisch gewesen ist.

Livradois-Forez. Foto: Hilke Maunder
Foto: Hilke Maunder

Der Klimawandel, das drohende Ende von natürlichen Ressourcen wie dem Wasser: Auch das spüren die Menschen im Livradois-Forez bereits. Sie wollen ein anderes Leben erfinden.

Ein Leben, das Erbe und die Ressourcen des Livradois-Forez respektiert. Wo Genügsamkeit mit Erfüllung verbunden ist. Möglich machen  soll diesen tiefgreifenden Kulturwandel  der Naturpark.

Livradois-Forez. Foto: Hilke Maunder
Foto: Hilke Maunder

Der Naturpark ist Klammer und Werkzeug. Er fördert neue Formen des Wirtschaftens und des nachhaltigen Lebensstils. So will er das natürliche, kulturelle und landschaftliche Erbe des Livradois-Forez schützen.

Einsame Torfmoore,  die Bergmoore der Hautes-Chaumes du Forez, geheimnisvolle Auenwälder, die trockenen Hügel und Hänge der Limagne, natürliche Heuwiesen und Wasserläufe, ungebunden wie einst. Die Natur von Livradois ist besonders. Sie prägt das Land, die Identität. Die Zukunft.

Livradois-Forez. Foto: Hilke Maunder
Foto: Hilke Maunder

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Im Blog

Die Diagonale der Leere

Von Strommasten überspannte Felder. Wohngebiete im Einheitslook. Gewerbegebiete im Grünen. Straßen ins Nirgendwo. Nicht-Orte, die sich in Frankreich einmal quer durchs Land ziehen. Die imaginäre Linie der Diagonale du Vide. Hier habe ich das typisch französische Phänomen vorgestellt.

Käse der Auvergne: Fourme d'Ambert. Foto: Hilke Maunder
Fourme d’Ambert – zu kosten und kaufen in der Maison du Fourme. Foto: Hilke Maunder

Fourme d’Ambert & Co.

Ambert ist die Heimat des Fourme d’Ambert. Die Käsekönige der Auvergne habe ich hier vorgestellt.

La Chaise-Dieu

Der kleine Ort besitzt eine große Abtei, die für ihr Musikfestival berühmt ist. Vor ihren Stufen findet ihr das wohl schrägste Café Frankreichs. Infos und Impressionen gibt es hier.

La Chaise-Dieu: Pascal Simonutti vom Symbialys. Foto: Hilke Maunder
Pascal Simonutti vom Symbialys. Foto: Hilke Maunder

Im Buch

Pierre Péju: die Diagonale der Leere

La Diagonale du Vide*

Marc Travenne hat genug vom hektischen Leben als Designer und Geschäftsmann, genug von der Großstadt.  Er zieht sich in eine Hütte zurück, die verloren auf einem windigen Plateau in der Ardèche liegt. Eine fremde Frau stört dort schon bald seine Einsamkeit. Seit Tagen wandert sie auf der Diagonale der Leere durch Frankreich, diesem schmalen Landstreifen, der das Land von den Landes bis zu den Ardennen durchschneidet.

Schnörkellos, klar und einfach, beschreibt Pierre Péju ihre Begegnung und ihre Wege. Und doch unglaublich poetisch. Mit genauen Beobachtungen und  stillen Worten erzeugt er Spannung, zeichnet meisterhaft seine Figuren, und nimmt euch mit auf die Reise durch die leere Diagonale.

Und kennt ihr einen Ausdruck, eine Redensart oder ein Wort nicht, wirft euch das Tablet oder der eReader gleich die deutsche Übersetzung aus. Nur Mut – es lohnt sich! Wer mag, kann den Roman online hier als Taschenbuch* oder als  Kindle-eBuch bestellen.

MARCO POLO Frankreich*

Einfach aus dem Besten auswählen und Neues ausprobieren, ist das Motto der Marco Polo-Reiseführer. Den MARCO POLO Frankreich* habe ich vor vielen Jahren von Barbara Markert übernommen und seitdem umfassend aktualisiert und erweitert.

Freut euch auf neue Insidertipps, neue Reiseziele, frischen Hintergrund und viele Erlebnisvorschläge für Aktive und Entdecker – von Lichterkunst in Bordeaux’ U-Boot-Basis bis zum Wanderungen unter Wasser.

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"Auvergne:

Merci fürs Teilen!

2 Kommentare

  1. Hallo Hilke, ein sehr schöner und einfühlsamer Bericht, der Lust macht, diesen Flecken Frankreichs zu erkunden! Leider vermisse ich bei Deinem Bericht „Mein Frankreich“ den Link zu dem Bericht von Frau Schoch oder habe ich diesen übersehen🤔. Beste Grüße aus dem Süd-Westen, Oliver

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