Fachwerk in Himmelsfarben, Schiefer und Granit: die typische Architektur der alten Salzstadt Guérande. Foto: Hilke Maunder
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Guérande: die alte Salzstadt

Helle Hügel flimmern in der Hitze der Guérande-Halbinsel. Hellrosa bis graublau leuchten die Salinen unter dem hohen Himmel. Die sommerliche Hitze lässt das Land flirren.

Gwen rann – weißes Land – nannten einst die Bretonen diesen Landstrich. Seit mehr als 1.500 Jahren kratzen hier die paludiers das weiße Gold des Mittelalters aus ihren Gärten: Salz.

Hauptstadt und Handelsplatz ist bis heute Guérande. Die kreisförmige Kleinstadt liegt zentral zwischen dem Naturschutzgebiet Grande Brière und den Badestränden von La Baule.

Die Salzgärten des Marais Salants zwischen Guérande und Batz-sur-Mer
Die Salzgärten zwischen Guérande und Batz-sur-Mer

Einst bretonisch, gehört sie heute administrativ zum Département Loire-Atlantique der Pays de la Loire. Doch im Herzen sind sie Bretonen geblieben.

Die Hauptstadt der Halbinsel war einst die Lieblingsstadt der Herzöge der Bretagne. Heute lockt Guérande die Touristen. Auch Künstler sind begeistert.

Stadtmauer mit Weitblick

Bis heute umgibt eine wuchtige Stadtmauer aus dem 14. und 15. Jahrhundert die verkehrsberuhigte Altstadt. Wo heute der Verkehr rund um die Ringmauer rollt, sorgten bis ins 18. Jahrhundert Wassergräben für zusätzlichen Schutz. Nur zwei sind heute noch davon erhalten.

Bei einem Spaziergang auf den Festungsmauern könnt ihr weite Panoramablicke auf die Stadt und die Salzgärten genießen. Rund eine Stunde dauert die 1,4 Kilometer lange Runde in fünf Meter Höhe vorbei an an mehreren Türmen und Bastionen.

Die Porte Saint-Michel, der Hauptzugang zu <em>ville close</em>. Foto; Hilke Maunder
Die Porte Saint-Michel, der Hauptzugang zu ville close. Foto: Hilke Maunder

Der Haupfaufgang befindet sich bei der Porte Saint-Michel, die zwei mächtige Türme flankieren. Hinauf kommt ihr auch an der Porte Vannetaise am Südwestende des Rundgangs und die Porte Bizienne im Nordosten.

Das imposante Osttor diente einst als Gouverneurspalast, Gefängnis und Herzogsbleibe. Heute residiert hier das Regionalmuseum Musée du Château de Guérande.

Im Innern der Ville Close

Hinein in die alte befestige Stadt kommt ihr nur durch diese vier Tore. Schmale Gassen und kleine Plätze prägen die malerische ville close, die „geschlossene“, sprich, befestigte Altstadt. Hauptgeschäftsstraße ist die Rue Saint-Michel. Sehenswert sind auch die Rue du Saint-Esprit und Rue du Vieux Marché.

Im Schnittpunkt der vier Torstraßen erhebt sich seit dem 12. Jahrhundert die Stiftskirche Saint-Aubin mit ihrem 56 Meter hohen Glockenturm. Die Südseite ziert eine Vorhalle im Flamboyant-Stil.  Schnitzereien und Skulpturen schmücken die gesamte Fassade. Eine davon zeigt denHeiligen Aubin, den Schutzpatron der Kirche.

Die Legende von Saint-Aubin

Das Tor zur Église Saint-Aubin. Foto: Hilke Maunder
Das Tor zur Église Saint-Aubin. Foto: Hilke Maunder

Aubin von Angers, der im 5. Jahrhundert lebte, soll aus dem Pays Guérandais stammen. Er war für seine Frömmigkeit bekannt und wurde zwischen 530 und 550 bis zu seinem Tod zum Bischof von Angers ernannt. Posthum (!) soll der Geistliche in Guérande ein Wunder bewirkt haben – im Jahr 919.

Damals fielen die Wikinger in Guérande ein. Die Einwohner jedoch waren feige und flüchteten vor den als grausam und gewalttätig verufenen Nordmännern in die Stiftskirche.

Der Turm der Église Saint-Aubin. Foto: Hilke Maunder
Der Turm der Église Saint-Aubin. Foto: Hilke Maunder

Dort wandten sie sich hilfesuchend an Saint Aubin. Der Legende nach stieg ein weißer Ritter vom Himmel herab und sprach zu den Einwohnern Mut zu.

Innerlich gestählt, griffen sie zu den Waffen und vertrieben die Wikinger aus der Region, ohne einen einzigen Toten in ihren Reihen zu beklagen. Als sie dem weißen Ritter danken wollten, war er verschwunden. Daraus wurde geschlossen, dass es Saint-Aubin war, der die Bewohner von Guérandais gerettet und die Stadt vor der Zerstörung bewahrt hatte.

Heilige Prozession

Im Schatten der Stiftskirche liegt die Place du Vieux Marché. Bis ins 19. Jahrhundert wurden hier vor allem verstorbene Kinder und Priester beigesetzt. Genau hier stellte Nicolas Fedorenko seine Stahlskulpturen auf. Als stille, stilisierte Prozession der Einwohner von Guérande erinnern sie seit 2005 an die Heiligkeit dieses Ortes.

Eine Prozession in Kortenstahl: die Skulpturen von Fedorenko. Foto: Hilke Maunder
Eine Prozession in Kortenstahl: die Skulpturen von Fedorenko. Foto: Hilke Maunder

Auch, wenn sein russisch klingender Name es anders vermuten lässt, ist Fedorenko ein waschechter Bretone. 1949 in Guimiliau geboren, lebt und arbeitet er heute in Pont-Croix.

Seit 1981, wo er im PS1 von New York seine erste Einzelschau hatte, ist das Werk des Künstlers regelmäßig auf Gruppen- und Einzelausstellungen zu sehen. Hauptberuflich unterrichtet Fedorenko als Professor an den Kunstschulen von Brest, Angers und Grenoble.

Die Stahlskulpturen von Nicolas Fedorenko erinnern seit 2005 als stille (stilisierte) Prozession der Einwohner von Guérande an die Heiligkeit dieses Ortes und die Menschen, die einst hier begraben wurden. Foto: Hilke Maunder
Die Stahlskulpturen von Nicolas Fedorenko erinnern seit 2005 als stille (stilisierte) Prozession der Einwohner von Guérande an die Heiligkeit dieses Ortes und die Menschen, die einst hier begraben wurden. Foto: Hilke Maunder

Buntes Markttreiben

Die Place du Vieux Marché säumen einige der stattlichsten Stadtpalais von Guérande. Marktzeit in Guérande ist heute mittwochs samstags. Dann ist die Markthalle von Guérande geöffnet und erobernt die Stände der lokalen Händler auch das Freigeländer der Place Saint-Aubin und der Rue Vannetaise.

Die Markthalle in der Cité von Guérande. Foto: Hilke Maunder
Die Markthalle in der Cité von Guérande. Foto: Hilke Maunde

Die Marais Salants

Seit gallo-gallo-römischer Zeit erstreckten sich vor den Toren der Stadt die Salzgärten, ein Mosaik aus Hunderten Salzbecken auf 2.000 Hektar. Ursprünglich brandete hier einst See, aus dem nur einige Inseln herausragten.

Veränderungen im Meeresspiegel und ständige Ablagerungen von Schlamm und Sand bei jeder Flut sorgten dafür, dass die Inseln allmählich zu Festland wurden.  Einzig der schmale Durchlass an der Spitze der Landzunge bei Le Croisic, durch den bei jeder Flut nach wie vor Meerwasser ins Binnenland strömt, verhindert jedoch die völlige Verlandung.

Batz an der Côte Sauvage

Am Horizont tauchen über den Salzbecken des Marais Salants derGuérande-Halbinsel der Kirchtzurm von Batz-sur-Mer auf. Foto: Hilke Maunder
Am Horizont tauchen über den Salzbecken des Marais Salants derGuérande-Halbinsel der Kirchtzurm von Batz-sur-Mer auf. Foto: Hilke Maunder

Aus dieser fast unwirklichen Landschaft erhebt sich seit 1677 am Horizont der Glockenturm der Église Saint-Guénolé  von Batz-sur-Mer. 60 Meter hoch erhebt er sich genau dort, wo einige Sandstrände die felsigen Klippen der Côte Sauvage unterbrechen.

182 Stufen führen hinauf zu einer 360°-Aussicht. Besonders prachtvoll ist der Panoramablick über die in der Sonne flimmernden Salzgärten bis zur Belle-Île am Nachmittag

Die Arbeit der Salzbauern

Sehenswert: das Musée des Marais Salants in Batz-sur-Mer, das über die Salzgewinnung in Salzgärten ringsum informiert.
Sehenswert: das Musée des Marais Salants in Batz-sur-Mer, das über die Salzgewinnung in Salzgärten ringsum informiert. Foto: Hilke Maunder

Mit rotem Mobiliar, Trachten, Gemälden und Porzellan zeigt das Musée Intercommunal des Marais Salants, wie die paludiers im 19. Jahrhundert lebten und arbeiteten. Hautnahe Einblicke in die heutige Arbeit der Salzbauern gewährt hautnah das Museum Terre de Sel der Salzkooperative von Pradel, das auch Führungen in den Marais Salants anbietet.

Ein typischer Salz-Ort ist auch Saillé. Und natürlich besitzt auch er ein Salzmuseum: die Maison des Paludiers, das Haus der Salzarbeiter – auch hier gibt es Führungen durch die Salzgärten!

Das frisch gewonnene Salz aus den Becken des Marais Salants bei Guérande. Foto: Hilke Maunder
Das frisch gewonnene Salz aus den Becken des Marais Salants bei Guérande. Foto: Hilke Maunder

Der Salzhafen der Guérande

Verschifft wurde das Salz der Guérande ab dem 15. Jahrhundert über den Hafen von Le Croisic. Spanien, England, den Niederlanden und Skandinavien waren Ziele der Salzschiffe. Ihr Ballast wurde aufgeschüttet – und bildet heute die Aussichtshügel Mont Esprit und Mont Lénigo am Ende des Hafens.

Als die Industrialisierung die Luft der Städte verpestete, kam Le Croisic als Seebad in Mode, und selbst die Pariser konnten dank des Anschlusses an die Bahn dort nun gesunde, jodhaltige Seeluft atmen und die alten Häuser bewundern, die das langgezogene Ferienstädtchen in der Altstadt um die Grand’Rue und die Rue des Bains und entlang der Uferpromenade bewahrt hat.

Das frisch gewonnene Salz aus den Becken des Marais Salants bei Guérande. Foto: Hilke Maunder
Am Hafen von Le Croisic. Foto: Hilke Maunder

Riesenrochen und putzige Pinguine

Was sich in den Weltmeeren tummelt, verrät das Océarium der Petite Cité de Caractère in der Avenue de Saint-Goustan. Ein Unterwasertunnel führte mitten durch ein riesiges Becken, in dem Seeaale, Riesenbarsche und Haifische um Granitfelsen schweben. Nur hier lassen sich in Europa so viele pazifische Riesenrochen beobachten: 100 Tiere aus vier Arten!

Auch der Bau des Beckens, in dem sie seit 2023 daheim sind, ist einzigartig. Es wurde in Japan aus besonders festem Meta-Acryl gefertigt, 20 Zentimeter dick, 14 Meter lang, 3,30 Meter hoch und elf Tonnen schwer.

Insgesamt sind rund 4000 Fische und Meeressäuger in den 56 Becken des Aquariums daheim, darunter auch 19 Haie und 25 Pinguine. Ein seltenes lebendes Fossil ist der 1972 gefangene Quastenflossler.

Der schlafende Felsenbär der wilden Küste von Le Croisic. Foto: Hilke Maunder
Der schlafende Felsenbär der wilden Küste von Le Croisic. Foto: Hilke Maunder

Das Erbe des Atlantikwalls

Während des Zweiten Weltkriegs fürchteten die deutschen Besatzer eine mögliche Invasion der Alliierten vom Meer aus. Zum Schutz bauten sie auch auf der Halbinsel ihren Atlantikwall.

Besonders stark befestigt wurde die Hafenstadt Le Croisic, die sie mit Bunkern und Geschützstellungen umgaben. Auch die Pointe de Merquel und die Pointe de Pen-Bron erhielt umfangreiche Bunker- und anderen Verteidigungsanlagen.

Le Grand Blockhaus

Vorhänge, Fenster und Dach tarnten im Zweiten Weltkrieg den Kommandoposten des Atlantikwalls als „Hotel“. Ursprünglich hatten es die Franzosen in den 1930er Jahren als Teil der Maginot-Linie gebaut, einem System von Befestigungsanlagen entlang der französischen Grenze zu Deutschland.

Nach dem Fall Frankreichs im Jahr 1940 übernahmen die Deutschen jedoch die Kontrolle über den Bunker. Mit der modernsten Technik seiner Zeit bauten sie ihn als Drehscheibe für die Koordinierung der deutschen Verteidigungsanlagen entlang der Küste aus.

Nach dem Krieg aufgegeben, verfiel das Blockhaus, bis eine Gruppe Geschichtsinteressierter in den  1980er-Jahren seine Geschichte erforscht – und damit den Grundstein legten für das heutige Museum.1994 wurde es eröffnet.

Im Inneren vermittelt es seitdem authentische Einblicke in den 300 Quadratmeter großen Befehlsstand, ausgerüstet mit Funkstelle, Waffenkammer, Maschinenraum und Schlafsälen.

Guérande: meine Reisetipps

Die Altstadt von Guérande: So zeigt sie der Plan. Foto: Hilke Maunder
Die Altstadt von Guérande: So zeigt sie der Plan. Foto: Hilke Maunder

Hinkommen

Bahn

Die nächstgelegenen Bahnhöfe befinden sich in La Baule (7 k m), Batz-sur-Mer (10 km) und Le Croisic (13 km).

Schlemmen und genießen

L’Agapé

Nur wenige Schritte von den berühmten Porte Saint-Michel entfernt, zaubert Sébastien in seinem modernen Bisto aus regionale Zutaten wie Schwein udn Buchweizen, Algen oder Fang des Tages, garniert mit fernen Aromen wie Ingwer, Zitronengras oder Kokosnuss eine köstliche moderne Küche.
• 11, Faubourg Saint-Michel, 44350 Guérande, Tel. 02 40 11 78 78, https://lagapebistrot.com

brut.

Der Name verrät’s: Die Speise von X sind reduziert auf das Wesentliche – raffinierte Miniaturen für alle Sinne.
• 16, rue des Prés-Garniers, 44350 Saillé, Tel. 02 40 42 33 10, www.restaurantsbrut.com

L’Estacade

Gegenüber der Fischauktionshalle findet ihr diese empfehlenswerte Restaurant des gleichnamigen Dreisternehotels, das 2014 Charles und seine Lebensgefährtin Laura  übernommen haben. Am Herd steht Charles Beckel, der bei großen Küchenchefs wie Régis Marcon, Jérôme Nutile und Éric Pras seine Kochkunst verfeinerte.

Auf der Karte stehen lokale Spezialitäten wie die Coquillages du Traict du Croisic, Bœuf de Brière, Pigeons de Mesquer und der frische Fang der Fischauktion in Le Croisic). Dafür gab es von Michelin 2019 und 2022 den  Bib Gourmand.
• 4, quai du Lénigo, 44490 Le Croisic, Tel. 02 40 23 03 77, https://lestacade.fr

Hier könnt ihr schlafen*

Booking.com

Der Blick auf das alte Herz von Guérande von der Stadtmauer. Foto: Hilke Maunder
Der Blick auf das alte Herz von Guérande von der Stadtmauer. Foto: Hilke Maunder

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Die zweitgrößte Moorlandschaft Frankreichs ganz in der Nähe der Salzgärten von Guérande habe ich hier vorgestellt.

Der wilde Charme der Grande Brière

Im Buch

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3 Kommentare

  1. In München gibt es eine s Bahnstation mit Namen Leuchtenbergrbing.
    Eugene von Leuchtenberg war der Stiefsohn von Napoleon Bonaparte.

    1. Ja, die U-Bahnstation kenne ich – wusste aber nichts von der Verbindung zu Frankreich. Danke für die Info! Ein paar der französischen Seiten Frankreichs habe ich hier zusammengestellt: https://meinfrankreich.com/muenchen/. Wenn auch da Ihnen/Dir noch etwas einfällt, würde ich mich sehr freuen! Merci und viele Grüße, Hilke

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