Der alte Hafen von Honfleur diente Eugène Boudin oft als Motiv. Foto: Hilke Maunder
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Eugène Boudin und die Impressionisten

Eugène Boudin gilt als einer der wichtigsten Vorläufer der Impressionisten. Bei ihm lernte Claude Monet das Malen – und fand in ihm ein Vorbild, das ihn formte und inspirierte. Voilà eine Zeitreise auf den Spuren von Eugène Boudin in Honfleur, Le Havre und an der Côte Fleurie.

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Raus aus der Stadt, hinein in die Natur! Jean-François Millet, Jean-Baptiste-Camille Corot und Théodore Rousseau waren die ersten, die der Großstadt Paris den Rücken kehrten und sich am Wald von Fontainebleau niederließen.

Ihre neue Heimat, das Dörfchen Barbizon, wurde zum Vorbild für rund 200 Künstlerkolonien auf dem Lande, die sich ab Mitte des 19. Jahrhunderts in ganz Europa bildeten – und Kristallisationspunkte für die internationale Moderne wurden.

In Nordfrankreich bannten die Künstler Landschaften des Lichts auf die Leinwand. Im Seine-Tal stand die Wiege des Impressionismus. Möglich wurde die Befreiung der Kunst von den Fesseln der Stadt erst durch zwei Erfindungen: die Bahn und die Ölfarbe aus der Tube. Jetzt konnten die Künstler sur le motif arbeiten, unter freiem Himmel, direkt am Sujet.

Ein früher Freiluftmaler

Das Geburtshaus von Eugène Boudin in Honfleur. Foto: Hilke Maunder
Das Geburtshaus von Eugène Boudin in Honfleur. Foto: Hilke Maunder

Zu den ersten Freiluftmalern gehörte auch Eugène Boudin (1824 – 1889), der seine Staffelei in seiner Heimatstadt Honfleur aufstellte. Am 12. Juli 1824 wurde er in dem Hafenstädtchen an der Mündung der Seine geboren. Eine kleine Gedenktafel erinnert an seinem Geburtshaus in der Rue Boudin an diesen Tag.

Boudin stammte aus bescheidenen Verhältnissen. Als Sohn eines Hafenlotsen arbeitete er bereits im Alter von zehn Jahren als Schiffsjunge auf einer dampfgetriebenen Fähre zwischen Le Havre und Honfleur.

1835 zog die Familie nach Le Havre, wo Boudins Vater einen Laden für Schreibwaren und Bilderrahmen eröffnete. Auch dort half der junge Eugène mit, die Familie zu ernähren, ehe er später ein eigenes Geschäft führte.

Eugène Boudin lernte einige Kunstmaler aus der Gegend kennen und begann, ihre Bilder in seinem Laden auszustellen. Maler wie Constant Troyon, Jean-François Millet und Eugène Isabey ermutigten Eugène Boudin, selbst einmal zum Pinsel zu greifen.

Die Boudin-Büste findet ihr an der Straßenecke Rue Boudin beim Geburtshaus. Foto: Hilke Maunder
Die Boudin-Büste findet ihr an der Straßenecke Rue Boudin beim Geburtshaus. Foto: Hilke Maunder

Die Heimat als Motiv

Inspirieren ließ sich der junge Mann von dem, was er daheim vor seinen Augen sah: Honfleur mit seinen malerischen Gassen und dem geschäftigen Hafen. Die wechselnden Lichtverhältnisse, die Reflexionen im Wasser und die sich ständig verändernde Stimmung des Meeres dienten als perfekte Kulisse für seine frühimpressionistischen Werke.

Eugène Boudin bannte die Straßen von Honfleur wie die Rue Haute oder Rue Varin aufs Bild, den malerischen Vieux-Port, die markante Holzkirche Sainte-Catherine und das immer wechselnde Stimmungsbild am hohen normannischen Himmel.

Mit Schiefer verkleidet: die Häuser am alten Hafen von Honfleur. Foto: Hilke Maunder
Mit Schiefer verkleidet: die Häuser am alten Hafen von Honfleur. Foto: Hilke Maunder

Häfen, Klippen und Küsten

Zu seinen Lieblingsmotiven gehörten die Strände von Trouville und Deauville an der Côte Fleurie. Le Havre bot dem Künstler eine breitere Palette von Motiven. Der pulsierende Seine-Hafen faszinierte Eugène Boudin mit seinen belebten Kajen, seinen großen Segelschiffen und dem geschäftigen Treiben der Menschen.

Die Staffelei am Kai, fing er flüchtige Momente ein und hielt sie mit ihren natürlichen Lichtverhältnissen und voller Atmosphäre direkt auf der Leinwand fest.  Mit 22 Jahren gab er sein Geschäft auf und arbeitete ausschließlich als Maler.

Vorbild für Claude Monet

Sainte-Catherine - ein traumhaft schöner Bau aus Holz. Foto: Hilke Maunder
Sainte-Catherine – ein traumhaft schöner Bau aus Holz. Foto: Hilke Maunder

Der erklärte Lieblingsplatz des Königs des Himmels war jedoch die Ferme Saint-Siméon, wo sich er gemeinsam mit Gustave Courbet, Eugène Isabey und Johan Barthold Jongkind malte und zum Lehrmeister eines talentierten Jungen wurde, der später über ihn sagen sollte: „Wenn ich male, dann nur für Eugène Boudin, weil ich ihn verehre.“

Geäußert hat dies Claude Monet, der Vater der französischen Impressionisten. In Boudin fand er sein Vorbild. Dessen lebendige Farben und lockeren Pinselstriche verliehen den Bildern eine frische und spontane Ausstrahlung. Seine Beobachtungsgabe und die Fähigkeit, die flüchtigen Eindrücke der Natur einzufangen, machten ihn zu einem Wegbereiter für die späteren Impressionisten.

Die einstige Gutsanlage der Ferme Saint-Siméon an der 20, rue Adolphe Marais hat sich längst zu einem luxuriösen Fünfsternehotel mit 34 Zimmern und Suiten gewandelt und birgt eines der besten und stimmungsvollsten Restaurants der Normandie. „Oh, Saint-Siméon„, hatte Eugène Boudin einst einmal in seinen Notizbüchern schwärmerisch geseufzt – und dies würde ihm wohl wieder entfahren, wenn er heute bei Matthieu Pouleur zu Gast wäre.

Das stadtgeschichtliche Museum. Foto: Hilke Maunder
Das stadtgeschichtliche Museum. Foto: Hilke Maunder

Atmo, Licht und Farbe

Eugène Boudin hat durch seine innovativen Ansätze und seine enge Verbindung zur Natur einen bleibenden Einfluss auf die Entwicklung der französischen Kunst ausgeübt. Seine Werke aus Honfleur und Le Havre sind nicht nur künstlerische Meisterstücke, sondern auch zeitlose Zeugnisse einer Ära, in der die Freiluftmalerei eine neue Ära in der Kunst einläutete.

74 Jahre alt, starb Eugène Boudin am 8. August 1898. Sein Grab findet ihr nicht in Honfleur oder Le Havre, sondern auf dem Cimetière Saint-Vincent von Montmartre in Paris.

In der Altstadt von Honfleur. Foto: Hilke Maunder
Auch in der Altstadt von Honfleur fand Eugène Boudin viele Motive. Foto: Hilke Maunder

Eugène Boudin im Museum

Das Gros der Werke von Eugène Boudin hängt heute am Nordufer der Seine im Musée d’Art Moderne André Malraux (MuMa) von Le Havre, das auch zahlreiche weitere Arbeiten der Impressionisten und anderer normannischer Maler ausstellt.

In Honfleur birgt eine Kapelle aus dem 19. Jahrhunderten, die zwei modernen Anbauten erhielt, das Musée Eugène Boudin an der Place Erik Satie. Dort sind 53 Werke von Eugène Boudin – und 17 Gemälde seiner Freunde – zu bewundern.

In der Pharmacie du Passocean gab es Mittel gegen Seekrankheit. Foto: Hilke Maunder
In der Pharmacie du Passocean gab es Mittel gegen Seekrankheit. Foto: Hilke Maunder

Auf den Spuren von Eugène Boudin in Honfleur

Betrachtet die Arbeiten der Maler in diesen beiden Museen – und lasst euch dann, die Werke Boudins im Hinterkopf, durch die Gassen von Honfleur treiben.

Wahrzeichen der Stadt ist das alte Hafenbecken Le Vieux Bassin mit den pittoresken Häuser des Quai Sainte-Cathérine, der zum Musée de la Marine umgestaltete Kirche Saint-Étienne aus dem 14./15. Jahrhunderten, dem früheren Stadttor La Lieutenance aus dem 16. Jahrhundert und einstigen Salzspeichern aus dem 17. Jahrhundert.

Seit 2016 die Straße des Savoir-vivre und Lifestyle à la française: die Rue Cachin. Foto: Hilke Maunder
Seit 2016 die Straße des Savoir-vivre und Lifestyle à la française: die Rue Cachin. Foto: Hilke Maunder

Bummelt danach auch einmal weiter den Hang hinauf. Schlendert auch einmal abseits der breiten Einkaufsstraße Rue de la République. Macht von dort auch einen Abstecher in die Rue Cachin mit ihren Galeristen, Tattoo- und Antiquitätenshops und ihren blühenden Straßenrändern. 2016 wurde sie verkehrsberuhigt, saniert und wieder zum Schmuckstück.

Bummelt danach von der Altstadt hin zur Seine-Promenade von Honfleur. So kommt ihr hin zum einem typisch französischen Garten, der örtlichen Berühmtheiten vorstellt. Natürlich fist auch Eugène Boudin unter den Büsten des Jardin des Personnalités

Der Strand Plage du Butin an der Seine-Mündung von Honfleur. Foto: Hilke Maunder
Der Strand Plage du Butin an der Seine-Mündung von Honfleur. Foto: Hilke Maunder

Die Seinepromenade bringt euch bis zu einem  strahlend weißen, nostalgischen Leuchtturm – und zu Le Spot, der lässigen Strandbar der Plage du Butin. Bei Ebbe könnt ihr hier herrlich am Strand entlang wandern und die Aussicht auf den gegenüberliegenden Hafen von Le Havre genießen.

Die beste Aussicht auf Stadt, Seinemündung und die eindrucksvolle Schrägseilbrücke Pont de Normandie bietet sich vom Mont Joli , den seit 1615 die Pilgerkapelle Notre-Dame-de-Grâce (1615) bekrönt.

Bei Eugène Boudin in Honfleur: meine Reisetipps

Schlemmen direkt in der Wasserkante: In Honfleur säumen Restaurants dicht an dicht die Kais des Vieux-Port. Foto: Hilke Maunder
Schlemmen direkt in der Wasserkante: In Honfleur säumen Restaurants dicht an dicht die Kais des Vieux-Port. Foto: Hilke Maunder

Schlemmen

La Fleur de Sel

Vincent Guyon verbindet im gemütlichen Restaurant Fleur de Sel die Küche seiner Großmutter mit eigenen Ideen.
• 17, rue Haute, 14600 Honfleur, Tel. 02 31 89 01 92, www.lafleurdesel-honfleur.com

Huître Brûlée

Keine Angst, die Austern sind nicht verbrannt. Etwas skeptisch, ob so ein ungewöhnlicher Name nicht eine Marketingblase sei, bin ich zu Paul Lacheray gegangen, der als Einheimischer am Herd steht, während seine Partnerin Chloé Woestelandt mit viel Elan den Speisesaal leitet. Und bin, knapp zwei Stunden später, mit glücklichem Lächeln wieder fortgezogen, glücklich überrascht von der kreativen Marktküche, die viel Wert auf Bio legt, und den knackigen Farben der Speisen, die sich genussreich auf dem Teller paaren. Nicht ganz günstig, aber jeden Euro wert – und im Sommer könnt ihr auch draußen speisen!
• 8,  rue Brûlée, 14600 Honfleur, Tel. 09 82 57 90 18, www.facebook.com/huitrebrulee

Honfleur zieht sich an der Côte Fleurie den Hang hinauf. Foto: Hilke Maunder
Honfleur zieht sich an der Côte Fleurie den Hang hinauf. Foto: Hilke Maunder

Veranstaltungen

Fête des Marins (Seemannsfest; Pfingsten), Chroniques Nomades (Reisefotofestival; Mai/Juni), Jazz aux Greniers (Aug.), Estuaire d’en rire (Humorfestival; Sept.).

Schlafen

L’Absinthe

Unter dem Schieferdach einer Pfarrei aus dem 16. Jahrhundert  bietet  sechs nostalgische Zimmer. Schräg gegenüber findet ihr das Restaurant. Auf der überdachten Terrasse und im gemütlichen Kaminzimmer verwöhnt euch Thierry Lebihan mit ausgesprochen guter französischer Küche.
• 1, rue de la Ville, 14600 Homnfleur, Tel. 02 31 89 23 23, www.absinthe.fr

Hôtel L'Absinthe. Foto: Hilke Maunder
Das Hôtel L’Absinthe. Foto: Hilke Maunder
Das Restaurant L'Absinthe. Foto: Hilke Maunder
Das Restaurant L’Absinthe. Foto: Hilke Maunder

À La Maison du Parc

In einem großbürgerlichen Reederhaus aus dem 18. Jahrhundert, in dem einst der Ortschronist Charles Bréard (1839-1913) gelebt hat, hat das charmante Gästehaus den nostalgischen Charme von einst in seinen drei Zimmern und zwei Suiten mit dem Komfort von heute verbunden.

Im großen Garten könnt ihr ganz ungestört als Familie in der Orangerie entspannte Urlaubstage verbringen.
• 76, rue Saint-Léonard, 14600 Honfleur, Tel. 02 31 98 48 77, www.alamaisonduparc-honfleur.com

Noch mehr Betten*

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Der Blick auf Honfleur vom Panorama d' Équemauville auf dem Mont-Joli. Foto: Hilke Maunder
Der Blick auf Honfleur vom Panorama d‘ Équemauville auf dem Mont-Joli. Foto: Hilke Maunder

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