Meisterbau ohne Mörtel: der Pont du Gard. Foto: Hilke Maunder
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Pont du Gard: Meisterbau ohne Mörtel

Der Pont du Gard gehört zum Weltkulturerbe der UNESCO. 1,5 Millionen Menschen besuchen das weltbekannte Wahrzeichen der Provence. Und staunen über den Meisterbau der Antike, der Nîmes vor dem Verdursten rettete.

Die Wiege der römischen Stadt Nîmes lag in den Jardins de la Fontaine. Die Römer huldigten hier, wie schon vorher die Kelten, dem Wassergott Nemausus – und benannten nach ihm ihre neue Siedlung.

Die römische Tour Magne in den Jardins de la Fontaine von Nîmes. Foto: Hilke Maunder
Römischer Ausguck: die Tour Magne in den Jardins de la Fontaine von Nîmes. Foto: Hilke Maunder

Da jedoch das Quellwasser zu unregelmäßig floss, um die Bedürfnisse der wachsenden Stadt zu befriedigen, gab 19 v. Chr. Kaiser Augustus seinem Schwiegersohn und Feldherrn Agrippa den Auftrag, eine 50 Kilometer lange Wasserleitung zu bauen.

Die Jardins de la Fontaine von Nîmes. Foto: Hilke Maunder
Quellparadies im Herzen von Nîmes: die Jardins de la Fontaine. Foto: Hilke Maunder

Sie sollte Nîmes mit dem Wasser der Eure-Quelle in den Hügeln von Uzès versorgen. Heute füllt es Perrier als Mineralwasser ab. Die Aufgabe schien unlösbar – gab es doch auf der gesamten Strecke nur einen Höhenunterschied von 17 Metern, und damit ein Gefälle von nur 0,034 Prozent.

Zudem kreuzte der Gardon den geplanten Lauf des Aquädukts – wie konnte er überwunden werden? Heraus kam eine Brücke der Superlative, die seit 1985 zum Weltkulturerbe zählt.

Ihren Bau dokumentiert das Museum. Im Kino verschmelzen Geschichte und Fiktion beim 25-minütigen Film Le Vaisseau du Gardon (Das Schiff auf dem Gardon) von Robert Pansard-Besson.

Pont du Gard: der Eingang zum Welterbe. Foto: Hilke Maunder
Pont du Gard: der Eingang zum Welterbe. Foto: Hilke Maunder

Pont du Gard für alle Sinne

In drei übereinander gelagerten, immer engeren Bögen überspannt der Bau 49 Meter hoch das Flusstal. Seine bis zu sechs Tonnen schweren Muschelkalkquader wurden ohne Mörtel oder Zement zusammen gefügt – eine einzigartige Konstruktion!

Allein der Druck und die dadurch entstehenden Reibekräfte genügen, um die insgesamt 50.000 Steine zusammenzuhalten.

„Die Seele sieht sich in ein langes und tiefes Erstaunen versetzt,“

schrieb der Essayist und Romancier Stendhal (1783 – 1842) nach einem Besuch des Pont du Gard und notierte, tief beeindruckt, in seinem Reisetagebuch:

„Mir scheint, als wirke dieser Bau wie erhabene Musik.“

Glasklar sind die flachen Fluten des Gardon am Pont du Gard. Foto: Hilke Maunder
Glasklar sind die flachen Fluten des Gardon am Pont du Gard. Foto: Hilke Maunder

Das müssten auch die Macher von „Les Fééries du Pont“ (Die Feen der Brücke) im Sinn gehabt haben, die im Sommer vor der Kulisse des römischen Aquädukts ein märchenhaftes Schauspiel inszenieren – mit Videos, Musik, Lichtershow und Feuerwerk, das euch in eine Welt der Träume und Feen versinken lässt.

Etappe der Route Antique

2017 hat die UNESCO den Pont du Gard als einzige Weltkulturerbestätte Frankreichs für ein Etappenziel der europäischen Tourismusroute Route Antique ausgewählt.

Diese Route führt vorbei an den acht Kulturerbestätten: Olympia, Epidauros in Griechenland, Tárraco in Spanien, Stari Grad in Kroation, Nesse (Dornum) und Trier in Deutschland sowie Aquileia in Italien.

Mehrere Jahrhunderte alt ist dieser Olivenbaum am Pont du Gard. Foto: Hilke Maunder
Mehrere Jahrhunderte alt ist dieser Olivenbaum am Pont du Gard. Foto: Hilke Maunder

Entscheidend für diese Auswahl waren neben der antiken Natur dieser Stätten und ihrem außergewöhnlichen universellen Wert auch ihre nachhaltigen Entwicklung.

Der Pont du Gard gilt als besonders vorbildlich. Seit 2004 trägt er das Label Grand site de France, das ihm vom französischen Ministerium für Umwelt und nachhaltige Entwicklung verliehen wurde.

Paddeltour: auf dem Gardon zum Pont du Gard

Der Blick auf den Gardon durch die Bögen des Pont du Gard. Foto: Hilke Maunder
Der Blick auf den Gardon durch die Bögen des Pont du Gard. Foto: Hilke Maunder

Ein Spaziergang über den Pont du Gard gehört zum Standard. Viel spannender ist es, sich ein Kanu oder Kajak zu mieten und auf dem Gardon unter dem antiken Aquädukt hindurch zu gleiten.
Die Tour startet am romanischen Pont Saint-Nicolas de Campagne, der seit 1260 mit sieben 27 Meter hohen Bögen den Gardon überspannt.

Wo solltet ihr starten?

Berühmt als Einsatzort für Kanuten ist Collias. Es liegt nur zwei Paddelstunden oder acht Kilometer vom Pont du Gard entfernt. Dadurch ist es jedoch oftmals so überlaufen, dass es Warteschlangen trotz der hunderte Leihboote gibt, die auf dem grobem Kieselstrand ruhen.

Der Einsatzort Pont Saint-Nicholas passt viel besser zum ruhigen Charakter des Flusses. Anders als der Hérault fließt der Gardon ganz gemächlich hinab zur Rhône.

Nur der junge Fluss der Hochcevennen gebärdet sich wild. Doch als wir in die Leihkayaks steigen, sind wir, gewöhnt an die  Paddelboote aus Hamburg, zunächst irritiert.

Paddler auf dem Gardon. Foto: Hilke Maunder
Paddler auf dem Gardon. Foto: Hilke Maunder

Paddelboot mit Hochsitz

Anders als in den uns bekannten Kajaks, in denen man tief sitzt und zum Stabilisieren des Bootes die Beine gegen die Bordwand drückt, hocken wir ungewohnt hoch in den Plastikschalen… anfangs eine recht ungewohnt kippelige Angelegenheit.

Doch nach einigen Schlägen entdecken wir den Vorteil der behäbigen Einer und Zweier: Sie liegen wie Blei im Wasser und fahren auch ohne Ruderanlage bei gleichmäßigen Paddelschlägen schön geradeaus.

Eintauchen in den Duft des Südens

Der Pont Saint-Nicolas de Campagnac, über den seit 800 Jahren die Haupthandelsstraße zwischen Uzès und Nîmes verläuft, bildet das nördliche Ende der Gorges du Gardon. Im Laufe von Jahrmillionen hat sich der 127 Kilometer lange Fluss hier in vielen Kehren tief in den hellweißen Urgon-Kalk geschliffen.

Steineichenwälder klammern sich an die zerfurchten Felsen; Weiden, Erlen und riesige Weiß- und Schwarzpappeln säumen als eindrucksvolle Solitäre die Ufer.

Immer wieder führen schmale Saumpfade vorbei an Höhlen und Felsüberhängen hinauf auf das 150 Meter höher gelegene Plateau. Dort verströmt die Garrigue in der Hitze des Sommers die Düfte Südfrankreichs – Rosmarin, Thymian und wilder Majoran.

Im Mai blüht der wilde Thymian. Foto: Hilke Maunder
Im Mai blüht der wilde Thymian. Foto: Hilke Maunder

Filmreife Kulisse

Unten tief im Tal schimmert blau das Band des Gardon, der zwischen hellen Felsbänken hindurch fließt. In den Klang des eintauchenden Paddels mischt sich das Zirpen der Zikaden, mal verhalten, mal ein Crescendo.

In der Mitte der Schlucht ziehen wir neben der Ruine einer Mühle die Boote auf den Strand und steigen die Steilwand hinauf zur einem Ort, der nur zu Fuß erreichbar ist: La Baume.

Das längst von seinen Bewohnern aufgegebene Bergnest ist bekannt für seine kleine Chapelle Saint-Vérédème. Und als Drehort von Le salaire de la peur*(Lohn der Angst, 1953) mit dem jungen Yves Montand.

Kanu im Corso

Richtung Collias verengt sich die Schlucht, schießt der Fluss über die Felsen, spielt mit dem Kajak. Paddeln ist kaum möglich, zu dicht liegen die Steine und Felsen beieinander. Ein Stahlseil hilft beim Gleiten durch die schwierigste Passage.

Immer mehr Paddler begleiten uns. Die Paddeltour wird zur Pilgerfahrt. Zwei Stunden später ist das  Ziel erreicht: der Pont du Gard. 

Völlig gefangen lassen wir uns unter der Brücke hindurch gleiten, gebannt von der Harmonie und Erhabenheit der Brücke, die im Licht der späten Sonnen tiefgolden leuchtet.

Blick vom Pont du Gard auf den Gardon. Foto: Hilke MaunderPont du Gard: meine Reisetipps

Der Pont du Gard ist ganzjährig geöffnet. Seine Kernzeit ist 9 – 20 Uhr. Im Sommer ist länger geöffnet

Die Parkgebühr wird unabhängig von der Parkdauer und der Personenzahl pro Tag erhoben. Ob zwei Stunden dort oder ein ganzer Tag am Gardon: Der Tarif ist gleich.

Das Gelände ist inzwischen nahezu barrierefrei. Das Besucherzentrum hält eine begrenzte Zahl Rollstühle bereit.

Alle Infos: www.pontdugard.fr

Paddeln auf dem Gardon

Leihboote

Eingeschlossen in den Leihtarif ist der Rücktransport per Bus.

• Kajak Vert, 8, chemin Saint Vincent, 30210 Collias, Tel. 04 66 22 80 76, www.canoe-france.com
• Canoe Le Tourbillon, Chemin du Gardon, 30210 Collias, Tel. 04 66 22 85 54, www.canoeletourbillon.com
• Canoe Collias, rive droite, 30210 Collias, Tel. 04 66 22 87 20, www.canoe-collias.com
• Natu’Rando, Tel. 06 67 11 49 19, auch zweistündige Nachtfahrten ab Remoulins.

Die beliebtesten Strecken auf dem Gardon

Flussaufwärts

  • Vers – Remoulins – Fournes: 12 km (3 – 4 Std.)
  • Vers – Remoulins : 6 km (1,5 – 2 Std.)
  • Collias – La Baume – Collias: 11 km   (3 – 4 Std.)

Flussabwärts

  • Collias – Pont du Gard: 8 km (1,5 – 2 Std.)
  • Pont St-Nicholas – Vers – Remoulins (20 km, 2 Tage)
  • Pont St-Nicholas – Vers – Remoulins – Fournes (27 km, 2 Tage)
  • Pont St Nicolas – Collias: 11 km (3 Std.)
  • Russan – Pont du Gard: 32 km (8 Std.)
  • Russan – Collias: 23 km (6 Std.)

Shopping-Tipp

Die Vasen von Anduze. Foto: Hilke Maunder
Die Vasen von Anduze. Foto: Hilke Maunder

Anfang des 16. Jahrhunderts  sah der Cevennen-Töpfer Boisset auf dem Markt von Beaucaire eine Medici-Vase und töpferte sie nach: etwas rustikaler und mit einer Girlande samt Siegel als einzigem Schmuck.

Die je nach Art der Tonerde olivgrüne, honiggelbe oder bräunliche Vase aus Anduze im Tal des Gardon ist so beliebt, dass auch die Zitronen- und Orangenbäumchen im Schlossgarten von Versailles in Anduze-Vasen getopft wurden. Heute fertigen Les Enfants de Boisset die Traditionsvase in unveränderter Form.
• Route de Saint-Jean du Gard, 30140 Anduze, Tel. 04 66 61 80 86, www.vase-anduze.fr

Hier könnt ihr schlafen*
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Im Sommer könnt ihr im Gardon herrlich baden! Foto: Hilke Maunder
Im Sommer könnt ihr im Gardon herrlich baden! Foto: Hilke Maunder

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Liliane Fontaine: die Richterin

Liliane Fontaine: Die Richterin und die Tote vom Pont du Gard*

Vor dem Palais de Justice in Nîmes wird auf die Untersuchungsrichterin Mathilde de Boncourt geschossen. Sie überlebt schwerverletzt und ist sich sicher: Hinter dem Attentat steht ein Mädchenhändlerring.

Um sich von ihren Verletzungen zu erholen, zieht sich Mathilde auf das Weingut ihres Großvaters im Languedoc zurück. Von dort ermittelt sie gemeinsam mit Rachid Bouraada, Commandant der Police judiciaire mit algerischen Wurzeln, und sagt den Tätern den Kampf an.

Derweil ist auch der deutsche Reiseschriftsteller Martin Endress im Midi und will den Tod seiner jüdischen Großmutter aufklären. Er ahnt nicht, in welch ein Wespennest er mit seinen Fragen sticht… Beide Handlungsstränge verweben sich im ersten Fall von Mathilde de Boncourt zu einem spannenden Krimi mit viel Frankreich-Flair. Wer mag, kann den Krimi hier* direkt online bestellen.

Reiseführer

Der Reisebegleiter vor Ort: Ralf Nestmeyer, Languedoc-Roussillon*

Zwischen dem Delta der Camargue und den Gipfeln der Pyrenäen hat Ralf Nestmeyer nahezu jeden Strand gesehen, jede Stadt besucht, jedes Wehrdorf besichtigt – im Languedoc etwas intensiver, im Roussillon fokussiert er auf bekannten Highlights. Inzwischen ist der wohl beste Führer für diese wunderschöne Ecke Frankreichs 2021 in 9. Auflage erschienen.

Das 588 Seiten dicke Werk ist der beste Begleiter für Individualreisende, die diese Region entdecken möchten und des Französischen nicht mächtig sind. Wer möchte, kann den Band hier* direkt bestellen.

Okzitanien abseits GeheimtippsOkzitanien: 50 Tipps abseits der ausgetretenen Pfade*

Okzitanien ist die Quintessenz des Südens Frankreichs. Es beginnt in den Höhen der Cevennen, endet im Süden am Mittelmeer – und präsentiert sich zwischen Rhône und Adour als eine Region, die selbstbewusst ihre Kultur, Sprache und Küche pflegt.

Katharerburgen erzählen vom Kampf gegen Kirche und Krone, eine gelbe Pflanze vom blauen Wunder, das Okzitanien im Mittelalter reich machte. Acht Welterbestätten birgt die zweitgrößte Region Frankreichs, 40 grands sites – und unzählige Highlights, die abseits liegen. 50 dieser Juwelen enthält dieser Band. Abseits in Okzitanien: Bienvenue im Paradies für Entdecker!  Hier* gibt es euren Begleiter.

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2 Kommentare

  1. Und über die oberste Reihe, den eigentlichen Frischwasserkanal trotz teils fehlender Abdeckung von einem zum anderen Ende balancieren. Nicht jedermanns Sache, aber ich fand’s klasse, einmalig. Heute unmöglich, komplett abgesperrt, eingezäunt..

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